Kategorie-Archiv: Sie und Er und 1000 Fragen

Sie und Er und 1000 Fragen

Neu bei Nitzsche

Den werten Mitarbeitern hiermit zur Kenntnis von Chef A. Nitzsche Getränkehändler in Machern (man muss nur machern) und zur wohlfeilen Mahnung und Abschreckung Wirtschaft ist kein Selbstläufer jeder Bedienstete Meiner Einrichtung hat sein Bestes darzubieten in Aufopferung und Subordination sonst droht düstere geschäftliche Perspektive wie die auf dem Lichtbild dargestellte. Diese Erinnerung insbesondere gerichtet an Problembär Hofarbeiter aus Anlass der wiederholt unaufmerksamen Bedienung des Stapelgerätes mit einhergehendem Einsturz der Gebindepyramide in Halle 42 (links hinten Ich sehe alles) sowie an Marketing die wieder mit gelbem Filzstift auf weißem Papier gemalt hat wer soll das lesen können? Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Lichtbild: Pauli Pictures

Die einfühlsame Ballade vom Herbstherzen

In der Zeit geirrt
hat sich dieses Blatt.
Denn die Biene schwirrt
längst von Nektar satt

durch die Frühlingsluft.
Heb es sachte auf.
Ringsum tobt der Duft.
Trag in schnellem Lauf

es zur Liebsten hin:
„Horch nur, wie es schlägt!“ –
schwindet mir der Sinn,
so bin ich erregt.

Wo ist die Moral?
Nirgends, hoffe ich.
Zwischen Berg und Tal
lieb ich, Holde, dich.

Die Grenzen der Schönheit

Je größer das Grundstück, um so größer die Wahrscheinlichkeit, an seinen Grenzen auf hässliche, das Auge des Ästheten beleidigende Stellagen zu stoßen, dachte Karl Gong seufzend beim Anblick des Garagenhofes – hinter den neu erworbenen Quadranten D37/D38 seiner Liegenschaft – , auf den die Unangetraute ihn völlig aufgelöst und in höchstem Maße empört hingewiesen hatte, nicht ohne die in schneidendem Ton vorgebrachte „Bitte“, unverzüglich entweder a) den Komplex unauffällig niederzureißen, b) die „uns zugewandten Fassaden“ hübsch anzustreichen oder c) die Bruchbuden gleich zu kaufen, „nächstes Jahr sind die sowieso fällig“; nur die von Karl Gong favorisierte Variante, den Frühling einfach machen zu lassen und abzuwarten, bis Blatt- und Heckenwerk den Schmott hinter sich verdecken, fand vor dem strengen Gericht der Holden keine Gnade, denn dabei handele es sich lediglich um durch Naturliebe verbrämte Faulheit, die es mit Stumpf und Stiel auszurotten gelte.

Interkulturelles Missverständnis

Flusskreuzfahrt-Landgang (Beispielfoto)

Mein Freund Klaus-Jürgen, der Milliardär, ist mit Flusskreuzfahrten reich geworden. Ob Jenissej, Angara, Wolga, Oder, Elbe. Kalauer. Die Passagiere stehen mit Cocktails an der Reling und liefern als Zuverdienst beim Landgang Pakete aus. Die Mannschaften bekommen Prämien für das Vergrämen von Bibern. Alles läuft bestens. Letztens saß ich mit Klaus-Jürgen bei einer Flasche Wein, die er für 48.000 Euro ersteigert hatte und die nach Korken schmeckte, was er nicht wahrhaben wollte. Er ist unglücklich. Zwar hat er eine gewisse finanzielle Grundabsicherung erreicht, das war ihm schon als Kind wichtig, jedoch treibt ihn die Frage um, was noch kommen könnte. Als Lebensziel, Lebenssinn. Sich zu bemühen, Billionär zu sein, ist eigentlich Quatsch, sagt Klaus-Jürgen, in Amerika ist er ja als hiesiger Milliardär schon Billionair, und das wird immer schlimmer, je reicher er wird. Würde er es hierzulande durch harte Arbeit zum Trillionär bringen, könnte es passieren, dass er auf einer Stehparty in Manhattan als solcher nur belächelt würde. Wo bliebe da die Würde? Nun, ich konnte ihm auch nicht helfen. Irgendwann ließ ich ihn weinend mit dem Kopf auf dem Tisch liegen, setzte mich aufs Fahrrad und fuhr taumelnd ins Elsterflutbett.

Ein Nachmittag mit dem Oligarchen

Der kleine Herr Schönleben maulte nicht herum, als sein aktueller Kunde, der Getränkeoligarch N., darauf bestand, ihn in seinem Home Office zu besuchen, um sich nach dem Arbeitsstand der „Kampagne“ zu erkundigen, ein Begriff, der dem kleinen Herrn Schönleben ein gewisses Unbehagen bereitete, gerade des besagten Arbeitsstandes wegen. Wie angenehm überrascht aber war Schönleben, als ihm der Oligarch einen Platz auf dem Besucherliegestuhl anbot, das Gastgeschenk aus der Hosentasche zauberte und die schönsten Erlebnisse aus seiner langen Oligarchenkarriere erzählte. Eine weitere Flasche wurde unter wüsten Beschimpfungen des Art Directors geleert, der ja sowieso mit seinem ständigen Reinquatschen jede Kampagne ruiniere, und pünktlich zum Feierabend erhob sich N., um nach dem Hofarbeiter zu sehen, der wohl aber gar nicht mehr anwesend sein würde. „Recht so! Recht so!“ rief der kleine Herr Schönleben in Verkennung der Machtverhältnisse, allerdings ohne gerüffelt zu werden. Er begleitete den Oligarchen zur Tür, sah zu, wie sich dieser elegant durch Abstoßen des rechten Beines auf dem Hupwagen in Bewegung setzte, schrieb sich sieben Stunden „Getränke-Kampagne N.“ im Journal gut und fiel bis zur Sondersendung nach der Tagesschau in einen bleiernen Schlaf.

Mittelfristplanung

Dem kleinen Herrn Schönleben war von den Großkopferten aus Schikanegründen der Auftrag zum Verfassen einer Mittelfristplanung für die Agentur zugewiesen worden. „Bis gestern!“ röhrte der Art Director, den Schönleben im Stillen nur noch als „Artklops“ zu bezeichnen pflegte, hämisch. Nach ausgiebiger Mittagsruhe schleppte sich der kleine Herr Schönleben an den kleinen Schreibtisch, nahm Stift und Zettel zur Hand und legte los:

Mittelfristplanung 
– Betriebsfunk unter Kontrolle bringen 
– Chef entmachten und in Papierlager sperren
– Artklops Bier holen und Bewährung in der Produktion 
– Gehälter plus 100% (wieviel ist das?)
– Kundenzüchtigung bei Renitenz

Zufriedenheit umspülte das kleine Gesicht Schönlebens, und weil die Arbeit so leicht von der Hand ging, hängte er gleich noch die Langfristplanung hinten dran:

Langfristplanung 
– komm. Weltrevolution 
– Frieden auf Erden 
– Artklops Klo putzen (in den Home Offices)

Nach einem kurzen Schnaufer der Erschöpfung steckte er den Zettel in eine Email, wählte als Verteiler „An alle“, sah versonnen dem Sendeprozess zu und ließ sich vom Lieferdienst eine Tasse Kaffee kommen.

Vom Ertrag

Karl Gong, auf dessen Gemarkungen sich mehrere Rotten Wildschweine am Biogasmais und den eigentlich für die Pferde der Unangetrauten bestimmten Leckereien labten, wurde von jener dazu verpflichtet, dem schändlichen Treiben Einhalt zu gebieten, nicht zuletzt, um dem grassierenden Schweinewahnsinn zuvorzukommen, der laut Epidemiologen, ein Wort, das am Abendbrottisch schon seit zwei Jahren erstaunlich flüssig von aller Lippen sprang, endlich „die Viecher abzuknallen“ und einer sinnvollen Verwertung zuzuführen, zum Beispiel Gulasch mit gedünsteten Birnenscheiben und Preiselbeeren, die böhmischen Knödel nicht zu vergessen, man könnte ja auch einmal ein paar Nachbarn zum Verzehr einladen, oder den Kirchenchor, die Damen der Reitgruppe, den Getreidehändler und die Olle vom Grundbuchamt, aber bitte nicht den ABV, der letztens „aus Versehen“ eines der Schafe erlegt hatte, im Wahn, es hätte sich in einen Wolfspelz gehüllt, einen solchen unerwarteten, blutigen Vorfall zwischen Dessert und Zigarren möchte sie nicht noch einmal erleben, jedenfalls nicht auf ihrem Grundstück bzw. ihren Grundstücken, dann müsse er, Gong, definitiv wieder eine Nacht im Stall schlafen, zur Strafe, was jener natürlich zu vermeiden trachtete, schon der unangenehmen Gerüche wegen.

Die Infrastruktur ist das Wesentliche

Auf Werbung mochte Karl Gong nicht verzichten. Links im Bild der Schildermaler.

Karl Gong, der seine weitläufigen Ländereien weder zu Fuß noch mit dem Lastenfahrrad oder der Dieselameise befriedigend zu betreuen in der Lage war, installierte mit Hilfe professioneller Gartenbahnhöker ein formidables Schienennetz, auf dem er mit dampfelektrisch betriebenen Zugmaschinen eindrucksvolle Lorenkolonnen nach ausgeklügelten Fahrplänen bewegte, errichtete auf der Grundlage nächtens ausgebrüteter Pläne (inklusive Statik) einen die Unangetraute immens beeindruckenden „Hauptbahnhof“ und bewegte die Holde jeden Abend in einem halboffenen Salonwagen durch die im frühlingsgetriebenen Aufbruch befindlichen Gestade, vorbei an den Bisonherden, Kranichschwärmen, Wolfsstreifgebieten und Meerschweinchenstallungen, und selten war bei der Liebsten eine solche grundhafte Zufriedenheit zu registrieren wie in dem Augenblick, als sie unter ohrenbetäubendem Pfeifen, Zischen und Bimmeln in die funkelnde, menschenleere Halle einfuhren, er kam lässig mit dem kleinen Finger bremsend zwei Zentimeter vor dem Prellbock zum Stehen und nahm die unausweichlichen Liebkosungen erhobenen Hauptes entgegen.

Neu bei Nitzsche

Als Ich Adolf Nitzsche Getränkehändler in Machern man muss nur machern mit Meiner Thrillerpfeife die Belegschaft herbeirufe 120 Dezibell erscheint kein Hofknecht Ich dreh durch. Wo ist Er der Lomp? Wer soll jetzt die ganze Arbeit machen Alles kaputtwerfen und gegen Mich im sportlichen Wettstreit Hupwagen mit kaputtem Gabelstapler antreten? Kulturheini steht vor der Oper als Mahnwache Marketing malt Warnschilder mit Virussen aus und admin123 ist im Darknet verschwunden um einen Tschipp für den Pfandautomaten zu kaufen. Wozu braucht der einen Tschipp? Hofknecht Beibringung Belohnung 1 Kasten Bockbier (muss weg). Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Das diverse Abenteuer zur Nacht

Ich hole meinen Knicker raus 
und schleiche heimlich aus dem Haus. 
Ich spiele eine Gangsterbraut
und fühl mich wohl in meiner Haut,

so queer und irgendwie verrucht, 
was ich zu selten hab versucht.
Ich laufe hin und renne her
und knicke forsch mein Schießgewehr,

verschieße die Diabolos,
verirre mich auf falsche Klos 
und kehre heim erst in der Früh,
wo ich im Homeoffice verblüh.

Frustrationsproklamation

Ich sitze still im Busch 
und ziehe eine Gusch.
Ich schaue auf die Uhr 
und frag, wo bleibst du nur?

Wir hatten hier ein Date.
Du bist, mein Liebchen, spät.
Mir wird allmählich kalt, 
so wachend hier im Wald. 

Wenn du nicht bald erscheinst 
und mir ein Tränchen weinst,
weil du mich hast vergessen, 
dann geh ich erstmal essen.

Die Konsultationspunkte

Anlegen von Konsultationspunkten in der Niederlausitz

Die weitgehende Vereinzelung der Heimarbeitsschaffenden, die in bestimmten Organisationen durchaus segensreich wirken kann, hat nicht nur positive Aspekte. Sogenannte Online-Meetings können das persönliche Aufeinandertreffen der Mitarbeitenden nicht ersetzen. Deshalb wird in einem breit angelegten, bundesweiten Feldversuch die Installation von neuartigen Konsultationspunkten realisiert. Diese entstehen vorzugsweise im Umfeld bäuerlicher Produktionsbetriebe, wo genügend frische Luft bereitgestellt werden kann, sowie Platz, um mit den Armen zu rudern und Abstände einzuhalten. Für Kost und Logis darf im Stall mitgearbeitet werden, und die Kühe brauchen noch Namen.

Zur Feier des Tages

Ach mir ist so feierlich.
Alles leuchtet, alles gleißt.
Und vergiß die Eier nicht
mit dem Kaviar, du weißt?

Schinken, Käse, frisches Brot,
Knusperflocke, Gummitier,
niemand leidet heute Not,
spült er nach mit gutem Bier.

Blaue Stunde, blauer Sinn,
Glas um Glas befüllt uns stur.
Wann wir solln zum Bette hin,
zeigt uns spät die blaue Uhr.

Wankend geht es übern Platz,
wo dereinst ein Denkmal grüßt
protzend mich und dich, mein Schatz.
Kopfschmerz später. Jeder büßt.