Archiv für den Monat: August 2019

Das Geschenk

geschenk

Wir hatten der Hauskrähe immer brav das Futter der mäkelnden Gadsen, die alte Wurst und dazu frisches Wasser zum Titschen auf das Dach des Holzstapels gestellt. Fragte man uns nach Gründen für die Bewirtung, zuckten wir ratlos die Schultern, irgendwie kam uns das Tier verwandt und sympathisch vor, obwohl das Gekrächz am frühen Morgen schlimmer war als fast alles, was im Radio versendet wurde. Mit irgendeiner Form von Dankbarkeit hatten wir nicht gerechnet, abgesehen vom gemeinsamen Wandern über den Rasen, Inspizieren des dahinsiechenden Gemüses und Verzehren der Kirschen direkt vom Baum.

Eines Tages aber legte uns der Hausgast ein Geschenk auf den Tisch, vom Schnabel abgespart, vielleicht für unseren Nestbau gedacht. Wir hielten es in Ehren.

Der Erwerb des Schiefen Schlosses

schloss

Es war eine Marotte von Krüger, über den Erwerb des Schiefen Schlosses nachzudenken. Er war Möbeltischler, allerdings kein besonders guter, deshalb gerieten alle Krügerschen Möbel schief. Sie würden also vortrefflich mit dem Schiefen Schloss harmonieren, er könnte in diesem wohnen oder eine Verkaufsausstellung einrichten, und alles würde zwar irgendwie schief, aber auch gerade wirken. Eine verlockende Perspektive.

Da er aber aufgrund der Möbelschiefigkeit kein besonders erfolgreicher Möbeltischler wurde, standen einem potentiellen Erwerb erhebliche monetäre Hindernisse im Wege. Und würde er sich etwas mehr Mühe geben, um unschiefe, also gerade Möbel zu produzieren, was sollte er dann mit dem Schiefen Schloss?

Ein Teufelskreis, aus dem es einfach kein Entrinnen gab.

Schwarzweiß

schwarzweiss

Wir steigen in den Ring,
wir balgen und kobolzen.
Die Liebe ist ein Ding
von Kuscheln und von Holzen.

Sind wir auch schwarz und weiß,
und grundsätzlich verschieden:
Wir lieben uns gar heiß
und halten trotzdem Frieden.

Komm drehe mich ein Stück
und box mich in die Seiten.
Bei so viel Liebesglück
muss man sich auch mal streiten.

Dann, nach dem Fischverzehr,
lass uns zusammen schlafen
zehn Stunden oder mehr.
Nachts sind sie grau, die Braven,

ist schwarz und weiß vermischt.
Der Mond ist aufgegungen.
Die Igelmutter zischt.
Der Traum ist gut gelungen.

Möbel KONSUM

moebelkonsum

Marcel-Ludwig Hülse-Knapenroth, Inhaber der Kreativagentur und Influencerey HülK(C)reativeSpiriTTeam, brachte seinen Wagen, einen mattschimmernden, tiefergelegten, mit bunten Botschaften verzierten Premium-SUV, schleudernd zum Stehen, riss die Tür auf, fiel bei laufendem Motor in der Straßenmitte auf die Knie, denn die Beine versagten ihm; er beugte seinen sonst sehr geraden Rücken und das arrogante Haupt in plötzlicher, unerwarteter, herzlähmender Demut vor der Aufschrift „Möbel KONSUM“.

Hier lag er nun, niedergeworfen in den Staub, der Kreis seines Berufslebens schloss sich nach so vielen Jahren sinnloser, zermürbender Kreativarbeit, der lähmenden Suche nach dem immer cooleren, immer hotteren, immer geileren Draft und Claim und Plot, der immer bescheuerteren Story und immer beknackteren Message für seine immer großkotzigeren und minderbemittelteren Kunden. Hier war der Ursprung seines Seins. Die reine Quelle. Der Gral.

Möbel KONSUM.

Herr Hülse-Knapenroth wurde nach zwei Stunden von der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr entfernt, um die Durchfahrt des mit bunten Botschaften beklebten Schulbusses zu gewährleisten; es geht ihm den Umständen entsprechend gut, die Unterbringung ist angemessen, die Pfleger sind freundlich. H-Ks Wagen verbrachte der Abschnittsbevollmächtigte ordnungsgemäß zu seiner Dienststelle, wo er ihn bis heute liebevoll pflegt.

Agenten gendern

loch

Die Agentur, prinzipiell dem Weltfrieden verpflichtet, bemühte sich auf allen sekundären Gebieten um größtmögliche Korrektheit, um das Image der fies und hinterhältig spionierenden, bisweilen körperliche Gewalt anwendenden, sich selbst kompromittierende Dokumente vernichtenden und dann von nichts gewusst haben wollenden Anstalt abzuschütteln. So wurde per Rundschreiben festgelegt, dass ab sofort alle Agenten zu gendern seien, auch wenn Agentinnen spärlich bzw. im konkreten Fall gar nicht existent waren.

Dem Anstaltsleiter war das Innen-Gendern zwar ein Herzensbedürfnis, aber auch zu doof, als er vor der versammelten Truppe finster dreinblickender Herren mit Narben und fehlenden Gliedmaßen bzw. Skrupeln stand, um die Wochenlage zu erörtern, nicht eine schmucke Pistolenbraut wärmte seine zusammengekniffenen Augen (Berufskrankheit), und also hob er zur Begrüßung an mit „Liebe Agierende!“

Tosender Beifall.

Fabel

knick

„Ich kann nicht die ganze Welt retten“, sagte der Saurier, während er alles um sich herum niedertrampelte, mit seinem langen Hals in den fremden Wäldern jegliches Grünzeug von den Zweigen fraß und nur sein eigenes kleines Arboretum zu verschonen trachtete, das er dann allerdings doch aus fahrlässigem Versehen mit seinem dicken Hintern dem staubig brauenen Erdboden gleichmachte.

Auf dem Weg in Engels‘ Ausbeutervilla

karete

Ich musste dem Mechatroniker vertrauen, dass er mir „die geilste Fahrmaschine ever“ auf den Hof gestellt hatte, denn ich kannte mich mit dialektisch-historischem Materialismus besser aus als mit Sperrdifferentialen und 29-Zoll-Reifen. Immerhin handelte es sich um ein Cabriolet, für das ich mir allerdings beim Schneider ein Maßverdeck würde anfertigen lassen müssen, aber „es regnet hierzulande sowieso nie mehr“.

Ich gab ihm zehn Prozent Trinkgeld, hielt die Hand auf, „was für einen Schlüssel? einen Schlüssel braucht das Ding nicht“, setzte mich auf den Sportsitz, neben dem in einem ledernen Getränkehalter eine Dose gekühltes Kraftbier wartete — das immerhin! — ich fasste endlich wieder Vertrauen ins Handwerk!

Ich rollte los, die Beschleunigung zog mir die Haut über den Wangen straff, und ich fühlte mich wie der Underdog Marx auf dem Weg in Engels‘ Ausbeutervilla.

Die Romatik der Hausgemeinschaft

federn

Die Krausen war ungeheuer aufgebracht, weil die Schmidten, trotz dass sie mit der Großen Hausordnung dran war, wieder nicht das Iksel zwischen Hauswand und Gehsteig von Peeden, Schmutz und leeren Kaffeebechern gereinigt hatte. Vom Schnittgerinne ganz zu schweigen. Selbst der nichtsnutzige Ex-Vorsitzende der Hausgemeinschaft, dieser Wendehals, der sonst den halben Tag im weißen Feinripp auf dem Sofa lag, das wusste sie von diversen Besuchen, puhlte ab und zu die schwarzen Krümel, die Spinnen und Asseln hinter den Briefkästen hervor.

Ein wirklich feiner Mann im Haus war eigentlich nur der Herr Spärling im Hochparterre, der grüßte immer und schien auch etwas besser gestellt zu sein, mit den hohen Wänden, trotz seiner Körpergröße, und dem schönen Stuck, wo sich allerdings auch besonders gern der Dreck fängt.

So dachte die Krausen nebenbei, während sie die Schmidten über den Hof zur Abstellkammer jagte, wo Fugenkratzer, Besen, Hacke und Schaufel einträchtig auf sie warteten.

Die Drohung mit den Damenschrauben

dreckwasser
Undurchsichtige Drohung (Beispielfoto)

„Es wird Zeit, dass wir die Damenschrauben anziehen, mein Lieber“, hatte die Holde zum erschauernden Gong, Karl, gesagt, dem jegliche Vorstellung fehlte, was das bedeuten könnte, der aber sehr wohl verstand, dass es sich um eine schwerwiegende Drohung handeln musste, denn die Holde sah ihn aus pausenlos feuernden Augen an, mit zusammengekniffenen Lippen und zart vom leichten Abendwind bewegtem Pony.

„Jawohl!“ sagte Karl Gong, und „Aye Aye, Mylady“, und das rettete ihm den Kopf, denn er sprach das „y“ in „My“ korrekt als „i“, nicht als „ei“ aus, so, wie er es von seiner alten Englischlehrerin gelernt hatte; und wenn seine Holde je eine gesteigerte Begeisterung für irgendetwas entwickeln konnte, dann für eine gepflegte Aussprache.