Archiv für den Monat: Januar 2020

Es lebe der Sommer

januar

Beendet wird der Januar
in etwa zwanzig Stunden
in meiner schönen Kellerbar
nach mindest sieben Runden.

Drum geht es schon um viere los,
dann muss ich nicht so stürzen
und kann die Zeit auf deinem Schoß
mit schlimmen Witzen würzen.

Wir heben Gläser in die Höh
und freun uns auf den Sommer.
Was? Erst noch Februar? Orr nö!
Das macht mir wirklich Kommer!

Na gut. Dann ist es eben so.
Ich will nicht zu sehr klagen.
Wir sehen uns wie heute: froh
in neunundzwanzig Tagen.

Der unbasische Kaffee

schoenleben-kaffee

 

Der kleine Herr Schönleben, vertretungsweise für die Zubereitung des Morgenkaffees eingeteilt, erstarrte mitten in der Dosierung des Pulvers, weil ihm bewusst wurde, dass es sich bei Kaffee um ein säurebildendes Genussmittel handelte, von dessen Verzehr ihm durch diverse Ratgeber dringend abgeraten worden war. Irgendwann aber löste sich die Verkrampfung, er schaufelte Unmengen von Tomaten, Weintrauben, Rettichen und sonstigen Basenbildnern aufs Tablett, legte, des perfekten Gleichgewichts wegen, noch einen gezuckerten (und deshalb schlimm sauren) Pfannkuchen obenauf, brachte alles in sein Bett zum Verfrühstücken und harrte der Antwort seiner Gedärme auf dem Abort.

Mobilisierung aller Reserven

waggon
Eröffnung der Fernbahnstrecke Zürich-Petrograd um 19:17 mit historischem Material

Als der Herr Automobilminister plötzlich sein Herz für die Eisenbahn entdeckte, wurde ihm von seinen Ministerialbeamten zugetragen, dass die Situation des Schienenwesens nicht nur im Allgemeinen von Verschleiß, Not, Unterlassung und Havarie geprägt sei, nein, insbesondere das rollende Material war entweder gar nicht vorhanden oder befand sich in einem erbärmlichen Zustand und somit gar nicht in der Lage, des Ministers Forderungen nach unverzüglicher Vollversorgung des Volkes mit komfortablem Bahnverkehr auch nur annähernd Folge zu leisten.

Nachdem der Minister seinen unvermeidlichen Schreianfall beendet und die üblichen Betteleien der Untergebenen nach mehr Budget, Personal und Druckerpapier harsch zurückgewiesen hatte, befahl er, in allen Depots, Museen und auf vergessenen Abstellgleisen nach Wagen und Zugmaschinen zu fahnden, diese von Staub, Rattennestern und pubertären Schmierereien zu befreien, Koks und Wasserkrane für die Dampfmaschinen anzuschaffen (Wasserdampf ist klimaneutral) sowie mehrere Millionen Fahrkarten drucken zu lassen, um sie auf seinen Reisen an das erwartungsfrohe Volk verschenken zu können.

Alsdann verschwand er in seinem Büro und spielte mit seiner Modellautosammlung im Maßstab 1:43, für die er extra eine Gleichstromladesäule auf dem Schreibtisch hatte installieren lassen (wegen Umweltschutz).

Freie Stadt mit Herz und Nerz

freie-stadt

Die freie Stadt zu Füßen,
so laut und hell und pur.
Ich hebe, dich zu grüßen
die Stimme hoch nach Dur.

Ich hebe an zu preisen,
dann werfe ich ein Herz.
Es landet zwischen Gleisen
vor einer Frau im Nerz.

Die Straßenbahne bimmelt,
die Dame hüpft, oh Schreck,
dem, der sie angehimmelt,
an das Geheimratseck.

„Nu gugge, endlich hupptse
mir an den Sonntagsstaat“,
denkt sich der Kerl und wupptse
auf sein Elektrorad.

So tu ich stes das Gute,
für andre, nie für mich.
Nu zieh mal keine Schnute.
Gleich tu ich was für dich.

Die Schatzkammer des Todes

schatzkammer

Als schon wieder ein paar diamantbesetzte Serviettenringe aus den Schubladen der Küchenschränke verschwunden waren, zürnte der König mit der Dienerschaft, schwor islamische Rechtsprechung im Falle der Täterergreifung (alles abhacken) und ließ die Zugänge zur Schlossküche mit Sperrholz abdichten. Er erklärte die Küche selbst zur Schatzkammer, schloss von innen ab, legte sich auf die Lauer, schlief ein, wachte vom knurrenden Magen auf und rief nach den Köchen, die sich allerdings längst lachend über die Mätressen im Turm hergemacht hatten.

Weil der König aber ein ungeschickter Tropf war, der weder mit Streichhölzern ein Kerzchen anzünden noch auf dem Herd ein Süppchen kochen konnte, vom Schneiden des Brotes aus der Hand vor der Brust ganz zu schweige, brannte er aus Versehen die Wischtücher ab, ließ die vorbereitete Suppe im Dunkeln zu einem schwarzen Brei verkochen und schnitt statt einer Bemme drei Finger seiner Hand ab, obwohl er gar nichts gestohlen hatte (außer seit Jahrzehnten Zeit, Nerven und Vermögen all seiner Untanen, aber das zählt ja nicht).

Ob der König verblutete, verhungerte oder erstickte, ist nicht überliefert, jedoch rührt sein tragischer Tod immer noch die alten Weiber des Landes zu Tränen, und eine Menge schöner Lieder wurden zu Ehren August des Ungeschickten verfasst, gesungen und vergessen.

Die Sperrholzsicherung der Schlossküche wurde aus Denkmalschutzgründen nicht angerührt, nur ein paar Unbelehrbare schmierten im Laufe der Jahre ihre Sozialversicherungsnummer auf das ehrwürdige Türblatt.

Den Überdruss zu befeuern

silhouette

Um den Überdruss des unschuldigen Betrachters an den überaus nervigen grafischen Stadtsilhouetten zu befeuern, wird heute auch in diesem Block eine prima Stadtsilhouette dargeboten, so wie an jedem Klempnerauto, Fahrplanaufsteller, Stadtmarketingposter, Friseurfahrradständer, Klobürstenhalter, Hilfsschulfenster, Hostessenanstecker, Taxifahrerschnauzbart, Chinaimbissholzgäbelchen und Arschgeweih. (Bitte nach Belieben fortsetzen. Gilt für alle bedeutenden Metropolen.)

Endlich!

wasserkraft

In Anbetracht der desaströsen Brände in Australien unternimmt auch die hiesige Regierung übermenschliche Anstrengungen, um den Ausbau regenerativer Energien massiv zu beschleunigen.

„Der Planet ist uns Verpflichtung, und Australien ist zum Glück ziemlich weit weg“, ließen sich die Minister in seltener Einmütigkeit zitieren.

Aus der verborgenen Welt der Hehlerei

figur
Die Objekte wechseln den Wirt (Beispielfoto)

Oma Steckwurst hatte bezüglich der vormaligen kriminellen Aktivitäten ihres Mieters Herrn Schrudel den richtigen Riecher gehabt. Neuerdings gab er sich ja bürgerlich, handzahm, geradezu spießig. Er machte die Treppe, sogar die vom Keller, zog ab und zu ein Kräutlein zwischen den Hoffliesen heraus, warf die Werbeprospekte aus dem Briefkasten nicht auf die Straße, sondern in die Papiertonne. Vorbei die Zeiten, in denen er den Krause Duo auf zwei Rädern in seinen Stellplatz schleuderte. Neuerdings lungerte er sogar mit der Heckenschere am Zaun herum, um die verrotteten Buchsbäume zu kupieren. So musste sie ihn, um das gefährliche Treiben mit dem scharfen Werkzeug zu beenden, oft zu mehreren Runden Eierlikör einladen, was er gern annahm,  besonders, wenn eine Teilnahme der Person Quarterbeck, Gisella (27) zu erwarten war.

Die Steckwursten wusste, dass diese Schrudelsche Zivilität nur daraus rührte, dass sie ihn erstens nicht verpfiff und zweitens seine Miete nun doch nicht an das ortsübliche Spekulationsniveau anpasste, wie sie nach dem Besuch des Kriminalers angedroht hatte.  Der Preis, den Schrudel dafür, neben Disziplin, Betragen, Fleiß und Mitarbeit zahlte, war, zumindest aus seiner Sicht, nicht gering: Jede Woche stand er mit einem Objekt aus seinen früheren Raubzügen vor der Tür der Vermieterin, schief lächelnd und sich Frechheiten über die Qualität der Stücke anhörend. „Monströser Kitsch“ war noch das harmloseste, das sie ihm, die Kostbarkeit achtlos von Hand zu Hand fummelnd, entgegenblubberte.

Schrudel bewahrte die Contenance, illerte um die Ecke, ob vielleicht Gisella auf dem Sofa lagerte, gab der Steckwursten einen Tip, zu welchem Betrag sie das gute Stück im Internet oder beim Vorstadtbingo würde losschlagen können und überlegte, wie er die nur noch für wenige Wochen reichenden Vorräte demnächst würde auffüllen können.

Großkotziges Metropolgedicht

ubahn

Mit der U-Bahn fahren wir
jeden Tag von dort nach hier.
Manchmal fahrn wir auch zurück.
Meine Herren, was ein Glück,
dass wir eine U-Bahn haben,
an der wir uns täglich laben.
„U-Bahn“, sag ich unverhohlen,
„gibt es nur in Metropolen,
gibt es nicht im Hinterwald,
weder heute, morgen, bald,
noch in fünfundzwanzig Jahren.
Kann man nur bei uns hier fahren.“
Lustig roll ich auf der Treppe.
Hinterwäldler ziehen Fleppe.