Archiv für den Monat: Oktober 2019

Am Bärengraben

baerchen

Karl Gong, dem die Dummheit und das Geschrei einiger seiner Mitbürger zunehmend die Tage schwärzten, verlegte sich darauf, statt des Wirtshauses häufiger den über kleine Umwege erreichbaren Bärengraben aufzusuchen, um Ruhe und Entspannung zu finden, denn die Bären, so schien ihm, wussten zu leben, zwar auf relativ beengtem Raum, unter Aufsicht und mit streng zugeteilter Nahrung, aber sie gingen sich aus dem Weg, wenn es nicht gerade etwas dringendes auszumachen gab, lagen friedvoll auf dem Bauch und blinzelten den Bienen nach, von deren Honig sie nichts wussten, und die es hier, in der mittelgroßen Stadt zwischen den herbstlich kahlen Feldern, gar nicht geben dürfte, und erst das Telefon, das die Holde ihm verboten hatte stummzustellen, holte ihn knarrend und trompetend in den misslichen Alltag zurück, der sich sogleich wie ein Popanz über ihm blähte und ihn, Gong, den bemitleidenswerten, anschnarrte, was aus dem Konsum zu besorgen sei: Brot, Käse, Wurst, Butter, Radler (wieso Radler?), Öl zum Braten, Hackfleisch, Küchenpapier, Zahnpasta; und mitten in dieser Aufzählung des Schreckens brachen die Langeweile und die Trostlosigkeit seines Lebens endgültig in Karl Gongs Gedärme hinein, füllten sie aus wie Teer die Lunge des Rauchers, und endlich, die Liste war zu Ende und bereits zur Hälfte wieder von ihm vergessen, kam er japsend zum Luftholen, wie ein herumgewirbelter Ertrinkender, der zufällig wieder über die Wasseroberfläche geraten war.

„Und Honig?“ fragte Karl Gong tonlos. „Was ist mit Honig?“

„Was willst du denn mit Honig?“ versetzte die Holde. „Honig ist noch.“

These boots were made for jumping

rocknroll

Grad hab ich noch gerochen
das feine Fett auf Leder.
Da wende ich die Treter:
Die Sohle ist gebrochen.

Ich biege mich vor Schmerzen,
Flor schiebt sich vor die Sonne.
Werf in die Restmülltonne
die Schuhe meiner Herzen.

Sie sind nicht mehr zu retten.
Ade, ade, wir scheiden.
Nun muss ich barfuß reiten
und meine Füße fetten.

Seine Hoheit Spricht

hoheit

Es war einmal ein Land,
von dem war ich der Kaiser.
Da kam das Volk gerannt
und meinte, es sei weiser.

Ich hab zwar meinen Stolz
und liebe das Regieren.
Doch hack ich lieber Holz
und widme mich den Bieren,

die abends vor mir stehn,
als jemanden zu knechten.
Die Macht soll von mir gehn
und krönen die Gerechten.

Doch weil ein jeder fehlt,
mal wenig und mal schlimmer,
sei ständig neu gewählt,
sei keine Macht für immer.

Und reißt wer auf das Maul,
er wär der neue Führer,
dann sind wir gar nicht faul
und schneiden ihm den Rührer

ab.

Energiewende in den Kiefernbeeten

windmuehle
Windrad-Errichtung in den Kiefernbeeten (Vorschaubild)

Der Fön hatte wieder einmal die Hauselektrik lahmgelegt. Mit bösem Schnaufen baute sich die Holde zwischen Karl Gong und dem erkaltenden Fernseher (Röhre) auf.

„Wir wollen in einer Stunde zur Oper hin“, erläuterte sie das Problem gewohnt sachlich. „Unternimm was.“

Seufzend griff Karl Gong nach dem Mobiltelefon. Das funktionierte ja noch. Er rief Klempner Patzschke in der Rhön an und bestellte ein Windrad.

„Ja, Herr Patzschke, hinten in den Kiefernbeeten. Sie wissen ja. Da ist rechts der Schuttberg. Aber das Windrad ist doch so hoch, dass die Thermik nicht gestört wird. Oder? Klar.“

Gong legte zufrieden auf: „Gleich morgen bekommen wir ein Windrad für den Fön, Liebste.“

„Morgen ist die Oper vorbei“, schmollte die Holde. „Tu was.“

Knarrend erhob sich Karl Gong vom Sofa. Er plazierte sich vor dem Sicherungskasten und drückte die Fönsicherung nach oben. Immer wieder, bis die Haare der Holden getrocknet waren.

Ab morgen würde die Welt wieder komfortabler sein.