Archiv für den Tag: 3. Februar 2016

Vom Export der Schönheit

Die nach Ansicht aller ihrer Bewohner und einiger weniger Besucher allerschönste Stadt der Welt (Hinterwald) geht nun, um den kurzfristig leicht abschwellenden Besucherstrom (man hat sich sattgesehen) monetär zu kompensieren, gänzlich neue Wege. Das Amt für Tourismus, schöne Fassaden und wohlfeile Werbezettel denkt ernsthaft über den Export der Hinterwald-Schönheit in weniger bevorzugte Landesteile nach. Warum, so die von fähigen Mitarbeitern ausgeheckte Frage, sollte man nicht auch woanders in Lizenz ein paar schöne Fassaden hinbasteln? Die Fremden könnten dann bei sich zu Hause vor den Fassaden stehen, würden gegen geringes Eintrittsgeld mit offenem Munde die barocke Pracht bestaunen und im Original-Hinterwald nicht stören bzw. durch schlechten Atem die Oberflächen in Mitleidenschaft ziehen. Und die Hinterwalder müssten sich in ihren Umgangsformen nicht mehr so einschränken, um irgendwelchen Fremden zu gefallen. Eine klassische Win Win Win Situation.

Barockfelsen
Neue Barockfelsen im befreundeten Kleingebirge

In einem befreundeten Kleingebirge startete mittlerweile das erste Franchise-Projekt: Eine besonders prachtvolle Hinterwald-Gasse wurde liebevoll und originalgetreu in eine bis dato eher uninteressante Klamm (so etwas wie eine Schlucht, lieber Fremdling) gehauen, mit Simsen, Putten, Pilastern, Gauben und allem anderen Krempel. Die Reaktionen sind beachtlich und geben Hoffnung für die Zukunft. Die Anwohnerschaft begrüßt die kulturelle Aufwertung der Einöde (nuja, nischlescht, müssmer nimmehr in Zuuch sitzn, um den Quatsch anzesehn). Selbst die sonst allem Fortschritt gegenüber negativ-feindlich eingestellten Naturfreunde sind einigermaßen angetan: Wer sein Kletterseil vergessen hat, kommt auf den reich strukturierten Felswänden nun auch ohne dieses nach oben, selbst mit bis zu zwei Prothesen bzw. Promille.