Archiv für den Monat: Dezember 2006

Bildwerke in Lipsigorod 9


Santa Fluxus steht bevor
Der Herr Weihnachtsmann steht quasi so knapp vor der Tür, daß die Zeiger aus der Uhr springen vor lauter Angst. Und er wird Dinge bringen, Damen und Herren! Auch und vielleicht sogar vor allem Speisen und Getränke, die durchaus mal die Magensäure ordentlich hochkochen lassen. Schön, daß auf den Werbewohnwagen, die mittlerweile nicht nur auf einsamen Katoffeläckern, sondern auch in der Metropole zu finden sind, subtile Gesundheitswarnungen in künstlerischer Form angebracht werden. Danke dafür, Kunst!

Von den Abgeordneten


Das kann auch keine Lichtglocke ersetzen!
Wenn es drinnen zu langweilig wird oder zu unharmonisch oder zu harmonisch, gehen die Abgeordneten gern unter das Volk, um Dem Kleinen Mann Von Der Straße die eine oder andere Weisheit abzulauschen oder sich von der Frau am Strand das Herz aus- oder von der am Stand den Prosecco einschütten zu lassen (wegen der Zustände bzw. des Klimas). Jedenfalls hat frische Luft noch keinem geschadet, lieber erfroren als erstunken oder erlogen, und das Tuten der vorüberziehenden Lastkähne lullt uns in den lieblichen Dämmerzustand der Entschleunigung, sie gleiten dahin im Azur, in den Wolken, die Nase, voll vom Meckern, die Hand, am Hebel der Macht…

Klipp klappt der Liegestuhl! Wo bin ich?

Krieg dem Palaste!


Nicht, dass mir der Palast zu Lebzeiten sehr gefallen hätte.
Ich hatte ja als minderer Bürger Mittelelbiens auch kaum eine Chance, die bestimmt sehr anregenden Vorstellungen im Inneren des Gebäudes erleben zu dürfen (Parteitage, Nana Mouskouri, Pudels, Alexandrow-Ensemble, „Rock für Zufriedene“). Man ging mit seinen Eltern und später mit der Liebsten ins Foyer und kuckte sich die Sessel an. Irgendwo gabs auch was zu essen, mit Anstehen (Bockwurst?). Immerhin brachte das Gebäude die Republik an den Rand des Ruins! Deshalb bastelte ich Briefmarken mit der Aufschrift „Ballast der Republik“. Ob das mutig war? Nicht mutig jedenfalls ist es, den Palast in ausgestellter Siegerpose zu tilgen, um an seiner Stelle ein weiteres fragwürdiges Zeichen des Absolutismus aufzurichten. Aber wenigstens ist der Dilettantismus, der dabei an den Tag bzw. an die Jahre gelegt wird, ein Grund für hämiche Freude und offenmundige Verwunderung.

Vom Diktat der Mode

Gefühlte neunzig Prozent der Bürgerinnen und Bürger haben es mittlerweile verinnerlicht: In-Sein ist In.

Die „must-haves“ des Winters: Gel, Brille, Mantel, Stiefel.

Der Rest kann ja weiter vor sich hin schlumpern, aber wer sich nicht völlig lächerlich machen möchte, sollte ein paar Dinge am Körper haben, die mittlerweile Kanon sind.

Fangen wir oben an: Helmartig gegelte Haare umstehen das Antlitz und erlauben es, in der größten Not ohne weitere Anschaffungen das eine oder andere Hühnerbein zu fritieren. Vor die Augen kommt eine raumgreifende Sonnenbrille. Jedes Gesicht wird schöner, wenn nur noch der Schmollmund zu sehen ist, das ist bewiesen. Außerdem ist es uncool, wenn einem die Dämlichkeit sichtbar aus den Augen springt. Endpunkt dieser Entwicklung werden die schwarzen Scheiben sein, die Kampfpiloten vor der Nase haben und in die man sich innen das eine oder andere „Gewaltspiel“ projizieren lassen kann. Oder ein Bild der Umgebung, mit Knopflochkamera aufgenommen.

Bei den Überwürfen sind die Vorgaben etwas diffus. „Nichts falsch machen“ geht am besten mit langen schwarzen Ledermänteln in Gestapomanier. Leder ist sowieso das Maß der Dinge, durchaus auch in Vegetarierkreisen. Für irgendwas muss es sich ja lohnen, die Wiesen mit Rindviechern vollzustellen.

Das „ohne gehts aber nun wirklich gar nicht“ dieses Winters aber sind langschäftige Stiefel (mindestens kniehoch), die über beliebige Hosen (am besten knalleng) „gewörcht“ werden, wie der Lipsigrader spricht. Das Ergebnis sind umgedreht kegelförmige Stelzen, mit denen die Schönen aller Welten auf die Fußgängerzonen einstoßen, dass man froh ist, in diesem Leben keine Granitplatte geworden zu sein.

Alles in allem beste Voraussetzungen, Eindringlinge von fremden Planeten schon durch geeignete Optik rasch in die Flucht zu schlagen.

Winter in der Weltstadt


Und wo ist überhaupt der Knopf?
Nachträglich mit Tesafilm angepappt, ist das linke Schild zwar ein Farbtupfer und „Hingucker“ im tristen S-Bahn-Grau, verwirrt jedoch den Betrachter. Wasnnu? Fällt man nur an kalten Tagen aus dem Zug? Oder geht man die Wand hoch, wenns kalt wird? Oder rutscht man schneller aus, wenn der Gletscher beim Bahnsteighalt in den Wagen kriecht? Das wirds sein! Aber wie interpretieren Fahrgäste, die des Deutschen nicht mächtig sind, die Symbole? Wenn zwei Züge zusammenstoßen, fällt man um? Aber doch nicht nach hinten? Bis zur endgültigen Klärung aller Fragen: Autofahren und über Radfahrer aufregen.

Endlich Mistwetter!


Lang genug haben alle übers schöne Wetter gemeckert.
Pünktlich als wir im Hinterwald ankamen, um uns vom Burgherren heiße alkoholische Getränke, Wildschweinraspel und gefüllte Teigwaren vorsetzen zu lassen, fing es an zu regnen, und es hörte nimmer auf, nicht einmal in der Planwirtschaft des Abends, wo eine etwas strohige, aber wohlschmeckende Soljanka gereicht wurde, in angenehmer Atmosphäre bei schönem Rocknroll und ungefiltertem Bier, beides der Gesundheit sehr zuträglich. Am nächsten Tag in der Metropole bäumte sich die Sonne noch einmal einen ganzen langen Tag auf, bevor sie sich dem Gegreine der Meteorologen beugte und in der Waschanlage verschwand.

Erinnerung an einen Baum


Bald isses wieder soweit.
Die Vorbereitungen dürfen getroffen werden, irgendwas war ja da jetzt demnächst, oder? Dominodingens essen, Glühwein verschwappern, Rocknrollschallplatten aufstapeln, Wunschzettel an die Frau verstecken, nach einem passablen Baum kucken, den man hoffnungsfroh noch zwei Wochen aus einem Wasserkübel trinken lassen kann – es wird nichts nützen.

Warum der Nikolaus wieder nicht kommt


Sind Ihre Stiefel vor der Thür auch leer geblieben?
Dabei hatte das Jahr doch schon so schlecht angefangen. Aber, Trost, es geht nicht gegen Sie persönlich: Der sog. Nikolaus hat sich im Hinterwald verlaufen. Hilflos kriecht er auf den Sandsteinfelsen herum auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Steinlabyrinth, auf dem Rücken den Sack mit den Süßigkeiten, die eigentlich in Ihre Schuhe gehören. Fassen Sie sich ein Herz oder eine Flinte und holen Sie den Nikolaus vom Felsen. Oder seien Sie nett zu Ihrer Nachbarin.

Für mehr Ratschläge bleibt keine Zeit, denn wir müssen Äpfelchen schälen und Nüsse knacken.

In meinem Steingarten


Bei der Anlage meines 80.000 qm großen Steingartens…
…legte ich besonderen Wert auf eine angemessene Fauna-Ausstattung. So tummeln sich zwischen den zwei aus Granitblöcken aufgetürmten Collmbergen nicht nur Erdmännchen, Murmeltiere und Schabrackentapire, sondern auch sehr elegant durchs Farn schlängelnde Natterwesen (Sorte vergessen). Wild zischend mäandern sie vor den Besucherinnengruppen über die Wege, worauf diese sehr zu meinem Vergnügen spitzeste Schreie der Überraschung ausstoßen. Leider ist es meinem Team von Zoologen, Theologen, Pchychologen und Botanikern noch nicht gelungen, die Schlangen zur Präsentation von Äpfeln zu bewegen. Dies wäre gewiss das i-Tüpfelchen meines Steingartens, der mir als kleiner, aber nicht unwichtiger Teil des Grundstücks vor meinem Schloss durchaus eine bescheidene Freude zu bereiten in der Lage ist.

Gadse in der Mühle


Um dem weitverbreiteten Wunsch der Menschen nach niedlichen Bildern nachzukommen, hier mal eins zum Wochenende. Eine Mühlengadse. Jeder Müller braucht ne Gadse wegen der Moise, und wenn sie weg wäre, säße er in der Zwickmühle, nämlich ob er schnell eine neue herbeischafft oder wartet, bis die alte wieder angefunden wird. Ohne Katze ist das Mehl bald von den Nagern aufgefressen, und dann hat der Müller keine Mäuse mehr, um sich genug Wind kaufen zu können. Und das alles, weil ein rothaariges Kuscheltier nicht zur verabredeten Zeit nach Hause kommt. (So funktioniert Wirtschaft.)