Archiv für den Monat: Oktober 2018

Ermunterung

goethe
Goethe vor seinem Gartenhaus (Beispielfoto)

„Na, das Werther wohl schaffen, lieber Schiller“, sagte Goethe. „Ich wüßte nicht, wie man wegen eines Handschuhs solches Aufheben treiben sollte. Meine Korrespondenz mit dem Sattler, mein Lieber, die hat die Grete beim Kartoffelschälen nebenbei verfasst.“

Von der Meinung

botschaften
Angeblich braucht jeder eine Meinung. (Beispielfoto)

„Ich brauche keine Meinung“, sagte Karl Gong.

„Doch-doch, brauchste-brauchste“, erwiderte Herr Utz in nervtötend hohem Singsang. „Jeder braucht eine Meinung. Sofort und immer zu allem. Kann ja sein, es passiert mal was, dann braucht man doch eine Meinung dazu.“

„Aber man weiß doch noch gar nicht, was passiert ist“, knurrte Gong.

„Ist doch egal! Wenn du eine Meinung hast, ergibt es sich von selbst, was passiert ist.“

Reimt sich auch auf Gülle

Ach, ich bin so knülle,
ach, ich bin so fertsch
von dem Rumgebrülle,
von dem Rumgeknärrtzsch.

Jeder denkt, er dürfe
in die Welt verblasen
üble Hirnauswürfe,
schlimm gemischt mit Gasen

allerstinkscher Sorte.
Ward dafür geschaffen
unsre Welt der Worte?
Dann schon lieber Affen

links und rechts von mir.
Oft ist angenehmer
als der Mensch das Tier.
Was nu, Alter, gehmer?
Bleimernimmerhier?

Nu. Genug der Qualen.
Hier, Frau Ober! Zahlen!

Kampfrichterfahrrad

kampfrichterrad
Drittes von links: Kampfrichterfahrrad (Beispielfoto)

Heute Nacht im Traum bot mir jemand unter der Hand ein Kampfrichterfahrrad an, für nur 62 Euro. Ich willigte sofort begeistert ein, gelten doch diese Räder als ausgesprochen formschön, filigran und trotzdem haltbar. Leider erwachte ich im Laufe der Transaktion. Sofort sah ich im Internet nach, und natürlich gibt es gar keine Kampfrichterfahrräder, nicht mal auf dem Schwarzmarkt.

Bis zum Morgengrauen lag ich wach.

Harmonie

gaffee

Heute macht der Bär die Küche,
davon zeugen Wohlgerüche:
Kaffee, Rotwein, Braten, Kuchen.
„Willste oma Met versuchen?
Ja? Derweile wasch ich ab.“
Ouh, das Bärchen ist auf Trab!
Hat wou scheints was ausgefressen?
Ach, vergeben und vergessen.

Roman-Ende

ziegenschafberg

[…]

Ihr kleines böses Gesicht hinter der Frontscheibe. Carlo auf dem Fahrersitz. Der Wagen schleudert um die Kneipenkurve, Gebharts Schafe blöken.

Fisch steht vor dem geschlossenen Konsum, fingert eine Zigarette aus der flachen Blechschachtel. Als er sie anzündet, kreischen die Reifen in der Kurve am Ortsausgang.

Er ist sie los, für immer, hoffentlich.

Ein tiefer Zug, er hustet, hustet, kann nicht aufhören, was ist das, Herrgott, was? Er sinkt zusammen.

Als ihn die Meiersche nachts findet, mit dem Boxer unterwegs, ist er längst kalt.

So schade, sagt sie, was für ein schöner Mann.

Ende.

Roman-Anfang

schiessleiter

Atemraubender Gestank lag auf dem Land. Ödnis regierte zwischen den Anwesen.

Das Wasser kam im Tankwagen, der Bäcker seit zwei Wochen nicht mehr, Trinkerheim, den Krämer hatten sie mit ihrem Geiz schon vor Jahren in die Totenhalle gebracht, weit vor seiner Zeit. Der Bauer, der sich mehr um seine Pferde als die Äcker kümmerte, nahm die Witwe in den Stall.

Abends hörte man von den Höfen billige Musik und brüllende Rede, das Schlagen der Bierflaschen aneinander; man roch das Fleisch, Fleisch, Fleisch, angebrannt auf dem Rost: Wollen wir auf Rollrasen leben oder Kies, darunter Folie, nichts kommt durch nach oben, oder die Platten, Naturstein auf Beton?

Ja.

Wenn nur der Gestank.

Daran gewöhnst du dich.

usw usf

 

Ende der Saison

strandkoerbe

Voller Wehmut lass ich rieseln
in die kleine Plastedose
Ostseesand, vermischt mit Kieseln
aus der ollen Badehose.
Hab sie heute erst gefunden
hinten links im Kofferraum.
Nur als Reimwort: Was mit „Hunden“?
Strandkorb? Sonne? Aus der Traum.
Jetzt such ich die Pelerine.
Montag wieder in die Mine.

Finale Bärchensichtung

baerchen-blaetter

Der für die fotografische Begleitung der Bärchensichtungen in den Bärchenerwartungsgebieten (wir berichteten) gedungene Fotograf ist seit gestern verschollen, berichtet die Untere Bärchenerfassungsbehörde. Das oben abgebildete Lichtbild ist das letzte mit seiner hochwertigen (aber nun kaputten, weil auf den Boden geprallten und mit Bissspuren versehenen) Kamera gefertigte. Nach Einschätzung von Experten zeigt es ein gesichtetes Bärchen von hinten inmitten Herbstlaubs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Bärchen sich durch die Aufnahme gestört fühlte und sich dem Fotografen in welcher Absicht auch immer zuwandte.

Für die Bevölkerung hat diese Situation keine Auswirkungen, solange die Fenster geschlossen bleiben und Nutztiere so schnell wie möglich selbst verzehrt werden.

Ende der Klagen

rauch

Nachdem die Autoindustrie über Jahre ungerechtfertigte, hämische, bösartige, zukunftsfeindliche, wirtschaftsschädliche, umweltgefährdende, unzutreffende, stinkende, sabbernde, neidische, zersetzende, krankheitsbegünstigende, vegane und sexistische Anfeindungen über sich ergehen lassen musste, wird es nun endlich Zeit, zur Tagesordnung überzugehen und auf der Autobahn mal bei Vollgas den Katalysator freizubrennen.

Schöner Ausflug

weg

Karl Gong benutzte eines Tages den Radweg auf dem Deich, um ins Naherholungsgebiet zu gelangen, wo er eine Bockwurst, ein Fischbrötchen und zwei Liter Gose einzunehmen gedachte. In träumerischer Vorfreude, nur getrübt durch den miserablen Zustand des Radweges, der offensichtlich von Menschen erbaut worden war, die Radfahrer abgrundtief hassten, sprang er von einer eingebauten Schottersteinspitze zur nächsten, wiederum lose Schottersteine nach links und rechts katapultierend.

„Diese Sauhunde!“ brüllte Gong, denn bevor der Radweg durch die Sauhunde erneuert wurde, hatte er sich in tadellosem Zustand befunden, ohne jedoch hochwassertauglich zu sein.

„Scheiß auf das Hochwasser!“ keilte Gong nach, da gab es schon ein Geräusch!

Bäng! machte das Rad. Bäng-Bäng! Wie bei Cher.

Wutheulend warf Karl Gong das dreckige, frisch geölte Fahrrad auf die Wiese, ergab sich der Not des Faktischen, demontierte die dreckstrotzende Technik und fand nach langer Suche die versteckte Schadstelle, klebte einen Flicken drauf, montierte „den Misthund“ fluchend, die Luft jedoch entwich weiterhin; alles wieder auseinander geruppt, zweites Loch suchen und flicken, fluchen, schreien, montieren. Die Sonne, inzwischen nicht mehr der Rede wert, hing unentschlossen blass zwischen den höheren Bäumen.

Gong hetzte zum See, schlang sein Kontingent hinter, ihm war schlecht von dem unrund schlackernden Hinterrad, aber was muss, das muss. Erschöpft, seekrank und deprimiert schließlich traf er des Nachts die Lebensgefährtin an, die sich jedes Trostes enthielt und nur seine „völlig verdreckte“ Erscheinung in gewählten Worten geißelte. Da er „so“ nicht ins Bett gelassen wurde, übernachtete er in der Fahrradfaltgarage.

Der letzte Ausflug

fuesse

Ratlos sitz ich auf dem Felsen
oben und ich komm nicht runter.
Neben mir die beiden Elsen
und der dicke Onkel Gunther.
Keiner kennt den Weg zurück.
Wie wir stiegen: Unbekannt.
So beschert uns auch kein Glück
atemloser Blick aufs Land.
Panik spült durch die Gedärme.
Ich betrachte meine Füße.
Neide euch die Ofenwärme.
Sende trotzdem frohe Grüße.