Archiv für den Monat: März 2019

Am Speicher

Speicher

Was für eine Unmenge Hühner wir doch fressen müssen, dachte ich kurz, als ich den Speicher mit dem Hühnerfutter passierte, und wie sie von mir ferngehalten wurden, damit ich sie erst nett zurechtgemacht als Filet mit sonstwas auf dem Teller zu Gesicht bekam. Die Welt ist doch perfekt eingerichtet für die, die immer schön auf die Straße gucken und sich weiter nichts denken.

Im parkähnlichen Garten

astwerk
Karl Gong war hier (Beispielfoto)

Karl Gong, in seiner Eigenschaft als Hilfsgärtner bzw. Hilfshilfsgärtner, wurde von seiner Lebensgefährtin, die das absolute Kommando über alle Grünarbeiten innehatte, beauftragt, sofort und „jetzt mal zackig“ den unerwünschten Auswüchsen an den diversen Gehölzen, die das gemeinsame, jedoch zu ungleichen Teilen besessene Grundstück bewuchsen, zu Leibe zu rücken; stöhnend rollte er vom Sofa und wurde barsch in den Schuppen geschoben, wo bereits die Werkzeuge warteten, vor denen er sich noch mehr fürchtete als vor dem TV-Abendprogramm.

Leise jammernd schleppte er nun mehrere Tage lang Leitern, Sägen, Äxte und Scheren über das parkähnliche Anwesen, das die Holde in ihrer der bäuerlichen Abkunft geschuldeten Gier nach Land zu erwerben befohlen hatte, errichtete übermannshohe Haufen aus Reisig und Astwerk, die mehrmals wieder umfielen, ließ sich von den anwesenden Gartenvögeln auf das Unflätigste verhöhnen, die er allerdings, so die Weisung, auf keinen Fall stören durfte in ihren täglichen Geschäften, und orderte schließlich, zerkratzt und von kleineren Leiterstürzen humpelnd, eine Mulde von etlichen Kubikmetern, um alles hineinzuwerfen, was nicht gelang und darum die Bestellung weiterer Mulden nach sich zog.

Die Oberste Gärtnerin stand derweil am offenen Fenster, dirigierte ihn zu übersehenen Zweigen, telefonierte mit ihren Freundinnen und diversen Landschaftsarchitekten und warf dem Gong, wenn sie gute Laune hatte, huldvolle Blicke und das eine oder andere Gummibärchen zu.

Die erwachten Igel lachten.

Stoßseufzer des Feminismus

goldhelm

Wie lang warte ich schon hier?
Mindestens auf einem Stier
oder einem hohen Pferd
soll er reiten. Nicht verkehrt
Wäre auch ein Goldner Hut.
So ein Mann, ja der wär gut.
Jedoch, wie ich immer sag,
nicht einmal am Frauentag
ist ein solcher Mann in Sicht.
Nein. Stattdessen naht ein Wicht,
in der Hand ein schales Bier.
„Jemand Durst?“ „Oh Gott. Doch. Hier.“

National

fahnenmond

Jedes Steinchen eine Flagge.
Jedes Klo ein Hoheitszeichen.
Jedes Beinchen voller Kacke.
Niemand will vor Scham erbleichen.

Meine Farben hinter Gittern
meines Lochs im Menschenzoo.
Seht mich an, ich lass euch zittern,
denn ihr macht das mit mir ouh.

Schwarz und weiß und rot und blau,
gelb und grün: Mehr braucht es nicht,
dass ich dir ein Veilchen hau:
Meine nationale Pflicht.

Gebt uns Pinsel, gebt uns Lappen,
schmiert uns Schminke auf die Backe.
Vorwärts geht es auf dem Rappen.
Auf der Fahne Blut und Kacke.

Konflikt

fahrraeder
Fahrräder (Beispielfoto)

Karl Gong, der exzellente Radfahrer, musste an einer Ampel, die gerade auf grün gesprungen war, einen Rennradfahrer umkurven, der nicht vom Fleck kam, nahm also trotz seines in die Jahre gekommenen viel zu schwer knirschenden Velos Tempo auf, rollte freudig dahin mit wehendem Schopf und permanent die Umgebung nach Gefährdungen absuchenden Augen, als sich endlich von hinten der Mensch auf seinem Rennrad herangekämpft hatte und ihm zuröhrte: „Da hast du aber Glück gehabt, dass meine Schaltung kaputt ist.“

Gong, den tatsächlich das Gefühl beschlich, sich für irgend etwas entschuldigen zu müssen, zum Beispiel, schneller als ein per se schnelleres Rennrad unterwegs zu sein, also quasi mit einem Trabanten einen Porsche überholt zu haben, murmelte etwas in der Art von: „Ich fahre doch nur so vor mich hin“, was natürlich nicht stimmte, denn es war ihm sehr wohl bewusst, dass das kapitalistische System der Wettbewerbsmaximierung auch auf Radwegen nicht außer Kraft gesetzt war.

Trotzdem war er der Meinung, dass sich das Thema damit erledigt hatte, jedoch, mitnichten, als der selbsternannte Konkurrent an der nächsten Ampel schnaufend aufgeholt hatte, begann er den Gong inmitten der beachtlichen Menschenmenge der Zentralhaltestelle aufs übelste und wüsteste und unflätigste zu beschimpfen, wobei die mehrmals vorgebrachte Hauptanklage darin bestand, dass Gong „immer das letzte Wort haben müsse, und er kenne solche *** genau“, und er ließ auch keine Entschuldigung des Gong (für was auch immer) gelten, denn das war ja wieder das letzte Wort dieses ***.

Karl Gong, in seinem permanenten Zustand des Peinlich-Berührt-Seins noch tiefer vergraben, stellte für sich fest, dass der Idiotentest nicht nur bei Autopiloten angewendet werden sollte, bevor sie einen Führerschein erlangten, sondern auch bei Radfahrern, aber er behielt diese Erkenntnis zunächst für sich.

Endlich wurde grün.

Apfelbaum

apfelbaum

Wieder einmal schwiff der Blick.
Diese Weite, dieser Raum.
Hat die Optik einen Knick?
Nein, es ist der Apfelbaum.

Viel zu alt und schief und krumm
stört er frech die Harmonie.
Hauen wir ihn einfach um.
Dann ist Ordnung. Selawie.

Ein kurzer Abriss der Einhegungsanstalten

anstalt
Einhegungsanstalt (Beispielfoto)

Als sich die Menschen dann irgendwann in Städten zusammenfanden, weil sie dort von den wilden Tieren nicht so einfach überwältigt werden konnten, stellten sie fest, dass sie es nicht gut miteinander aushielten, und sie gründeten diverse Anstalten, die sich der Disziplinierung der Bewohner widmeten. Kirchen, Schulen, Irrenhäuser und Gefängnisse befassten sich mit der geistigen und körperlichen Einhegung, mit mehr oder weniger Erfolg. Trotzdem versuchte jede Bevölkerungsgruppe und jede Generation immer wieder aufs neue, auf Kosten der jeweils anderen zu Glück und Wohlstand zu gelangen, und das einzige, was als Trost auf die ganze Misere getröpfelt wurde, war die Verheißung der Liebe, für deren Erlangung wiederum den Unglücklichen, die sie nicht spüren durften, spezielle Anstalten errichtet wurden. Da über allem Ungemach stets auch der Geist der allumfassenden Konkurrenz als letztgültiger Popanz grüßte, traten natürlich die Einhegungsanstalten selbst in einen unermüdlichen, alles vertilgenden Wettstreit, der dafür sorgte, dass immer wieder aufgebaut werden musste, was man in Raserei zerschlagen hatte, wodurch der Sand an den Stränden ausging und ausgerechnet die unerfreulichsten der Menschen, nämlich die Gebäudehöker, unermesslich reich wurden.