Archiv für den Monat: April 2018

Vormai

springbrunnen

Sieh, mit allergrößter Kraft
sprudelnd ward es Lenz.
Und sind dreißig Grad geschafft,
hebt sich’s Dach vom Benz.

Brünnlein spuckt mit feinem Strahl,
zierlich eingehaust.
Ich hau dir auf den Karpal,
wenn du mein Bier maust.

Wellblechhütte als Büro,
stockend rinnt die Zeit.
Erstmal setz ich mich aufs Klo,
bis es endlich mait.

Der Mond der blauen Stunde im Konsumrausch

mondstellagen

Ganz behutsam grüßt der Mond
in der Blauen Stunde.
Hab mich eben nicht geschont:
Drehte meine Runde
durch die Hallen, die Regale,
kaufte Wein und Chinaschale,
kaufte Käse, Pudding, Möhren.
Ach wie mich die Menschen stören!
Wie sie mich zutiefst genieren,
wenn sie öd mit schierem Gieren
lüstern in die Truhen stieren,
gänzlich sich dabei verlieren.
Schnell hier raus, und ins Gehäuse!
Doch da warten schon die Mäuse!
Drum gleich alles in den Schlund!
Still von oben grüßt der Mund.
Äh, Mond.

Kunst am Bau

giraffe

Manchmal braucht es einen langen Atem bzw. Hals, um zu sagen, was zu sagen ist. Für Leser ohne Lesebrille:

„Gott uns dieses Haus behüte
Vor Bomben und der Steuertüte.“

Wobei aus einem bekannten, immer noch aktuellen Schlager zu ergänzen wäre:

Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun.
(Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun.)

2000

bestenliste

Der Spruch ist gut,
ich zieh den Hut
und Wehmut kühlt das Glas,
weil dahingeht,
was grad noch steht. —
Ob Schinderei, ob Spaß,
wenn, was man tat,
solch Abschluss hat:
das ist ja auch schon was.

Klar und wahr

vodka

Wenn es einen Anlass gibt:
Hoch die Tassen! Tassen hoch!
Wenn es keinen Anlass gibt:
Höher geht es immer noch!
Denn die Wahrheit, Freunde, Prawda,
ist: Das Lehm ist kurz.
Darauf noch ein neues Glas, klar,
und auch einen frohen
Schniefer, dass bis jetzt eigentlich alles so ziemlich gutgegangen ist,
hätt ma jar nich jedacht, wa.

Kleiner Ratgeber Musik

musik

Im wohltuenden Gegensatz zur sogenannten „bildenden“ Kunst ist die Musik etwas Reales, Handgreifliches, durchaus auch Übergriffiges, wenn auch der Versuch, an dieser Stelle ein Wortspiel mit dem Be“griff“ (hohoho!) „Griffbrett“ einzubauen, soeben grandios gescheitert ist.

Es geht bei Musik primär um die Erzeugung nicht abzustreitender Schallobjekte (Wellen), die in dem ihrer Einnahme dienenden Organ beim Menschen bzw. Hörer bzw. Musikfreund bzw. Sachverständigen physikalisch nachvollziehbare Effekte bewirken können, durchaus auch bis zu dessen Zerstörung. Das Organ nimmt die Musik so auf, wie sie abgesondert wurde, Missverständnisse sind ausgeschlossen, es geht nicht ums Begreifen, sondern ums Aushalten.

Man kann auf allen möglichen Objekten Musik hervorbringen, sie können kaputt oder sonstwie unbrauchbar sein, Voraussetzung ist lediglich eine geeignete physikalische Verstärkung, damit die Schallobjekte in deutlicher, schmerzhafter Weise mindestens bis zum Empfangsorgan vordringen können. Kabel, Röhren, Spulen und anderer Kram leisten dabei gute Dienste, sofern sie korrekt zusammengebaut sind. Man sollte die Einzelheiten in einem gutsortierten Baumarkt erfragen, da gibt es in der Regel auch gleich preiswerte Guitarren, Schlagwerke und Trennschniefer mit Kammerton, Tiernahrung allerdings ist Vertrauenssache und genießt keine Rabattierung.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wertschätzung der Musik auch schon einmal höher war, wenn sich die Musikfreundin beim Konzert fragen muss, was sie eigentlich mehr nervt: dass alle anderen auf ihr Schmachtphone starren oder sich über ihre (im Selbstverständnis der sich unterhaltenden natürlich nicht) beschissene Arbeit unterhalten — oder beides. Manchmal ist die Musik laut genug, dass die Schmachtphones und die Wichtigtuer einfach zerspringen, und das ist gut.

Über die Kunstbetrachtung

kunst

Neulich gab es wieder Kunst.
Leider war sie sehr verhunzt.
Einem Bild war aus der Mitten
einfach was herausgeschnitten.
Auf dem andern hatten Knaben,
die etwas DAGEGEN haben
(oder waren es gar Damen,
die gerad des Weges kamen),
Einen Kübel Teer entleert.
Das schien mir durchaus verkehrt.
Denn die Kunst, soll ich sie schauen,
Soll mich — bitte sehr — erbauen.
Schön und glatt und ohne Makel,
Kein Gekriekel und Gekrakel,
Weiß und zart als wie ein Arsch
oder ein Fillet vom Barsch.

alles Gute für heute

allesgute

Karl Gong hatte sich Urlaub genommen, denn am Freitag dem Dreizehnten wünschte er nicht seinen verantwortungsvollen Dienst an der Menschheit abzuleisten — Unglück, Chaos, Katastrophe galt es zu verhindern, still in die Schankwirtschaft wurde geschlichen, still mit erhobenem Zeigefinger ein Helles geordert und mit weiteren Hellen abgelöscht, bis der bedrohliche Tag an Kontur verlor, alles angenehm schwammig und schummerig und unscharf sich anfühlte, wie in Watte und verlorene Brille gepackt, und Karl Gong ließ sich nach erfolgter Sedierung von seinem Rollator halbwegs sicher nach Hause bringen, nicht allerdings ohne sich auf diesen falschherum draufgesetzt zu haben und umgekippt zu sein, jedoch gottlob ohne schwerwiegende Folgen, was dann natürlich wieder eigentlich enttäuschend war an einem solchen gefährlichen Tag.

Aber die Steuerberaterin, dachte Karl Gong, als er sich im bläulichen Nebel seines Bettes dem Hellkoma hingab, die hat mir immerhin alles Gute gewünscht, dabei kann ich mich nicht erinnern, jemals Steuern gezahlt zu haben.

Heimatliebe

grasbach

Überall im Speicher liegen sinnlose Bilder mit Schnee, die keiner mehr sehen will, die aber aufgebraucht werden müssen. Wenn die Betrachter sich bitte alle mal fröhlich auf den Daumen klopfen könnten („Like“)? Dann wird vielleicht das Heimatministerium aufmerksam und kauft mir den Quatsch ab. Immerhin ist auch eine Kirche mit drauf, nicht nur Bambus.

Neues von den Telefonen

warten

Karl Gong saß in der Schnellbahn, kuckte aus dem Fenster, aber da gab es nur dahinhuschende Sinnlosigkeiten und Passanten zu sehen, die auf Telefone glotzten. Er wandte den Blick zurück ins Innere, ließ ihn unauffällig durch den Waggon streifen, auch hier nur Mitreisende, die ihre Telefone hypnotisierten, oder anders herum. Aus Opposition gegen das allgemein Übliche beschloss er, sein Telefon in der Tasche zu lassen und nur trübsinnig auf den Fußboden zu starren. Gedanken an das Ende von allem und jedem fluteten ihn, und er verpasste den Bahnhof, an dem er eigentlich aussteigen wollte. Irgendwo in der Pampa stolperte er aus dem Zug, Ruinen empfingen ihn.

Das Telefon zeigte ihm den Weg ins Bureau.