Der Pianist

schoenleben-klavier

Der kleine Herr Schönleben fand in einer Wohnung, von der er annahm, dass es die seine war, ein Piano vor. Er besetzte frohgemut den dazugehörigen Hocker und klimperte, ohne sich um die aufgeschlagenen Notenwerke zu kümmern, fröhlich drauflos. Kontrapunktische Musik umströmte seine perfekt angebrachten Ohren, benebelte seine Sinne und weckte nie erlebte Emotionen. Nach kurzer Zeit erfreute hinzukommendes, freejazziges Schlagwerk seine Sinne, von oben, von unten, von den Wänden klapperte es in freier Rhythmik, schließlich gellten Zimbeln von der Tür her, und der kleine Herr Schönleben hieb wie rasend in vollendetem Glücksrausch auf die Tastatur ein, bis er sich erschöpft nach hinten lehnte, den Zimbeln und quadrophonischen Klopf- und Hammerinstrumenten ihr wohlverdienstes, langsam ausklingendes Solo gewährte und die Session schließlich mit einem bewusst schief gesetzten, lang auslaufenden Akkord beendete. Dann hüpfte der kleine Herr Schönleben von seinem Hocker, eilte zum Kühlschrank und öffnete eine Fruchtmilch, von der er annahm, dass sie ihm gehörte.