Archiv für den Monat: Dezember 2019

Hin und weg

moonrocket

Wo es knallt, da lasse dich
auch mal richtig gehen.
Schieß Raketen wie ein Strich.
Sollen alle sehen,

was du für ein Racker bist.
Jedenfalls kein Zwerg.
Gute Reise, Kosmonist,
beim Selfie-Feuerwerk.

Zwischen den Flaschen

katjuscha

Zwischen den Flaschen Jahren gerät das allgemein menschliche Spannungsfeld von Werden und Vergehen, Schaffen und Entsorgen, Ankunft und Abschied ins Blickfeld des verdient urlaubenden Angestellten. Wenn dann noch die beliebten Kriegsfilme ins Haus geliefert werden und die ersten Katjuscha-Batterien abgefeuert worden sind, spricht nichts dagegen, sich inspiriert in den Keller zurückzuziehen und die eine oder andere philosophische Erkenntnis Revue passieren zu lassen.

Aufregend aufragend

nachthaus
Das neue Hochhaus in der Kreisstadt

Karl Gong, der sich nach Monaten der Fron auf dem Grundstück der Unangetrauten einige Stunden Erholung ausgebeten und schnaubend erhalten hatte („Wieso Erholung, es war doch eben Weihnachten?“), begab sich in die nahe gelegene Kreisstadt, um endlich einmal etwas anderes zu riechen als Wildschweinatem, Pferdedung und Saporoshez-Abgase, frei schritt er die Gassen entlang, blickte staunend in die Höhe, sah all die Lampen funkeln und blitzen, staunte zu den erleuchteten Fenstern der Bürger hinauf, die in geheizten Wohnungen ihre behaglichen Abende verbrachten, und als er gar auf einen ausladenden Platz einbog, erblickte er hinter den bereits unerklärlich aufragenden Wohngebäuden das neue Hochhaus der Kreisstadt, das eigens für den Bürgermeister errichtet worden war, damit er einen besseren Überblick über die renitente Bevölkerung erlangen konnte, und Karl Gong, dem von all der Moderne schon die Herzklappen schlackerten, holte sich an einer Imbissbude einen Tee ohne Zucker (für mehr reichte das Taschengeld nicht), wärmte sich so lange wie möglich die Hände daran und trank in winzig kleinen Schlucken, bevor er wieder auf seinen unangetriebenen Tretroller stieg, denn das Klapprad hatte er Am Kombinat über den Graben geworfen und in all dem kaputten Unrat nicht wiedergefunden, weil es selbst schon sehr kaputt gewesen war.

Von der Kreisstadt nach Hause ging es bergab, die stolzen Orte im Lande waren auf Hügeln erbaut, während sich die bemitleidenswerten in die Täler duckten, Karl Gong ließ den Roller laufen, achtete auf seine Haltung, schob sich immer wieder elegant und kraftvoll ab, nahm die Kurve bei der alten Schulzen mit Schmackes, verfehlte die Brücke über den Kratzbach, weil er von einem Schlagloch ausgehoben wurde, und flog über den Zaun von Schuldirektor Schnöttke, der ihn mit einem Grog auf das Sofa bettete und zwei Tage lang über die Straßenverkehrsordnung belehrte.

Wie ein Deckchen

muster
Deckchen (Beispielfoto)

Oma Steckwurst verfügte über ein Gedächtnis wie eine Elefantin. Deshalb wunderte sie sich nicht, als der Blasegaster Ordnungsvollzieher Walzer-Karle-Major Einlass begehrte, um sie über einen lange zurückliegenden Fall auszufragen, den er gern ihrem Mieter Schrudel unterschieben wollte. Die Sache war fast verjährt, man hatte aber zur Weihnachtsfeier auf der Wache mit den alten Akten lustige Spiele veranstaltet und Wetten abgeschlossen, ob sich nicht doch noch irgend jemand schnappen ließe. Schließlich gibt es das auch im Fernsehen.

Walzer-Karle hatte der Ehrgeiz gepackt, immerhin nannte er sich unberechtigterweise Major, seine Karriere war ins Stocken geraten, und so zog er erst einmal ordentlich Luft durch die Nase, als die Steckwursten ihm frischen Kaffee und Stollen hinstellte.

„Sie wollen mich jetzt aber nicht bestechen, Gnädigste?“ näselte er, bereits mit dicken Backen kauend und malmend.

„I wo, Karle, weißt du doch, und weil wir gerade dabei sind: Der Schrudel ist wie ein Deckchen, immer gewesen, der ist ein Lieber, der macht sogar die Hausordnung! Und wenn er die Asche rausbringt, legt er ein Brett auf den Kasten, dass der Mist ni wegfliegt! Wie ein Deckchen ist der Schrudel!“ wiederholte sie mit Nachdruck, klopfte mit harten Knöcheln auf den furnierten Kaffeetisch, dass die Löffelchen tanzten und Walzer-Karle ein paar Krümel in die Luftröhre gerieten.

Als er, der sich in Hustenkrämpfen auf dem Teppich gewälzt hatte, endlich wieder das Sofa erklimmen konnte, um mit Kaffee nachzuspülen, erzählte ihm seine Gastgeberin ganz nebenbei von den bisher ungelösten Kriminalfällen im Blasegast der letzten zwei Jahrzehnte, nannte ihm Namen und Adressen der Täter und ließ sich blumig über die Motive, Herangehensweisen und Komplizen aus sowie über Typen, Alter und Kennzeichen der jeweiligen Fluchtfahrzeuge, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass darunter kein Krause Duo war und somit Schrudel als Verbrecher in keinem der Fälle in Frage kommen konnte. Da sie jeden Blasegaster und jede Blasegasterin von Kindesbeinen an kannte, waren ihre Angaben über alle Zweifel erhaben und Widerspruch zwecklos.

Walzer-Karle, der seinen Notizblock vergessen hatte und vom Vorabend her sowieso noch unter entsetzlichen Kopfschmerzen litt, konnte sich kaum eines der Details merken und verabschiedete sich von der Vorstellung, mit Schrudel als überführtem Verbrecher unter dem Arm in die Wache zurückzukehren und Ehre sowie Beförderung zu empfangen. So trollte er sich nach der vierten Tasse Kaffee unter einer Reihe von Bücklingen vor der Gnädigsten, torkelte im Koffeinrausch die brüchige Treppe nach unten und rollte unter Vollzug nervöser Schlenker, Beschleunigungs- und Bremsmanöver mit dem Streifenwagen zur Wache zurück, um „den ganzen alten Mist“ zu shreddern.

Oma Steckwurst in ihrer Eigenschaft als Vermieterin des Schrudel indes verfasste am selben Abend eine sehr individuelle Mieterhöhung für denselben, sofort zahlbar, „wenn Sie endlich das hässliche Diamant-Collier, das Sie der Schmitten, dieser alten Elster, vor neunzehn Jahren entwendeten, beim Höker zu Geld gemacht haben, MfG usw.“

Das Moped

ural

Der kleine Herr Schönleben hatte sich zu Weihnachten ein ebenfalls kleines, leise summendes, elektrisch betriebenes Moped gewünscht, um dem Klima seine Referenz zu erweisen und Passanten auf dem Bürgersteig fast lautlos dahingleitend gehörig zu erschrecken.

Leider war der mit der Schenkung Beauftragte jahreszeitlich bedingt arg zerstreut und stellte ein dem Gewünschten nur entfernt ähnliches Modell auf den Hof.

Der kleine Herr Schönleben machte das Beste aus der Situation und beschloss, zwischen den Jahren im geräumigen Seitenwagen zu wohnen, bevor er das Produkt im Originalkarton an den VE Kraftfahrzeughandel zurücksenden würde.

Ach, das Licht

schlosskirche

Ja, es ist erschienen.
Aber wem?
Etwa dem
hinter den Maschinen

irgendwo am Rand der Welt?
Dem auf hartem Feld?
Oder wieder nur dem Geld,
wie man’s immer hält?

Mag schon sein
Herz ist rein
auch der vielfach Reichen.

Hab ja auch
vollen Bauch
unter meinesgleichen.

Aus der Wirtschaft

rohre

Während dem stationären Einzelhandel die satte jahresendliche Zufriedenheit langsam abhanden zu kommen droht, legen die Rohrpostleitungsverleger nach dem einen und anderen Großauftrag aus den Kreisen des elektrischen Bestellwesens einen vorsichtigen Optimismus an den Tag.

Im Banne der Allopathie

oval

Karl Gong, dem seit Tagen etwas weh war, denn die Holde hatte ihm ihren Wunschzettel auf das Klappbett im Schuppen gelegt, wo er seit Wochen nächtigen musste, weil die Arbeiten am Grundstück nur schleppend vorangingen, jede Minute zählte, um den Rückstand aufzuholen, und ein Schlendern des Gong zum Abendbrot oder auch nur unter die Dusche hatte tunlichst zu unterbleiben, sollten die ehrgeizigen Meilensteine erreicht werden, auch wenn er hungrig war wie ein Mistkäfer im Sterilraum und dreckig wie irgendwas, Gong hatte zu funktionieren, was allerdings nicht funktionierte, also schlich er zur Drogen-Handlung, um Allopathische und Homöopathische Arzneimittel ohne Wissen der Unangetrauten durch das Oval der abendlich geschlossenen Tür entgegenzunehmen, zahlte eine Unsumme, schlich noch geschlagener als auf dem Herweg zurück in den Schlamm seines Anwesens, fraß schon unterwegs eine größere Menge seiner Beute auf, denn es handelte sich ja um geringdosierte Wirkmittel, die nur durch den Willen des Patienten zu voller Blüte gelangen, spürte plötzlich eine unbändige Kraft, Zuversicht, Willensstärke und Aufsässigkeit in sich aufsteigen, dachte aus ihm nicht erklärlichen Gründen immer wieder an das Oval, aus dem ihm die paradiesischen Pillen und Säfte zugesteckt worden waren, ein Licht durchfuhr sein Hirn, ein helles flutendes Licht über grüner Flur, wie er das entbehrt hatte auf der ruinierten Rasenfläsche voller Schrunden, Abgründe und Torf, er heizte den Raduga-Fernseher vor, richtete die Antenne aus und sah sich im Schuppen, eine Pille nach der anderen mit den geheimen Drogensäften herunterspülend, die Oberliga-Konferenzschaltung an.

Karl Gong im Gebirg

gefahr

Karl Gong, der sich vor Wochen im örtlichen Getränkehandel den Hochstapler „auszuleihen“ erlaubte, bereute beim stolzen Betrachten des neu geschaffenen Steingartens nur ganz klein wenig das Hausverbot, das ihm daraufhin der böse Bierhöker ausgesprochen hatte, zumal die Holde ihn endlich einmal verhalten lobte, ihm einen kurzen Blick aus ihren glutvollen Augen schenkte und einen Besuch auf der Notliege im Stall in Aussicht stellte, wo er seit geraumer Zeit nach seinem Tagwerk zu nächtigen hatte, was ja auch ganz romantisch sein kann.

Manche

saeule

Mancher kratzt sich seine Rille,
lügt nach seinem Zweck.
Mancher sitzt auf seiner Brille,
scheißt nach hinten weg.

Mancher fühlt sich haltlos taumeln,
lädt das Magazin.
Lässt die Schleuder drohend baumeln
zwischen seinen Knien.

Manche aber kann noch lachen
gut und fürchterlich.
Will sich keine Sorgen machen:
Zu der stell ich mich.

Jedes Wetter lacht der Weisen,
Regen, Sonne, Schnee.
Legt sich erst nach Weltenreisen
auf das Kanapee.

Wenn auch um mich alle fluchen,
will ich sein wie sie.
Werd es jedenfalls versuchen.
Besser gleich als nie.

Die offene Bananenflanke

banane

Der Problembär hatte im Provinzrevolver gelesen, dass es demnächst keine Bananen mehr geben würde. Nicht wegen der Einführung des Sozialismus, nein, ein Pilz würde unweigerlich sämtliche Bananenpflanzen der Welt in Kürze hinwegraffen. Die einzige Chance, jemals wieder eine Banane essen zu können, wäre der Besuch von Bewohnern ferner Galaxien, auf denen der Pilz noch nicht wütet, und die in ihren klimatisierten Raumschiffen Bananen zur Stärkung mitführen, die sie noch nicht aufgegessen oder vergammeln lassen haben.

Entsetzt rannte der Problembär zum nächsten Gemüseladen, kaufte, obwohl er sich sein Lebtag überhaupt gar nichts aus Bananen gemacht hatte, ein leuchtend gelbes Exemplar, unterdrückte eine Träne und fragte sich, wie er fürderhin ohne Bananen existieren solle.

Zu Hause angekommen fertigte er unter Zuhilfenahme einer größeren Menge Eierlikörs sowie anderer Getränkeneigen und eines Mixers einen Cocktail an, dessen Verdauung ihn mehrere Tage lang beschäftigte.