Archiv für den Monat: August 2021

Kleine Bildbeschreibung

Das Saratower-System (mit Bindestrich) quillt in dicken schwarzen Rußwolken aus den Schloten, sonst wäre es nicht sichtbar. Die Fabrik erscheint aufgeräumt, es liegen weder Schrott noch Zulieferteile auf dem Hof, was ungewöhnlich ist. Vielleicht arbeitet ja auch niemand, stehen doch die Werktätigen alle unproduktiv im Kreis herum und halten Maulaffen feil.

Sie scheinen erzürnt zu sein, manche ratlos, man ballt die Fäuste. Was ist der Grund? Ein bemitleidenswerter Kobold, dem jemand „Dauerfehler“ auf den Bauch gemalt hat. Aber was ist ein Dauerfehler? Dauert es lange, ihn zu machen? Macht man ihn permanent? Oder ist es wie beim Dauerkeks, dass er sich einfach nur lange hält, man ihn in der Schublade vergisst, bis er in einer Schichtpause zum Vorschein kommt und mit Genuss verzehrt wird?

Vielleicht ist er aber auch, was das Bild durchaus nahelegt, aus dem mysteriösen Buch „Saratow“ geschlüpft und einfach Teil des Saratower-Systems, ein Systemfehler also?

Mir jedenfalls tut der niedliche Dauerfehler leid, und ich wünsche ihm alles Gute. Vielleicht gelingt es ihm ja, als Dauerläufer (Wortspiel!), den bösen Werktätigen zu entkommen und sich im Ruß zu verbergen. Insofern hat mich das Bild zum Nachdenken angeregt. Das ist schön.

Das diverse Sonett

Die harten, hellen Tage.
Die dunkelkalten Nächte.
Eindeutig ist das Schlechte,
und zweifellos die Plage.

Schön ist das Ungefähre,
die Zwischenwelt, ein Schimmer,
ein unbestimmter Glimmer.
Perfekt ist die Chimäre.

Denn sinkt die Sonne nieder,
den Wolken ins Gefieder,
der See ins bunte Bad,

dann stehen alle staunend
und malträtieren raunend
den Lichtbildapparat.

Albernes ÖPNV-Sonett (schlampig)

Das Bild wurde hingeschmiert von Gofthe

Sieh einmal das Viadukt,
steht herum ganz unbefugt.
Auf ihm fährt ein Zug dahin
(und zurück), ganz ohne Sinn.

Im Abteil sitzt Meister X.
Frisst sehr viel und redet nix.
Schaut vom Fenster in die Au.
Meister X ist eine Sau.

Meister X ist negativ,
weil er mit den Huren schlief,
stahl, betrog, verpetzte.

Doch viel schlimmer ist die Tat,
dass er heut kein Ticket hat.
Das ist echt das Letzte.

Neu bei Nitzsche

Dem hochverehrten Publikumsverkehr zur Kenntnis dass neuerdings in Meinem A. Nitzsche Getränkemarkt in Machern (man muss nur machern) eine Plastik von [Künstler durch Marketing hier ausfüllen] zu besichtigen ist Öffnungszeiten beachten. Sie zeigt auf Wunsch des Hofarbeiters (Problembär) die Revolutionäre Zelle, welcher er angehört, um schließlich die Ausbeuter (Mich) zu enteignen, irgendwann. Sofern Sie sich wundern Toleranz ist das Gebot der Stunde auch Mir gegeben außerdem Tiere und Kinder verkaufen am besten zum Beispiel Moldawien Rotwein extrasüß Bärenblut 8,99 € zzgl. Pfand (wird nicht erstattet). Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Rückblick

Während bis vor kurzem ein Übermaß an Wasser die Gazetten und Fernseh-Kanäle flutete, ist mittlerweile ein Ausbleiben desselben zu verzeichnen. Die Aufmerksamkeit ist eben ein scheuer Regen, und wenn man einmal Prinz Karneval in der Flutrinne gesehen hat, ist man eigentlich geduscht genug.

Gelungener Abend

Ganz golden fließt der Wein
in seinen Trinker ein.
Zäh wandelt sich der Saft
in schiere Geisteskraft.

Man sinnt. Es hört nicht auf.
Bis eine Stimme spricht:
„Genug, mein Sohn. Nun sauf!“
Man tät es lieber nicht.

Allein, es ist das Hirn!
Das Hirn hat den Befehl.
Wer bietet ihm die Stirn?
Die Leber? Tut nur scheel.

Der Magen und der Darm?
Die pumpen still und blind.
Die Milz verhält sich warm.
Das Rektum bläst geschwind.

Doch eine legt die Hand
auf das geleerte Glas:
Die Frau kam angerannt!
Sie will wohl heut noch was?

Neu bei Nitzsche

Zur Erwiderung auf allfällige Beschwerden der Kundschaft, den Umgang Meiner Mitarbeitenden ihr gegenüber betreffend, wird folgendes festgestellt. Jegliche Züchtigungen, die der Hofarbeiter Meiner Kundschaft angedeihen lässt, sind gerechtfertigt. Wer rote Linien überschreitet, muss sich nicht wundern, drei Punkte bzw. Punkt. Geschlagen wird nur mit zertifizierten Holzwaren (nicht aus den Tropen). Alle Instrumente werden nach Gebrauch ausgekocht (Desinfektion). Wer sich nichts vorzuwerfen hat, hat nichts zu befürchten. Alle Premiumbiere am Freitag 10% (plus). Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Das schlampige Sonett von der Landzunge

Wollen unter dunklen Wolken
stets zusammenstehen
und nicht auf dem Teller polken
nach den sauren Schlehen.

Nehmen uns von allen Früchten
nur, was wir begehren.
Dass die falschen Freunde flüchten,
kann uns nicht beschweren.

Steigen auf das weiße Boot,
fürchten nicht den nassen Tod,
blasen Wind ins Leinen,

jagen über Gischt und Tang,
lachend und kein bisschen bang,
wenn wir uns vereinen.

Der Einkauf

Der kleine Herr Schönleben schleppte sich zum Getränkehändler. Sein Laptop hatte ihn in einer Werbeunterbrechung des Heimarbeitstages mit sogenannten Energy Drinks bekannt gemacht. So etwas wollte er auch, brauchte er unzweifelhaft. Gähnend riss er das Maul auf. 

„Mach mal deinen Schnabel zu, Genosse, oder willst du mir ein Stück Fell rausreißen?“ rief der auf dem Stapler vorbeibrausende Hofarbeiter.

„In keinester Weise, Verehrtester!“ versicherte Schönleben und machte einen Bückling. „Ich will einen Energy Drink.“

Der Hofarbeiter fuhr eine scharfe Kehre, schrie dabei „Gong, Gong, Gong!“, denn er hatte weder Hupe noch Klingel an seinem maroden Gefährt, dann brüllte er „Aufsitzen!“ und raste mit Schönleben durch die Abteilungen. Irgendwo griff er im Fahren einen Kasten Hellbier, klemmte ihn in den Fußraum, brauste an der Kasse vorbei über den Hof und lieferte Schönleben nach Adressabfrage direkt vor dessen Haustür ab. Er warf den Kasten auf den Fußweg, alles blieb heil, brüllte „Es lebe die kommunistische Weltrevolution! Macht genau zwanzig null null!“, steckte sich das Geld in den Zwickel und verschwand in einer Wolke aus Ruß und Straßendreck um die Ecke. 

Der kleine, von diesem Abenteuer völlig erschöpfte Herr Schönleben trug die Flaschen einzeln nach oben, wobei er mehrmals auf der Treppe einschlief, den leeren Kasten trat er auf die Straße. Die Videokonferenz mit dem Art Director absolvierte er unter dem in seinem Leben erstmaligen Genuss zweier Flaschen Hellbier, und er klappte den Laptop nach dem Schlussgong in der Gewissheit zu, sich wacker geschlagen zu haben, denn der Art Director war schreiend auf seinem Stuhl zusammengebrochen. 

Kulturnotizen

Kultur ist bunt, gerade
mit Schoppenwein im Glas.
Ich sitz in der Schublade
und habe meinen Spaß

am Dämmern unter Kennern
mit Lyriktradition,
gemeinsam kleinsten Nennern
in jeglicher Saison.

Oft kommen dicke Schreiber,
am besten aus Bärlin.
Doch straffen sich die Leiber
erst bei der Dichterin,

die uns von Liebe säuselt,
und von der tiefen Lust!
Die Selbstbeherrschung bräuselt,
schnell puckert in der Brust

das rote Herz, das dumme.
Wir schnaufen, und sie schließt.
Danach Kaffee. In Summe
ein Abend, der ersprießt.

Kleine Bildbeschreibung

In diesem Werk gelingt es dem Zeichner Hut81HOF, inspiriert vom Titel „MAMMAI-Methode“, seine erotischen Phantasien konsequent auszuleben. Es kommen nur weibliche Personen zur Anwendung, die Dekolletés sind, im Gegensatz zur wie immer schludrigen Ausführung der Arme, liebevoll gearbeitet.

Das Mienenspiel der Protagonistinnen in Anbetracht der ausgereichten roten „Vorgaben“ reicht von Fassungslosigkeit über Besorgnis bis hin zu dümmlicher Akzeptanz. Damen ohne „Vorgaben“ machen sich über die anderen lustig, können aber sowieso nicht arbeiten, da sie über weniger Arme verfügen.

Die Werktätige ILI knüpft bereits ihren Kittel auf, vielleicht, um beim Meister eine Lockerung der „Vorgaben“ zu erwirken. Damit wird, wahrscheinlich ungewollt, ein Verweis auf patriarchale Strukturen gesetzt, die es zu Zeiten der MAMMAI-Methode allerdings nicht gegeben haben sollte.

Verstörend wie immer hat der Zeichner die Frisuren gearbeitet — ein Markenzeichen? Das Bild ist schön und regt mich zum Nachdenken an.