Archiv für den Tag: 7. Oktober 2021

Die Triebkräfte der Produktion

„Wo man vereint Verstand mit Muskelkraft,
dort blüht der Weizen der Genossenschaft!“

Kaum hatte der kleine Herr Schönleben dieses schöne Gedicht von Fredo G. Winser-Schnellig, dem Cheftexter der Agentur, in einer hübschen Schriftart auf dem Flyer angeordnet, ploppte das hochrote, verpixelte Gesicht des Art Directors (im Hintergrund die Kommandobrücke eines Raumschiffs) auf seinem Bildschirm auf. Kurz darauf erschienen auch die verstörten Grimassen der Kollegen, die ratlos in ihre Kameras starrten.

„So, jetzt mal alles stehen und liegen lassen, ihr Rüben! Wir sind gehackt worden!“

„Hoho, von der Feldbaubrigade der Genossenschaft, oder was?“ brüllte der kleine Herr Schönleben und wälzte sich auf dem Boden, vergnügt über den gelungenen Witz. Leider waren er und Fredo die einzigen mit dem Flyer beschäftigten Mitarbeiter, so dass sein Scherz ins Leere lief. Der Art Director war glücklicherweise zu sehr mit seiner eigenen Wichtigkeit beschäftigt, als dass er sich die Zeit nehmen wollte, Schönleben zurechtzuweisen.

„Präzisiere: Unser verehrter Herr Geschäftsführer ist gehackt worden, während er, äh, das tut hier nichts zur Sache, ihr Runkeln! Jedenfalls ist ab sofort aus Sicherheitsgründen jeglicher Kontakt mit dem sehr geehrten Herrn Geschäftsführer bis auf weiteres untersagt!“

Ein unbeschreiblicher, vielstimmiger Jubel stieg daraufhin aus den Kehlen der Belegschaft auf, hell und entschlossen, freudig und unversiegbar, so dass selbst der Art Director nach anfänglicher Irritation fraternisierte und mit aufgerissenem Maul einstimmte. Goldene Tage standen ins Haus ohne Schikane, Überstunden und Gebrüll, man würde den sozialistischen Wettbewerb zelebrieren wie eine Polonaise der guten Laune, sich anerkennend über die Schultern der Kollegen beugen (rein virtuell), Flaschen mit Hell- und Kraftbier leerend entspannt den unweigerlich auszureichenden Prämien entgegenarbeiten. Ein goldener Herbst, Erntezeit, Freiheit, Brüderlichkeit.

„Es lebe der Hacker!“ rief der kleine Herr Schönleben, und alle, wirklich alle brüllten im Chor mit, bis pünktlich um sechzehn Uhr die Sirenen aus den quäkenden Laptoplautsprechern das Ende der heutigen Fron verkündeten.