Abenteuer des Standstreifens

Vor ein paar Tagen waren wir auf der Autobahn unterwegs, mit uns wie üblich einige tausend mehr oder weniger angenehme Mitmenschen. Einigen stieg die Plakette zu Kopf, die auf den Motorendeckel des Wagens geklebt ist, andere lebten ihre sonstigen Neurosen aus, die Mehrzahl aber verhielt sich unauffällig. Also nichts besonderes, abgesehen von dem Mopedfahrer, der den ganzen Pulk in der Nähe von Leuna mit knapp 200 Stundenkilometer auf dem Standstreifen überholte. (Irgendwie blieb der Typ im Sattel oder flog weit genug davon, wir hatten Glück und mussten keinen Körperteilen ausweichen.)

Zwischen Soest Ost und Soest West allerdings passierten wir ein Phänomen, den Aufsässigen Bürger des Tages: Ebenfalls auf dem Standstreifen unterwegs, benutzte er zum Fortkommen eines jener Hilfsfahrzeuge, denen auf die hintere Klappe eine 25 aufgeklebt ist, und viel schneller war er auch nicht unterwegs von Soest Ost nach Soest West, starren Blickes nach vorn kroch er der Ausfahrt entgegen, oder war sein Ziel etwa Dortmund? In ein paar Stunden sollte dort „Fußball“ stattfinden, er könnte es gerade so geschafft haben.

Es war ein bemerkenswerter Anblick, dieser sich der Raserei der Gegenwart entziehende Soester in seinem viel zu kleinen, viel zu langsamen Gehäuse. Stur und widerständig, unbeirrt und aus der Zeit gefallen, ein Reichsautobahnbürger vielleicht.

Nun, das bisher vorgebrachte ist eigentlich zu gehaltlos, um es hier zu veröffentlichen, aber es gibt Gelegenheit, mit der folgenden wirklich hübschen, wenn nicht gar revolutionären Sentenz abzuschließen, die der geneigte Leser, die geneigte Leserin sich langsam auf der Zunge zergehen lassen möge:

So ist der Soester.