Aus dem Wald hervortretend, eine Hand am Wegbier, gab der Boden unter seinen Füßen plötzlich nach. Geistesgegenwärtig klammerte er sich mit der freien Hand an das Schild „Betreten verboten! Absturzgefahr!“ und segelte zusammen mit diesem hinunter auf den Strand. Die Thermik war günstig, eine mit weichen Gräsern bewachsene Schräge bremste den Aufprall, alle Knochen blieben heil, selbst die Bierflasche trug keinen Schaden davon (0,08 € Pfand), abgesehen vom aufschäumenden und dadurch leider dem Genuss entzogenen Getränk. Der Wanderer spülte die Kreide in seinem Maul mit den letzten Tropfen aus der Flasche weg, zog die Schnürsenkel fest, fand das Telefon, das er beim hektischen Griff nach Halt hatte fallen lassen, fertigte ein Selbstporträt mit der Absturzstelle im Hintergrund an und musste mit dem Hochladen desselben in die Netzwerke warten, bis er die nächste nennenswert bewohnte Ortschaft erreicht hatte.
Wir kacheln los! Das Ritzel groß! Wir zischen und wischen durch die Lande! Rasselbande im Freilauf! Auf, auf! Geschwinde Winde! Hinter die Binde danach das Bier in aus Gefrier- schrank gezognem Glas! Hab Dank für den Spaß, den Entschluss, es muss vom Sofa weg in den Dreck der Mensch! Mensch!
Das mulmige Gefühl bei dem Gedanken, dass der mächtige Haken eigentlich nur etwas bewirken kann, wenn er korrekt eingeschnappt ist, verließ mich während der gesamten Überfahrt nicht. Dunkle Wasser umflossen den Kahn, von kleinen weißen Eisschollen bedeckt, wie mir schien. Wenn die Hydraulik versagt, stürzt das Teil, das der Haken halten soll, in die Tiefe, und wir alle hinterdrein.
Ich aß zwei Leberwurstbrote, damit ich sie nicht umsonst angefertigt hätte, würden wir versinken, und spülte mit dem Küstennebel nach, der eigentlich für die Oma bestimmt war.
Der kleine Herr Schönleben, der von der Herrschaft gezwungen worden war, seinen Sommerurlaub im eklen November zu absolvieren, hatte unerschrocken eine Fährüberfahrt gebucht, obwohl er angesichts seiner kurzen Beine arge Zweifel hegte, das geliehene Kleinfahrzeug auf der schlingernden Eisenschüssel rechtzeitig zum Stehen veranlassen zu können. Ein Hinabgleiten in die Tiefen der dunklen See wäre die Folge gewesen! Aber alles ging gut, die Servicemitarbeiter hatten extra ein Netz gespannt und sprangen schreiend mit aufgerissenen Augen vor Schönlebens Wagen zur Seite und dann um ihn herum, in fremden Zungen fluchend, die rasende Fahrt des Wagens mit klammen Fingern abbremsend.
Als sich die Besatzung beruhigt und in ihrer Kammer Zuflucht gesucht hatte, um den Spirituosenvorrat zu überprüfen, nahm der kleine Herr Schönleben sein Klappmesser zur Hand und entfernte geschickt das Schild „Anweisung vom Personal beachten“, warf es unauffällig durch das geöffnete Seitenfenster seines bemitleidenswerten Ferienmobils und freute sich diebisch auf die Gesichter der Großkopferten, wenn sie des Schildes an prominenter Stelle im Großraumbüro ansichtig würden.
Gut, dass nur eine der beiden Fähren aktiv war, so dass wir lange genug warteten, um uns über das rätselhafte Schild auszutauschen: Eine gendermäßig unbestimmte Person, darauf konnten wir uns einigen, rufend, mit den Armen wedelnd, dabei weit über die dicken schwarzen Wellen ragend, weil das Wasser wohl nicht sehr tief ist, wurde vom Grafiker mit einem halbtransparenten Kreuz durchgestrichen. Irgend etwas soll die Person also nicht tun: Rufen, wedeln, aus dem Wasser ragen, sorgenvoll blicken. Und wenn doch, dann bitte nicht im gesamten Hafengebiet.
Weiter kamen wir nicht mit unseren Überlegungen, die Fähre legte an und wir befolgten die Anweisungen des Personals.
Der Problembär, unterwegs im Rahmen einer seiner mittlerweile liebgewordenen Abwesenheiten, dahinrasend im modernen Reisezug, sinnierte, ob er nicht vielleicht auf einen modernen Arbeitsplatz wechseln sollte, zum Beispiel in eine dieser neuen Großbrauereien, wo die Prozesse funktionierten und alle in weißen Kitteln und mit Namensschildern auf glänzenden Elektrokarren, die wahrscheinlich auch noch jeden Abend geputzt wurden, durch die Gegend wisperten. Er dachte an seinen missgelaunten Chef Nitzsche, die Scherbenhaufen im Getränkemarkt, den klebrigen Boden, den Hof mit der umgefahrenen Mauer, den rasselnden Stapler ohne Licht, mit dem ihm das Malheur passiert war, die impertinenten Kunden und den Nachschlüssel zum Likörschrein. Ein Lächeln umspielte seinen Schnabel, er stieg an der nächsten Station aus und kaufte sich eine Rückfahrtkarte auf Firmenkosten.
Ich hatte mir vorgenommen, eine größere Wanderung zu absolvieren. Leider fehlte mir die entsprechende Ausrüstung. Ich hatte weder brauchbare Schuhe noch Strümpfe zur Verfügung, von einem Rucksack ganz zu schweigen. Außerdem hatte ich im sogenannten Internet gelesen, dass das Tragen eines Jogginganzugs ab 200 Metern Höhe verpönt wäre. Da ich mich tatsächlich aus dem Elbtal heraus etwa 300 Meter in die Höhe arbeiten wollte, stand also auch die Anschaffung von Hose und Jacke auf dem Programm. Alle Kleidungsstücke sollten natürlich vor den Augen der im Wald zu erwartenden Tourengänger bestehen können. Ich prüfte meinen Kontostand, und mir kamen die Tränen in Erwartung dessen, was mir bevorstand.
Im Kaufhaus war es eigentlich ganz schnucklig, gleich hinter dem Eingang lauerte mir ein Uhrenfachmann auf und verkaufte mir zwei höhentaugliche Chronometer (eines geht ja schnell mal kaputt), an einem weiteren Stand füllte ich einen ganzen Beutel mit Kosmetika, die ich unterwegs gut würde gebrauchen können. Für die Schuhe und die Bekleidung wurde ich vom Personal unter wiederholten Bücklingen zum Fahrstuhl eskortiert. Ein schönes Einkaufserlebnis, das muss man sagen!
Im Fahrstuhl allerdings war ich mit der Bedienung desselben hoffnungslos überfordert. Ich hatte einige der Knöpfe gedrückt, die zu den verschiedenen Etagen führen sollten, auf denen ich die Abteilungen vermutete, die ich zu plündern gedachte. Der Fahrstuhl ruckelte und bewegte sich wohl auch nach oben oder unten, aber immer, wenn ich ausstieg, stand ich vor dem Bullauge, das die Etage anzeigte: E, Erdgeschoss, hier war ich eingestiegen. Ja, genau, von fern hörte ich den Uhrenverkäufer räsonieren, und auch der penetrante Geruch der Parfümerie erreichte meine Nase.
Ich überlegte kurz, ob ich mich auf die Suche nach einer Treppe begeben sollte, aber dann würde ich für die am morgigen Tag zu bewältigenden Anstiege keine Kraft mehr übrig haben. Also setzte ich mich in den Gelenkbus, schleuderte nach Hause, lag eine Stunde in der mit neu erworbenen Ölen gefüllten Badewanne und verpasste am nächsten Tag den Zug in Richtung Böhmische Schweiz, weil ich mit der Weckerfunktion der beiden Chronometer heillos überfordert war.
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