Archiv für den Monat: Oktober 2021

Das Monster auf der Futterwiese

Eng umschlungen mit der Unangetrauten führte Karl Gong die alljähliche Herbstbegehung des Grundstücks durch, Speisen und Getränke polterten in der Kraxe auf seinem Rücken durcheinander, nur mild gedämmt duch die aufblasbare Isomatte, die er zur Rast auf einem der Hügel unterzulegen gedachte, an die Holde geschmiegt, den Blick über die kürzlich erworbenen Ländereien schweifend, denn auf der Bank machte das Geld ja doch nur Schulden, da plötzlich zupfte sie ihn erst zaghaft, ängstlich, dann durchaus energisch am Ärmel und wies auf eine hässliche, beinahe monströs zu nennende Apparatur, die sich auf der Futterwiese VII/17 breitmachte und die sie beide bisher überhaupt nicht wahrgenommen hatten, vielleicht war das Ungetüm ja tatsächlich erst vor kurzem aus der Erde gebrochen, hatte sich mit Stacheldraht umgeben, um nicht belästigt zu werden, pumpte nun irgendwelche bestimmt schädlichen, zumindest ekligen Substanzen unter ihrer beider Grundstück einfach so auf und nieder, blubbernd und — beide hoben witternd die Nasen — vielleicht sogar übelriechend, was für eine Sauerei, die nun aber nicht mehr zu ändern war, gekauft ist gekauft wie gesehen, also wandten sie sich schaudernd in die entgegengesetzte Richtung, groß genug ist ja das Anwesen, bestiegen Höhe 362, breiteten die Spezereien auf der sich automatisch aufpumpenden Unterlage aus, konnten allerdings nicht zur für ein rundum gelungenes Tête-à-Tête nötigen Gelassenheit finden, denn sie fühlten das unterschwellige Rumoren des dunklen Monsters, auch wenn es eigentlich gar nicht zu hören war.

Das schlampige Sonett vom Wandern

Da latscht der Mensch dahin
auf Dreck. Er ist sein Freund.
Was ist des Lebens Sinn?
Dass man durch Welten streunt

und kuckt nach luv und lee.
Nach hinten? Nie! Nach vorn!
Sonst stößt du dir den Zeh
und spießt den Brombeerdorn

in Nase, Hand und Ohr.
da sei wohl Gott davor!
Behütet sollst du gehen

mit Licht und Bier und Brot.
Und ist die Ampel rot,
dann bleib nicht immer stehen.

Neu bei Nitzsche

Der Hofarbeiter rechts ist abgängig um Hinweise wird gebeten

Letzter Aufruf Wir der liebe Herr Getränkehändler A Nitzsche in Machern man muss nur machern fordern den seit vorgestern wiederum abgängigen Hofarbeiter zur sofortigen Rückkehr an den überbezahlten Arbeitsplatz auf Unwillen und Raserei führen Meine Hand die Satzzeichen klemmen und der Leergutbereich quillt über Heimwärts Knecht Ende der Durchsage Nitzsche Chef

Kleine Bildbeschreibung

Die Stschokino-Methode als Begriff weckt bei ungebildeten Betrachtern fehlleitende Assoziationen (Schoko, Kino), deshalb versucht der Zeichner mit übermäßigem Worteinsatz die Aufmerksamkeit des Betrachters zurückzugewinnen. Man erkennt einen Dirigenten (soz. Leiter?), der mit geschlossenen Augen versucht, den dissonanten Chor der Geschäftsbereiche in Einklang zu bringen. Die Partitur besteht aus unverständlichen Worthülsen, es ist zu befürchten, dass die zusammengerollten, später aufzuführenden Stücke nicht einfacher werden. Der Chor gibt, ebenfalls mit zusammengekniffenen Augen (man kennt wohl alle Noten auswendig) sein Bestes. Die Arbeitsorganisation verleitet den Zeichner zu einem kleinen erotischen Exkurs, während die Frisur der Produktion tatsächlich nicht mit Locken aufwartet, ein Faktum, das mich zum Nachdenken anregt, aber nicht zu lange.

Das schlampige Sonett von der Weinlese

Gut getarnt im Birkenlaube
hockt der Bär und wünscht sich fort
an die pralle Rotweintraube
auf dem Gut im Nachbarort:

Südhang, sonnig, Wespen surren,
Tröpfchen blinken hell wie Strass,
dralle Pflückerinnen schnurren,
und die Ernte fällt ins Fass.

Ja, der Bär wär gern dabei:
süßer Duft und frische Säfte,
Wein mit weichem Perlenschaum,

Bauernbrot und Spiegelei,
Wurst und Käse spenden Kräfte.
Doch der Bär hängt fest im Baum!

Herbstfreuden

Karl Gong, der den ganzen Sommer über den Entwässerungsgraben in Planquadrat C3 von Hand ausgehoben hatte, freute sich erstens am bereits reichlich eingetretenen Herbstregen, der den Graben gefüllt hatte, zweitens am unverschämt bunten Herbstlaub, das sich vortrefflich auf der glatten Oberfläche des klaren Wassers spiegelte, und drittens am kurzzeitig vor Bewunderung offenstehenden, dezent geschminkten Mund der Unangetrauten, die sogar seine Hand nahm und diese, überwältigt von der Schönheit des gemeinsam bewirtschafteten Grundstücks, ein paar Sekunden lang innig drückte, bevor sie, wie so oft, wenn eine Arbeit des Gatten ihrer Meinung nach nicht vollständig ausgeführt worden war, in ein deutliches Stirnrunzeln verfiel und fragte, wo denn nun um alles in der Welt die Bänke stünden, auf denen man die Pracht ausgiebig genießen könne, hier und dort und da hinten wären doch wunderschöne Plätze für plakettengeschmückte Sitzgelegenheiten, oder ob sie sich etwa ins nasse Gras legen solle, ein Ansinnen, das Karl Gong tatsächlich vorgehabt hatte, der Holden anzutragen, was er nun, nur wenig verstimmt, unterließ, denn in seinem Kopf reiften bereits die Baupläne für herrliche Multifunktionsbänke, die er schon morgen fertigen und auf den gemeinsamen Ländereien verteilen würde.

Neu bei Nitzsche

Bezüglich der Besorgnisse der Kundschaft, dass dem Problembären (Hofarbeiter im Getränkemarkt A. Nitzsche in Machern man muss nur machern) aufgrund seiner zahlreichen, nicht wiedergutzumachenden Vergehen, Versäumnisse und Aufsässigkeiten eine ungerechte Behandlung zuteil werden könnte (Abmahnungen, Räuspern, Augenbrauen hochziehen) wird hiermit eidesstattlich versichert, dass das rohe Ei jederzeit wie ein rohes Ei behandelt wird, reichlich Deputat erhält und jeden Morgen neu mit kleinen Geschenken an seine Arbeitsstelle gelockt wird. Der Facharbeiter ist ein scheues Reh. Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Das schlampige Sonett vom Zeitverstreichen

Im Sommer war es klasse. 
Im Sommer war es cool. 
Ich saß auf der Terrasse 
in meinem Schaukelstuhl

umschwärmt von mehren Katzen
und meiner einen Braut. 
Ein Katz mit weißem Latzen.
Die Braut mit weißer Haut.

Nun seh ich Spinnen weben
am rauhen Wandverputz.
Auf Tischen trocknen Nüsse. 

Die Hungerkatzen kleben
an mir: Nur Eigennutz.
Die Braut schenkt süße Küsse.

Besuch aus Hollywood

Modernste 3D-Technologie ermöglicht atemberaubende „Blockbuster“-Streifen

Der Hollywoodmogul hatte es sich auf dem Heimarbeitssofa des kleinen Herrn Schönleben bequem gemacht. Schönleben wippte nervös in seinem Schwingsessel auf und nieder. Eigentlich forderte ihn sein Laptop zu einer fünfzehnminütigen Ruhezeit auf, aber was sollte er machen, wenn dieser seltsame Gast sein Sofa blockierte? Er hatte sich als Herr Goldwien (oder ähnlich) ausgegeben und war mit der Metro gekommen, um Schönleben bei der Arbeit zuzusehen.

Das Ganze war sicher ein Missverständnis. Der Art Director in seinem krankhaften Egomanenwahn trieb sich permanent auf irgendwelchen Netzwerk-Partys herum, prahlte mit seinem „Staff“, dessen „Skills“ und „Performance“, um irgendwie den Abflug in eine ernstzunehmende Agentur zu schaffen. Dafür klaute er sich aus dem Internet angebliche Arbeitsproben zusammen, die er permanent auf seinem Telefon hin und her wischte. Die bemitleidenswert räudigen Grafiken mit den vor Rechtschreibfehlern strotzenden Texten seiner Untergebenen waren nicht dabei.

Der Mogul aber hatte sich bei einem dieser Events wider Erwarten interessiert gezeigt an den atemberaubenden 3D-Fertigkeiten des kleinen Herrn Schönleben, der in der Agentur für die Schaffung der virtuell begehbaren Tortendiagramme zuständig war. Bisher waren diese lediglich in einer Internet-Präsentation des Herrn Dachdecker Schnürgel aus Albersdorf zur Anwendung gekommen, der damit potentielle Investoren ködern wollte. Aber Schönleben musste für den Art Director „in freien Stunden“ Unmengen ebensolcher Diagramme basteln, in denen dieser im Rahmen seiner nächtlichen Drogeneinnahme stundenlang umherirrte.

Schönleben jedenfalls schichtete nun mit den von Pralinen klebrigen Fingern Torte auf Torte, Tortenstück auf Tortenstück, jeweils wie aus bunt gefärbtem Glas, durch die er sich schließlich wie ein Äffchen hangelte, magische Welten, die im Mogulen durchaus einen kleinen Rausch zu entfalten schienen, starrte er doch mit weit aufgerissenen Augen auf das schnarrende, pfeifende, rasselnde Billiggerät, an dem Schönleben seine Befehle mit zwei Fingern in kryptischen Zeichenfolgen einklackerte.

Nach vier Stunden erhob sich der Mogul ächzend vom Sofa, rieb sich den Schlaf aus den Augen, presste „Great work, guy!“ und „Absolutely awesome!“ durch die Zähne, schleppte sich zur Tür und ward nie wieder gesehen. Der kleine Herr Schönleben schnellte auf das schön angewärmte Sofa und schlief durch bis zum Spätfilm.

Sonderbare Begebenheit

Karl Gong erblickte einen Pilz. Auf seiner Wiese. Er schnitt ihn ab. Mit dem guten Messer. Für die Holde. Dachte er. Als Geschenk. Doch dann sein Entschluss. Er biss hinein. In den Pilz. Etwas veränderte sich. In Karl Gong. Seine Gedanken. Vorher mäandernd. Scheinbar ziellos. Nun klar und umrissen. Kein Komma kein Semikolon auch kein Bindestrich. Gedanken wie Peitschenschläge. Aua. Die Unangetraute. Wo war sie? Wo war der Pilz? Es ist dunkel. Warum?

Karl Gong wachte auf, wunderte sich, warum er neben dem guten Messer auf der herbstfeuchten Wiese lag, von Ferne das Rufen der Unangetrauten, nach ihm, dem Vermissten, sorgenvoll, aber nicht ohne Vorwurf, das Essen würde kalt werden, achtzehn Uhr null null war ausgemacht, wie immer, es gab Bauernfrühstück, wie so oft, er hatte sich nie beschwert, die Zubereitung ging schnell vonstatten, das Gericht war nahrhaft, ideal besonders nach einem langen Tag auf dem Grundstück, dessen Zustand trotz permanenter Beackerung nicht erfreulicher zu werden schien, eher im Gegenteil, m/w/d verhedderte sich in Brombeeren, wurde von Quecken zu Fall gebracht, versank in Wühlmauslöchern, wurde von abgeworfenen, vertrockneten Ästen am Kopf getroffen; aber alles kein Grund, nicht pünktlich zum Essen zu erscheinen, dachte die Holde und machte einen festen Knoten ins Wischtuch, mit dem sie den Gong, Karl, der eben wie ein Geist aus dem Nebel aufschien, erwartete.

Kleine Bildbeschreibung

Das Arefjewa-Schaubild verlangt dem Betrachter einiges an schöpferischer Intelligenz ab. Im Mittelpunkt steht der Ausschuß, was durch die pointierte Farbgebung unterstrichen wird. Ein Werktätiger, der einen Karren schiebt, welcher nicht von allein stehen kann, ist irritiert, weil der Ausschuß ihn offensichtlich verhöhnt (Zunge, Hand ohne Arm, Kopf ohne Frisur). Soll er ihn in den Karren laden? Mit dem Dreizack aufspießen (wobei der Karren umfallen würde)? Oder besteht die Arefjewa-Methode darin, den Kollegen („Reserve“) im Hintergrund zu rufen, dessen mit offensichtlich großer Zufriedenheit bewegtes Flurfördermittel wesentlich geeigneter wäre, den Ausschuss aus den Augen des soz. Leiters zu räumen? Die Lösung dieser Fragen bleibt unserer Phantasie überlassen, wofür wir dem Zeichner Hut81HOF dankbar sind.