Schlagwort-Archiv: Getränke

Die orange Orange

Vor einem Obstkorb, in dem sich eine Orange befindet, steht ein Weihnachtsmann (Beispielfoto)

Der kleine Herr Schönleben stand vor dem Obstkorb und dachte nach. Im Obstkorb vor ihm lag eine Orange. Schönleben trug noch das Weihnachtsmannkostüm, das er, soviel musste er in seinem Inneren nun doch einräumen, aus dem Getränkemarkt von Herrn Nitzsche entwendet hatte, als er von diesem am Heiligabend eingeladen worden war. Das Kostüm hielt sehr schön warm, und draußen war es noch kalt. Wieso sollte er es nicht auftragen, bis er irgendwann vom Gesundheitsamt die Anweisung bekommen würde, endlich aus dem Haus zu gehen und Getränke anzuschaffen, um nicht zu dehydrieren? Dann könnte er mit seiner Dieselameise, die Kapuze böse über den Kopf gezogen wie ein Repper, bei Nitzsche aufkreuzen, ihm lässig das Kostüm auf den Tresen legen und durch die kleinen Zähne murmeln: „Drei Kraftbier, aber dalli, Freundchen! Und eins machen wir hier gleich alle, oder, alter Nikolaus?“

Diese Aussicht stimmte den kleinen Herrn Schönleben sehr vergnügt, er begab sich wieder in die Tiefen seines Bettes und hatte ein gutes Gefühl, weil er die hübsche Orange am Leben gelassen hatte.

Das historische Gehäuse

W50

Ganz früher einmal musste der Autor einfache Frondienste in einer Fabrik ableisten, in der unter anderem glasseidenverstärkte Kunstharzgehäuse zum Aufschrauben auf Lastkraftwagen des Typs IFA W50 hergestellt wurden. Wie der zuständige Meister mit dem Stolz des Schaffenden verkündete, konnte der Klassenfeind mit seiner MPi eine Salve von zwanzig Schuss (oder mehr oder weniger) abgeben, ohne dass das Gehäuse irgendwelche Schäden davontragen würde. Das Gehäuse wurde deshalb gern zum Transport wichtiger Armeegenerale, geheimer Dokumente und Munitions- oder Getränkekisten verwendet.

Wie erstaunt war ich, als ich im letzten Sommer ein solches Fahrzeug direkt beim Klassenfeind erblickte, offensichtlich widerrechtlich (ohne MPi?) erbeutet und frech zur Schau gestellt!

Zum Glück existiert kein relevanter Armeegeneral mehr, dem ich von diesem traurigen Sachverhalt Meldung machen müsste.

Welt-Gong

Die "Welt" (Archivbild)
Die „Welt“ (Archivbild)

Eines erschütternden Tages wurde Karl Gong endlich klar, dass es weder ihm noch sonst irgendjemandem möglich sein werde, die „Welt“ erkennen, begreifen, verstehen zu können, keine Chance, No Way, kannste vajessen, Gong. Die „Welt“ nämlich, wusste Gong nun, entzieht sich jeglichem Verständnis durch ihre Unübersichtlichkeit, sinnlose Fülle, ihr überbordendes Durcheinander, ohrenstopfendes Gequatsche und nicht zuletzt permanentes Schimärentum, Änderungsirrsinn, Scheinkreativität, Selbstvernichtung und Unschärfeproduktion. Gong würde immer wieder morgens aufwachen, voller Unverständnis auf diese „Welt“ starren und abends kein bisschen klüger, nur notdürftig sediert durch geistige Getränke, aufs Lager sinken und von Ordnungen träumen, die seinem augenscheinlich schwachen Geist beherrschbar schienen (auch dies eine Hoffnung, die allnächtens enttäuscht wurde).

Gong nahm die niederschmetternde Erkenntnis jenes Tages jedoch an, und nicht ohne Dankbarkeit. Wenn ich sie schon nicht erkennen kann, die blöde „Welt“, dachte er, ändern kann ich sie immer noch, dazu brauchts nicht viel. Dann schritt er an den Bücherschrank und nahm den dicken Packen staubiger Folianten heraus, unter M, wie Marx, Karl. Die Gebrauchsanleitung, dachte Karl Gong grimmig.