Ungültige Wahl, vielleicht

marokko
Marokko. Auch schön mit Huhn.

Wehmütig erinnere ich die Zeiten, da ich mit beliebigen Leuten ein Gespräch anfangen konnte, harmlose Sätze austauschte, über das Wetter, das Befinden und das Wochenende, und wir lächelnd und in Frieden schieden. Heute allerdings muss man gewärtigen, dass jeder spontane Versuch einer unverbindlichen Kommunikation sofort zu einem Ausbruch peinlichsten Krakeels führen kann; ohne jeden Anlass wird verbal losgewütet, die Welt in den absonderlichsten Theorien ausschweifend und bizarr und offensichtlich völlig kenntnisfrei erklärt, auftrumpfend dumm wie ein aus großer Höhe gefallener, zerplatzender Kürbis.

So bemerkte letztens in der Briefwahlkabine nebenan eine Dame sinngemäß, dass ihr die Anzahl der Parteien auf dem Stimmzettel viel zu groß erschiene. Ich hätte schon vom Tonfall gewarnt sein müssen, gab aber zu bedenken, dass diese Vielfalt auch ihr Gutes habe, wenn jede Bürgerin genau das wählen könne, was ihr zusage. Der nachfolgende Schwall sinnloser Beschimpfungen des hiesigen Landes, dessen Zustand auch ich nicht hundertprozentig beglückend, aber einigermaßen erträglich finde, gipfelte in der lauthals gemaulten Feststellung, dass alles, und wirklich alles in Marokko, woher die Dame wohl eben aus dem All-Inclusive-Urlaub zurückgekehrt war, viel besser sei.

„Dann geh doch nach Marokko, du dummes Huhn!“ brüllte ich außer Kontrolle, faltete meinen Stimmzettel, warf ihn ein und überlegte den ganzen Abend, wen ich eigentlich gewählt hatte.