Archiv für den Monat: November 2015

Winterbacken

Die kleine Stadt, in deren Dunstkreis ich manchmal nächtige, verfügt über einen phänomenalen, eingesessenen Bäcker. Brötchen und Brot „wie früher“. Deshalb auch immer voll, sonnabends halb sieben.

Nicht, dass man es vermissen würde, aber auch hier ist die Bäckerinnung aktiv: Mit angenommener marketingtechnischer Brillanz gestaltete Hängeschilder verkünden „Wir backen… …den Winter…“ und „…mit der Winterfrische“. Nun erwarte ich ja nichts weniger, als dass meine Mohnhörnchen mit Winterfrische gebacken werden, Gott bewahre, so ein Schwachsinn. Erwähnenswert sind die armseligen Schilder nur deshalb, weil der einzige Konkurrent im Städtchen der weitaus weniger brillante Bäckerkollege Winter ist.

Kein Witz! Hohoho!

ABSOLUT NICHTS

Ich fuhr durch die Stadt. Im Auto. Dabei darf man nicht fotografieren, deshalb gibt es zu diesem Bericht kein Bild. An einem sehr großen Haus, im Umbau befindlich, hing ein sehr großes Plakat. Ich hielt an der roten Ampel (alle Ampeln waren rot) und las auf dem Plakat: ABSOLUT NICHTS.

Aha, dachte ich. Das ist jetzt Werbung für ABSOLUT NICHTS. Mal was anderes. Ich drehte den Kopf noch ein bisschen weiter, um zu sehen, wie sich die Gestalter des Plakates ABSOLUT NICHTS vorstellten. Wiederum Aha: Eine Vodkaflasche. Ist doch aber eigentlich doch was, so eine Vodkaflasche, dachte ich, eigentlich schon besser als NICHTS. Ich überprüfte den Text auf dem Plakat: und entdeckte ein kleines Häkchen am C. ABSOLUT NIGHTS. Aha. Dabei war das Plakat gar nicht sooo dunkel.

Hinter mir hupte jemand.

Filterkaffee vs. Problembärkaffee

Problembär-Kaffee

Bis vor kurzem war der Problembärkaffee das Maß aller Dinge: Der Problembär hatte eine feuerspeiende Maschine im Hause, kaufte kleine Döschen mit Konzentraten, stopfte sie zusammen mit Wasser in die Maschine, plazierte eine Tasse unter dem Ausgabeschacht, drückte den Knopf und sah zu, wie die Tasse durch das Rattern, Schütteln und Vibrieren der feuerspeienden Maschine langsam auf ihrem Ausgabeschachtplateau entlangwanderte und über die Kante kippte.

Inzwischen jedoch verfügten alle Haushalte über eine oder mehrere Problembärmaschinen, die Industrie geriet in Panik und bereitete das nächste große Ding vor: In allen Zeitungen wurde die Wiederkehr von Muttis bzw. Omas Filterkaffee als neuer Trend ausgerufen. Natürlich nur mit neuen Filterkaffeebrühmaschinen, die alten sind ja verkalkt bzw. auf dem Boden bzw. in der Scheune hinten links beim Sperrmüll.

Wie sagt der Problembär? Hauptsache, es schmeckt und die Tasse bleibt auf dem Plateau.

Die Kirschen am Baum

Kirschen am Baum

Die im Spätherbst übriggebliebenen Kirschen am Baum verführen zu der philosophischen Vermutung, dass man sich manchmal einfach nur wirklich festklammern muss am Leben, auch wenn man dabei beeindruckend hässlich und entbehrlich aussieht. Nur so erlebt man den Winter. Wenn man es denn will.

Weißwürste

Mein Computer hatte mir bereits seit Wochen mitgeteilt, dass er es für eine gute Idee halten würde, das Betriebssystem Numero 10 zu installieren, was immer das auch ist. Ich zierte mich eine Weile, man soll ja nicht immer gleich allem nachgeben, was an einen so herangetragen wird. Besonders, wenn es sich beim Antragsteller um einen Klumpen Materie handelt, der oft genug durch störrisches und rätselhaftes Verhalten auffällt.

Schließlich aber erklärte mir die Presse („zufällig“ oft genug auf dem Computer erscheinend), dass ohne eine solche Installation in Kürze die Welt untergehen würde, zumindest meine kleine Welt unter und auf dem Schreibtisch, die zwar gerade noch einigermaßen herumrödelte, jedoch in Zukunft unsicher und peinlichst veraltet ins Nirvana der durch böseste Viren ausgelöschten Existenzen sich verabschieden würde usw. usf. Ich wurde langsam weich. Würde die Vernunft, alles weiter so funktionieren zu lassen, wie es gerade mal mit Ach und Krach funktionierte, siegen über die Vernunft, sich dem Fortschritt nicht verschließen zu dürfen, um auch weiterhin als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft wahrgenommen zu werden? Ich tendierte langsam zu letzterem. Aber, zugegeben, am meisten überzeugte mich das Argument, dass der ganze Quatsch nichts kosten würde. Muss man mitnehmen, wer weiß, was noch kommt. Wenn es dann alle haben außer mir, muss ichs vielleicht noch bezahlen. Soweit kommts!

Eines besinnungslosen Abends also drückte ich den Knopf und das Spektakel begann. Ich erinnere mich kaum, möglicherweise hatte ich mich aus Verzweiflung betrunken. Man weiß ja nie.

Jedenfalls war das Ergebnis so lala. Die Erde wurde zur Scheibe, Schatten verschwanden und weite Flächen breiteten sich aus. Der Bildschirm lud mich ein, auf ihm herumzugrapschen, es passierte nichts. Der Drucker funktionierte erst einmal nicht, dann doch. Ich konnte keine Fotos mehr durch das Internet entwickeln lassen, sie wurden nicht mehr angenommen. Die angerufenen Fotografen waren ratlos. Sie hatten ihre Programme, die auf meine Bilder warteten, nicht getestet. Die damit beauftragten Programmierer wären krank oder in Urlaub, so wurde behauptet. Man wollte seine Ruhe haben, und Leute mit neuen Betriebssystemen stören da nur. Sie werden alle pleitegehen, dachte ich, und ich muss meine Fotos mit Buntstiften vom Bildschirm abmalen.

Irgendwann befragte mich der Computer nach meinen Eindrücken vom „Upgrade-Erlebnis“. Ich war ratlos. Was sollte ich sagen? Ich fuhr den Computer herunter, er fuhr wieder hoch. Wir wiederholten das Spiel mal um mal, bis ich bei laufendem Betrieb den Stecker zog. Ich musste ins Bett. Au weia, dachte ich, morgen kommt er nicht wieder hoch. Er kam aber doch und hatte sich sinnloseste Fehlermeldungen ausgedacht, aber das kannte ich ja von früher. Ich suchte nach Programmen und fand einige wieder, den Rest vermisste ich sowieso nicht.

Alles also wie erwartet nach einer solchen Aktion. Selber schuld, sagte das Kleinhirn. War doch nicht so schlimm, das Großhirn.

Der Hit aber, und darauf läuft die etwas längliche Vorgeschichte hinaus, ist der Moment, als ich mein Vektorgrafikprogramm öffne, um so etwas wie zu „arbeiten“. Vektorgrafikprogramm – mancher weiß, was es ist, die anderen können ja im Internet nachsehen, wenn ihr Computer sie reinlässt. Jedenfalls startet das Programm entgegen meinen Erwartungen ohne Probleme und beängstigende Fehlertexte, natürlich ist es auch flach wie die Lipsigrader Tieflandsbucht, alle Schnörkel und Fisimatenten der Vektorprogrammierer sind ausgemerzt, plattgeklopft, dünngewalzt, der Stuck fehlt, das kenne ich von den anderen Programmen, die jetzt Apps heißen.

Warum auch nicht.

Ich beginne also „zu arbeiten“ und will das Ergebnis der „Arbeit“ abspeichern. Weil ich seit dem „Upgrade“ nicht mehr der sogenannten Steuerungstaste vertraue, die in Kombination mit dem Buchstaben S wie verrückt losspeichert, möchte ich auf „Datei“ klicken, und danach auf „Speichern“. Lernt man bei der Umschulung, wenn die ersten praktischen Übungen anstehen.

Aber da ist kein: „Datei“. Da ist gar nichts. Nur weiß. Schnee! Blizzard in der Funktions-Zeile! Der Alptraum der Winterphoben! Vektorgrafikprogrammfreunde-Memory ohne Aufdecken!

weiß
Das Programm: weiß alles.

Meine Augen sind zwar die eines durchschnittlichen Adlershofers, aber nicht die eines Adlers. Ich sehe nichts.

Nun, um der Geschichte ein wenig Dramatik zu nehmen: Wenn ich mit „Der Maus“ über die Schneewehe fahre, erscheint ein zartes, hellhellblaues Fähnchen und legt sich hinter den weißen Text, so dass ich das Wort auf meinem teuersten Bildschirm gerade so erraten kann. (Wäre ich ein bekanntes Nachrichtenmagazin, hätte ich mir diese Abschwächung verkniffen).

Aber: Ist es ein Zufall, dass ich seitdem vom Hersteller des Vektorgrafikprogrammes täglich Post bekomme, die mich auffordert, die neueste Version seines Erzeugnisses zu installieren? Gegen Geld?

Komplett verfahren

Dresden-Neustadt
Auf meinem inneren Atlas weit weg vom Meer: Dresden Neustadt

Bis eben hatte ich es den Mitreisenden noch verheimlichen können. Aber im Hafen war es dann raus: Ich hatte mich komplett verfahren. Dresden-Neustadt, haha, von wegen!

Würde ich nun eines der mir so verhassten Navigationsgeräte anschaffen müssen?