Archiv für den Monat: März 2022

Interkulturelles Missverständnis

Flusskreuzfahrt-Landgang (Beispielfoto)

Mein Freund Klaus-Jürgen, der Milliardär, ist mit Flusskreuzfahrten reich geworden. Ob Jenissej, Angara, Wolga, Oder, Elbe. Kalauer. Die Passagiere stehen mit Cocktails an der Reling und liefern als Zuverdienst beim Landgang Pakete aus. Die Mannschaften bekommen Prämien für das Vergrämen von Bibern. Alles läuft bestens. Letztens saß ich mit Klaus-Jürgen bei einer Flasche Wein, die er für 48.000 Euro ersteigert hatte und die nach Korken schmeckte, was er nicht wahrhaben wollte. Er ist unglücklich. Zwar hat er eine gewisse finanzielle Grundabsicherung erreicht, das war ihm schon als Kind wichtig, jedoch treibt ihn die Frage um, was noch kommen könnte. Als Lebensziel, Lebenssinn. Sich zu bemühen, Billionär zu sein, ist eigentlich Quatsch, sagt Klaus-Jürgen, in Amerika ist er ja als hiesiger Milliardär schon Billionair, und das wird immer schlimmer, je reicher er wird. Würde er es hierzulande durch harte Arbeit zum Trillionär bringen, könnte es passieren, dass er auf einer Stehparty in Manhattan als solcher nur belächelt würde. Wo bliebe da die Würde? Nun, ich konnte ihm auch nicht helfen. Irgendwann ließ ich ihn weinend mit dem Kopf auf dem Tisch liegen, setzte mich aufs Fahrrad und fuhr taumelnd ins Elsterflutbett.

Abenteuer des Sanitärfachwesens

Klempner Patzschke aus der Rhön parkt seinen mit irreführenden Angaben beschrifteten LKW („Sanitärfachgroßhandel Liebegall“) vor der aufgelassenen Industriebrache am Rande der Stadt. Nach allen Seiten witternd, stochert er in den riesigen Schutthaufen, die den Hof bedecken, dringt in muffige Flure vor, erkundet verlassene Büros, wo vertrocknete Gummibäume, durchs Fenster kriechende Moose und von ihren Besitzern vergessene, grünbewachsene Pausenbrote dabei sind, bisher unerprobte Biotope hervorzubringen. Schmunzelnd klopft er mit der Rohrzange an Sanitärinstallationen, staunend reibt er sich an Aggregaten, die offensichtlich der Produktion großer Mengen chemischer Substanzen dienten. Der Geigerzähler schlägt nur schwach aus. Endlich, im oberen Stockwerk eines ehemals modernen Bürohauses, dessen Fassade nichtsdestotrotz am schnellsten ihre Substanz eingebüßt hat, stößt er auf das Büro des Generaldirektors. Der Raum ist hell, leidlich sauber und aufgeräumt. Erstaunt pfeift Klempner Patzschke durch die Zähne. Als hätte der Kerl sich gerade erst erhoben, um einmal kurz aufs Klo zu gehen, denkt er.  Aufs Klo, wo nach der in der Klempnerinnung kursierenden Sage güldene Armaturen verbaut sind, angeschafft im Ergebnis illegaler Geschäfte mit dem Westen, die der Generaldirektor getätigt hatte und die ihn nach Meinung der Untersuchungsorgane ins Exil nach Paraguay trieben. Patzschke wühlt ein wenig in den Papieren auf dem Schreibtisch herum, lässt auch einige achtlos zu Boden fallen. Da öffnet sich in seinem Rücken eine Tür, die Toilettenspülung ist zu vernehmen, ein Hosenstall wird zugezogen. Klempner Patzschke dreht sich überrascht um und hört nur ein missmutiges „Was unterstehen Sie sich?“, während ein Spazierstock aus Ebenholz mit Elfenbeingriff auf seine Schiebermütze niedergeht. Nur dieser Mütze verdankt er es, dass er in seinem LKW vor der Kreispolizeidirektion aufwacht, und nicht im Leichenschauhaus.

Ein Nachmittag mit dem Oligarchen

Der kleine Herr Schönleben maulte nicht herum, als sein aktueller Kunde, der Getränkeoligarch N., darauf bestand, ihn in seinem Home Office zu besuchen, um sich nach dem Arbeitsstand der „Kampagne“ zu erkundigen, ein Begriff, der dem kleinen Herrn Schönleben ein gewisses Unbehagen bereitete, gerade des besagten Arbeitsstandes wegen. Wie angenehm überrascht aber war Schönleben, als ihm der Oligarch einen Platz auf dem Besucherliegestuhl anbot, das Gastgeschenk aus der Hosentasche zauberte und die schönsten Erlebnisse aus seiner langen Oligarchenkarriere erzählte. Eine weitere Flasche wurde unter wüsten Beschimpfungen des Art Directors geleert, der ja sowieso mit seinem ständigen Reinquatschen jede Kampagne ruiniere, und pünktlich zum Feierabend erhob sich N., um nach dem Hofarbeiter zu sehen, der wohl aber gar nicht mehr anwesend sein würde. „Recht so! Recht so!“ rief der kleine Herr Schönleben in Verkennung der Machtverhältnisse, allerdings ohne gerüffelt zu werden. Er begleitete den Oligarchen zur Tür, sah zu, wie sich dieser elegant durch Abstoßen des rechten Beines auf dem Hupwagen in Bewegung setzte, schrieb sich sieben Stunden „Getränke-Kampagne N.“ im Journal gut und fiel bis zur Sondersendung nach der Tagesschau in einen bleiernen Schlaf.

Königinnen auch außen

Karl Gong, inspiriert durch die Heckklappe des vor ihm herumgurkenden Transporters, beschloss, sich der auf seinem Grundstück mehr oder weniger wild siedelnden Bienen auf professionelle Weise anzunehmen, eine Königin aufzuziehen, frei flottierende Schwärme zu fangen, mit Bienenprodukten (was auch immer das sein könnte – Fühler? Flügel? Facettenaugen?) und Bienenpatenschaften immens viel Geld zu verdienen und an befreundete Großgrundbesitzer auch mal ein paar Bienen zu vermieten, ein Plan, der bei der Unangetrauten auf große Zustimmung stieß, weil er somit endlich einmal etwas Nützliches tun und nicht permanent in der Gegend herumlungern würde, einzig der Gedanke, dass Gong sich neben ihr eine Königin heranzüchten könnte, ließ sie kurz innehalten, bevor sie sich seine unbedingte Loyalität durch körperliche Maßnahmen erarbeitete.

Der letzte Schnee

Ich hatte mir etwas Kunstschnee aus dem Winterurlaub mitgebracht und auf der Straße ausgelegt, um die Menschen zum Nachdenken anzuregen (ich wusste nicht mehr genau, worüber), aber die Wirkung verpuffte bzw. verdunstete aufgrund ausbleibender Passanten, so dass ich mir derartige Aktionen in Zukunft wohl verkneifen werde. Soll doch der Klimawandel machen, was er will.

Der Sprungstern

K-J-S-37 (Beispielfoto)

Um sich von den anderen (peinlichen) Oligarchen abzuheben, beschloss Klaus-Jürgen, mein befreundeter Milliardär, sich nicht an der ewig langweiligen Konkurrenzspirale Kanu-Boot-Jolle-Yacht-Traumschiff-eigene Insel zu beteiligen, stattdessen gleich ein paar Stufen zu überspringen und sich einen eigenen Stern anzuschaffen (er war auch Nichtschwimmer). Seine Wahl fiel auf den sogenannten Sprungstern ujgorOTOobtzdizayev-37, der sich dadurch auszeichnet, 1. nicht zu weit entfernt zu sein und 2. sich so sprunghaft durchs All zu bewegen, dass er am vorherigen Standort fast noch genau so hell zu sehen ist wie am aktuellen. Das wäre doch einmal eine Überraschung für die Kollegen, dachte sich Klaus-Jürgen, kaufte sich einen neuen Namen für den Stern bei der NASA („ujgorOTOobtzdizayev-37, das ist wie eines der Passworte, die mir der Admin täglich für den Geldspeicher unterjubelt“), sattelte die Rakete und begab sich auf eine erste Erkundungsmission, wobei er darauf achtete, dass er nicht von den Raketen der anderen zwei interstellar mobilen Oligarchen verfolgt wurde.

Mittelfristplanung

Dem kleinen Herrn Schönleben war von den Großkopferten aus Schikanegründen der Auftrag zum Verfassen einer Mittelfristplanung für die Agentur zugewiesen worden. „Bis gestern!“ röhrte der Art Director, den Schönleben im Stillen nur noch als „Artklops“ zu bezeichnen pflegte, hämisch. Nach ausgiebiger Mittagsruhe schleppte sich der kleine Herr Schönleben an den kleinen Schreibtisch, nahm Stift und Zettel zur Hand und legte los:

Mittelfristplanung 
– Betriebsfunk unter Kontrolle bringen 
– Chef entmachten und in Papierlager sperren
– Artklops Bier holen und Bewährung in der Produktion 
– Gehälter plus 100% (wieviel ist das?)
– Kundenzüchtigung bei Renitenz

Zufriedenheit umspülte das kleine Gesicht Schönlebens, und weil die Arbeit so leicht von der Hand ging, hängte er gleich noch die Langfristplanung hinten dran:

Langfristplanung 
– komm. Weltrevolution 
– Frieden auf Erden 
– Artklops Klo putzen (in den Home Offices)

Nach einem kurzen Schnaufer der Erschöpfung steckte er den Zettel in eine Email, wählte als Verteiler „An alle“, sah versonnen dem Sendeprozess zu und ließ sich vom Lieferdienst eine Tasse Kaffee kommen.

Vom Ertrag

Karl Gong, auf dessen Gemarkungen sich mehrere Rotten Wildschweine am Biogasmais und den eigentlich für die Pferde der Unangetrauten bestimmten Leckereien labten, wurde von jener dazu verpflichtet, dem schändlichen Treiben Einhalt zu gebieten, nicht zuletzt, um dem grassierenden Schweinewahnsinn zuvorzukommen, der laut Epidemiologen, ein Wort, das am Abendbrottisch schon seit zwei Jahren erstaunlich flüssig von aller Lippen sprang, endlich „die Viecher abzuknallen“ und einer sinnvollen Verwertung zuzuführen, zum Beispiel Gulasch mit gedünsteten Birnenscheiben und Preiselbeeren, die böhmischen Knödel nicht zu vergessen, man könnte ja auch einmal ein paar Nachbarn zum Verzehr einladen, oder den Kirchenchor, die Damen der Reitgruppe, den Getreidehändler und die Olle vom Grundbuchamt, aber bitte nicht den ABV, der letztens „aus Versehen“ eines der Schafe erlegt hatte, im Wahn, es hätte sich in einen Wolfspelz gehüllt, einen solchen unerwarteten, blutigen Vorfall zwischen Dessert und Zigarren möchte sie nicht noch einmal erleben, jedenfalls nicht auf ihrem Grundstück bzw. ihren Grundstücken, dann müsse er, Gong, definitiv wieder eine Nacht im Stall schlafen, zur Strafe, was jener natürlich zu vermeiden trachtete, schon der unangenehmen Gerüche wegen.

Aus dem Musikbusiness

Klaus-Jürgens nagelneuer Verstärker beim Vorwärmen

Klaus-Jürgen, der befreundete Milliardär, hatte eigentlich immer ein bescheidenes Leben geführt (deshalb war er ja so reich). Aber eines Tages nagte dann doch eine kleine Unzufriedenheit an seinen manikürten Fingernägeln. Niemand nahm von ihm Notiz, außer die Wirtschaftsredaktionen, die er dafür bezahlte. Wie gern hätte er auch als Popstar reüssiert, aber dazu hatte er bisher einfach keine Zeit gefunden. Also kaufte er sich ein paar Verstärker, Guitarren, Triangeln, Ziehharmonikas und Schlagwerke, dazu mehrere hochdekorierte Lyriker und Komponisten, die er in einen gnadenlosen Wettbewerb um das beste Klaus-Jürgen-Lied aller Zeiten hetzte, und schon nach wenigen Monaten und einigen notwendigen Interventionen seinerseits hinsichtlich der Qualität von Text und Musik konnte er in seinen rechtzeitig erworbenen Fernsehstationen, Streamingdiensten und Sozialportalen den Song präsentieren, der ihn zum Popstar machte: „Klaus-Jürgen Milliardär“. Übersetzungen ins Englische, Arabische und Chinesische sind in Arbeit.

Neu bei Nitzsche

Betreffend die von der „revolutionären Zelle“ angezettelten antikapitalistischen Demonstrationen vor Meinem A. Nitzsche Getränkemarkt in Machern (man muss nur machern) verkünde Ich hiermit folgende unumstößliche Tatsachen: 1. Dem Hofarbeiter (Problembär) geht es gut. 2. Der Hofarbeiter erhält zu jeder Mahlzeit eine (1) Einheit Deputat Honigwhisky. 3. Vom Hofarbeiter geht darum keine revolutionäre Gefahr aus. Ich (A. Nitzsche) empfehle daher die Verlagerung der klassenkämpferischen Aktivitäten auf die Konkurrenzbetriebe, zum Beispiel Kraftbier-Schnökel oder Likörparadies Schultze (mit t). Denen kommt das gerade recht. Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef