Archiv für den Monat: August 2006

Weltrevolutionsemblem


Wer konnte sich denn früher einen Tschaika leisten?
Genaugenommen konnte das nur einer, und der ließ die anderen Politbüromitglieder ab und zu mal mitfahren. Deshalb wäre es unfair, die heutigen Autos wegen ihrer blöden Langweiligkeit zu verurteilen, denn früher war es ja noch langweiliger, abgesehen davon, dass man kaum mal die Chance hatte, überfahren zu werden, außer in Metropolen wie Lipsigorod. Wobei – Abschweifung – einmal als hornbrilletragendes Kind bin ich, den Schülerlotsen hatte ich verpasst, über die Straße zur Mittagsspeisung gerannt und beinahe von einem W50 erfasst worden. Ich sah das Rote im Auge des Fahrers! Doch ich hatte Glück, denn ich war schnell zu Fuß. Aber, um den Kreis zu schließen, wenn man als Fußgänger das Rote im Stirnhöcker des Tschaika gesehen hatte, war es ganz sicher zu spät, denn der war schon immer mit ganz anderen Geschwindigkeiten unterwegs (wegen Weltrevolution usw.).

Das Welterbe


Dies ist zumindest ein Teil davon.
Fußbodenmosaikimitat, Betonraumteiler, Pflanzkübel, Imbissbude mit Pissmarke und ein sparkassenähnliches Gebäude mit Schießscharten – langsam nimmt die Vorstellung, was Das Welterbe eigentlich sein könnte, auch in meinem Kopf Konturen an. Dies verdanke ich der Stele, die wohl eine gelungene Melange von Guillotine und afghanischem Teppichwebstuhl sein will, ohne ihre Informationspflicht zu vernachlässigen. Das Welterbe: Demnächst auch unter Ihrer Brücke!

Jetzt auch am Rathaus


Prominent angeordneter Doppelauspuff
Nur die wirklichen Ingenieure unter den Ingenieuren haben noch die Chance, das Geflecht der Doppelauspuffe in der Stadt zu durchschauen. Der Bedeutung des Phänomens angemessen wurde vor einiger Zeit endlich auch ein Doppelauspuff direkt vor dem (Neuen) Rathaus errichtet. Achtung: Wenn Sie nächstens Ingenieure mit riesigen Rohren hantieren sehen, machen Sie bitte den Weg frei, helfen Sie beim Unterlegen von Betonklötzchen und halten Sie nicht den Kopf vor die Öffnung.

Röhrenspinnenflucht


Und weg warse.
Letztens ist es mir gelungen, die legendäre Röhrenspinne am Balkon zu sehen. Ehe ich allerdings die Digischnappe in Anschlag gebracht hatte, war sie schon wieder fast in ihrem geräumigen Appartement verschwunden. Ob mit oder ohne Beute konnte deshalb auch nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden.

Kleiderhaken im Freiverkauf


Letztens in der Hauptstadt, anläßlich eines Ereignisses.
Der gemeine Provinzbürger ist immer wieder beeindruckt von der Weltläufigkeit, die dieser Ort ausstrahlt. So kann man zum Beispiel einfach so auf der Straße im Freiverkauf einen sehr exklusiven Kleiderhaken erwerben, der sich die Kleidung sozusagen selber greift. Man braucht ihn nur nach Hause zu rollen und keinen Haken mehr aufwendig in die Wand zu nageln. Das Eigengewicht des Kleiderhakens sollte sogar sehr schwere (nasse) Mäntel ohne umzukippen aufnehmen können (vorher ausprobieren!).

Geologische Schichtung


…an einer Berliner Mauer.
Dieses Foto könnte beweisen, dass es effektiver ist, eine Werbemalerei einfach zu überputzen, als ein Haus davorzustellen, das sie abdeckt. Denn Häuser kann man abreißen und dafür Strand-Bars installieren, in denen halbbekleidete Menschen sich den Kaltgetränken und der Currywurst hingeben, Menschen, die es kaum interessiert, für welche spannende Zeitung mal hinter ihnen an der Mauer geworben wurde. Nur der CSI wäre in der Lage, das herauszufinden (mit automatischen Computern) oder eine 120jährige Berlinerin mit fotografischem Gedächtnis oder die Allgemeine Zentralaufsicht, die aber derzeit anderes zu tun hat (Regionalzüge).

Zusatzfrage: Da ja früher augenscheinlich an dieser Stelle eine Werbemalerei mit Luft davor war, gab es dann hier auch schon eine Strand-Bar?

Fluchtweg


Wenn bei einer Großveranstaltung irgendwas nicht so ist, wie es sein soll (Playback fällt aus, Bier ist alle usw.), braucht das Volk einen Fluchtweg. Beim Ereignis in Lipsigorod war dieser nicht zu verfehlen: Einmal ums Klo und dann immer den Zaun entlang.

Ein Blick zurück


Schön sei es gewesen, wird immer wieder gesagt, und wehmütig wird zurückgeblickt auf die Zeit, da sich das Volk vor Fernsehern versammelte, um tatsächlich ein und dasselbe Programm anzusehen, zumindest 90 Minuten lang. In Lipsigorod konnte der Bürger sogar echte Kulisse einer echten „Begegnung“ sein! Im Bild: Die Umkleidezelte (Mannschaft 1, Mannschaft 2 und Schiedsrichterkollektiv).

Der große Architekt


Ein Haus zum Drüber-Nachdenken.
Früher hießen Spiele für Kinder zum Beispiel „Der kleine Architekt“. Hätte man sie dagegen zum Beispiel „Der große Architekt“ genannt, würden heute vielleicht ganz andere Häuser gebaut werden von den Kindern, die jetzt Architekten sind. Aber die Architektur ist ja angeblich sowas wie eine Kunst, und in Kunst soll man nicht wohnen, Kunst soll zum Nachdenken anregen. Kunst soll auch mutig sein und den Fensterputzfirmen ein gesichertes Auskommen bieten.

Die Bedeutung von Linoleum


Linoleum: Seltener Rohstoff
Die Bedeutung von Linoleum hat in den letzten Jahren etwas nachgelassen, weil die Bürger ihre Wohnungen verstärkt mit italienischem oder chinesischem Marmor auskleiden lassen. Deshalb ist man in einigen Gegenden offensichtlich dazu übergegangen, Häuser zu kennzeichnen, die noch mit Linoleum ausgelegt sind. Dadurch haben auch die Marmorhändler die Chance, potentielle Kunden schneller ausfindig zu machen.

Letztens beim Spazierengehen


Plötzlich tauchte das UFO vor mir auf.
Es schien sich allerdings noch mehr erschreckt zu haben als ich mich und verharrte regungslos. Da ich mir meiner Verantwortung vor der Menschheit bewusst war, verfiel ich nicht in Panik, fertigte zwei Fotografien und ging wie beiläufig weiter. Wenn sie was wollen, werden sie sich schon melden. Sie meldeten sich nicht, also kann es nicht so wichtig gewesen sein.

Wenn ich Sultan von Sachsen wäre (1)

Vorwärts: zurück zum Feudalismus!

In der Mitte das Modell der Porzellanbrücke

Wenn ich Sultan von Sachsen wäre, hättmer keene Probleme mehr. Der Parlamentarismus hat sich nicht bewährt- das Volk verstehts nicht und will sowieso wieder einen Herrscher haben, der ab und zu vom Balkon winkt. Der Biedenkopf hat diese Rolle noch ganz gut ausgefüllt aber jetzt…- nu nee.
Absolutismus hat auch viele Vorteile: die Kosten, die das dann aufgelöste Landesparlament verursacht- ohne daß der Untertan irgendwas davon hat- werden in Pomp und Zeremonien investiert. Japanische Touristen haben einen Anspruch auf Wachablösungen der berittenen Leibgarde.
Peinliche Rumeiereien wegen der lumpigen Brücke haben sich im Nu erledigt: Ich verfüge, daß eine abgefahrene, technisch erstaunliche und mit Meißner Porzellan verkleidete Brücke errichtet wird. Die Meißner Manufaktur hat dadurch ausgesorgt, Funk und Fernsehen in aller Welt wimmeln zur Einweihung um das neue Bauwerk und Sachsen hat ein dauerhaft wirkendes Marketinginstrument, das seine Einzigartigkeit unterstreicht. Uns gibts nur eenma off der Welt. Wenn schon jeden Tag 30 Busse zu Pfunds Molkerei fahren, nur weil der Verkaufsraum gefliest ist- was geht dann erst mit der Sultansbrücke ab…

Bildwerke in Lipsigorod 4


Karibischer Realismus 2
Der Gemeine Hinterwäldler brüstet sich gern mit seiner vermeintlichen Tischkultur, denn er benützt Geräte aus Draht und gebrannter Erde, um die Speisen seinem trainierten Gaumen zuzuführen (siehe diverse Berichte). In Lipsigorod dagegen geschieht die Nahrungsaufnahme wesentlich sinnenfroher und ursprünglicher, wie auch die zeitgenössische Kunst darzustellen weiß.

Der gebildete weiße Mann

Sowas hat in Lipsigorod noch niemand gesehen

Hier in Hinterwald wird noch mit Niveau soupiert. Während in Lipsigorod der Mitbürger mit bloßen Händen den Döner in den offenen Rachen stopft, wobei Kraut und weißliche Soße den Hals herunterrinnen – stellt der gebildete weiße Mann an seine Tafel andere Ansprüche. Es muß alles appetitlich angerichtet sein, und zum Verzehren seiner Speisen und Getränke benutzt er die verschiedenartigsten Messer, Gabeln, Löffel, Teller und Gläser.

Puppengericht


Man kommt sich wie Karl Stülpner vor,
wenn man als Angeklagter dem Puppengericht gegenüber steht. Die Anklage lautete auf Puppenverhetzung. Glücklicherweise hatte ich nur mündlich verhetzt – wodurch das Verfahren rasch in eine Pattsituation geriet. Puppen haben kein sehr langes Gedächtnis, und mit den weichen Stofffingern können sie auch nur wenig protokollieren (dauert zu lange). Jedenfalls hatte sowohl die Anklage als auch die Verteidigung nach ein paar Minuten schon vergessen, worum es überhaupt ging. Daher wollte man mich einfach pauschal wegen Ketzerei zu 10 Jahren Puppenhaus verurteilen. Glücklicherweise hatte ich von einem Mitangeklagten noch ein PGB (Pupperisches Gesetzbuch) zugesteckt bekommen, dessen § 1 lautet in etwa, daß man Puppe sein muß, um in den Genuß der Puppenparagraphen zu kommen. Tja. Glück gehabt: Verfahren mangels Puppenhaftigkeit eingestellt.

Schmalfilmfest im Riesa efau

Offizielle Mütze mit Aufnäher

Früher war ich mal berühmt: Da kam das Riesa efau – ein Riesenladen mit Kneipe, Kino und umeinanderwimmelnden Künstlern aller Gewerke usw. an und sagte „mach doch ma en Witzbild zum Thema Verschollen, weil das Thema vom Schmalfilmfest heißt „Verschollen…“. Ich hab dann das Männel gemalt – die haben es genommen, und mürrische Nonnen haben das auf Mützen gestickt. Zur Belohnung durfte ich sogar so eine Mütze behalten und kostenlos die Veranstaltungen besuchen.