Archiv für den Monat: November 2019

Das Duell mit der Großmeisterin

damengambit

Nachdem Karl Gong von seiner Unangetrauten, die sich vorher vergewisserte, dass er nicht heimlich in die Feinheiten des Damengambits zu dringen versucht hatte, zum Schachspiel gezwungen, unter Verlust nur eines Bauern die Eröffnung überstanden und tatsächlich auf einen Fehler der Holden hin deren weißen Läufer erbeutet hatte, was in ihm ein hämisches Gefühl erzeugte, dessen er sich ein wenig schämte, ging er forsch zum Angriff auf die Dame seiner Dame über, die sich frech vor die Deckung gewagt hatte, um ihn feixend matt zu setzen, und nach einem kleinen Kuddelmuddel warf sie mit ihrem König nach ihm, den Stuhl und den Kopf mit dem wallenden Haar nach hinten und verkündete, dass es dann wohl heute für ihn kein Abendessen geben würde, denn er müsste sowieso noch den Stall ausmisten und die Kaffeemaschine für die Reiterinnen auseinandernehmen und zusammensetzen und überhaupt sieht das Grundstück aus wie Mist, woraufhin Karl Gong für eine Stunde das Weite suchte, hinter dem Heuschober still triumphierend Däumchen drehte und wartete, dass die Großmeisterin ihn mit Schnitzeldampf und dem Angebot einer einstweiligen Versöhnung wieder ins Haus locken würde.

Das schlampig-hellbläue Sonett

fettbemme

Bier und Bemme: Großer Spaß,
wenn auch angeschnitten.
Kein Vergleich: Kantinenfraß,
in den Napf geglitten.

Halbes Bier in einem Zug,
zweites bringt das Fräulein
ungefragt und wie im Flug.
Leben kann hellbläu sein,

hellbläu wie der Himmel weit,
hellbläu wie das Schwärmen,
hellbläu wie die Herrlichkeit,

hellbläu wie das Wärmen
am Kamin der Zärtlichkeit.
Ersäufen wir das Härmen!

Vom Finanzamt

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Der Briefkasten – Last und Lust seines Besitzers

Der kleine Herr Schönleben wurde anlässlich eines Besuches bei seiner Freundin auf das Kanapee gebeten, um fernzusehen. Still und aufmerksam ließ er den unglaublichen Murks, den sie euphorisch konsumierte, über sich ergehen und vergaß sofort, was er eben geschaut hatte. Nur eine beim fortwährenden Umschalten aufgeschnappte Warnung vor dem harten Durchgreifen des Finanzamtes gegen Steuerbetrüger, die die Freundin mit einem verächtlichen Ausstoßen von Luft kommentierte, blieb schließlich in seiner Erinnerung.

Von da an hegte der kleine Herr Schönleben eine beträchtliche Furcht vor dem Wirken des Finanzamtes. Täglich mehrmals lief er zum Briefkasten, um zu sehen, ob die Behörde es mittlerweile auch auf ihn abgesehen hätte. Erst nach mehreren Wochen wurden die Befürchtungen eines staatlichen Zugriffs auf seine Ersparnisse, von denen er nicht mehr wusste, wie er an sie gelangt war, überdeckt von den sonstigen Zumutungen seines Alltags. Schließlich vergaß er auch noch, solange dieser nicht überquoll, wo sich sein Briefkasten befand, und das waren einige der schönsten Tage seines Lebens.

Ein Froschteich

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Biologische Lurchteichanlage Grundstück Gong

Karl Gong, dem die Unangetraute unaufhörlich in den Ohren lag, um Terraforming-Aktivitäten in Gang zu setzen, denn ein großes Grundstück verpflichtet zur Refinanzierung, und die irgendwann Geld verdienenden Pferde verpflichten zur Bereitstellung von Auslauf, Stallungen, Pferdeanhängern und Hafer, und die sich mittlerweile auf dem Hof tummelnden, Geld einbringenden Reiterinnen verpflichten zu einer teuren Kaputtschinomaschine, Zerstreuung, WLAN, Duschen und Umkleidekabinen, und die aufgrund der naturnahen Verwahrlosung des Grundstücks eingewanderten Lurche verpflichten zum Ausgraben einer artgerechten Teichlandschaft, — Karl Gong also nahm Spaten, Hacke und Wasserwaage in die Hand, denn in seinem Universum genossen die unschuldig quakenden Frösche allerhöchste Priorität, selbst vor der Unangetrauten, außerdem ließ ihn auch seine widersprüchliche Sympathie zu Störchen zunächst den Lurchteich ausheben, das Erdreich verteilen, die Böschungen bepflanzen und einen Badesteg einbauen, bevor er sich den Stallungen für die Reiterinnen und dem Prosecco für die Gäule widmete und feststellte, dass er nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf steht.

Der See

see

Der See ist mit dem Meer
durch einen Stich verbunden.
Ein echtes Nadelöhr.
Ich brauch vierhundert Stunden
nach Hamburg mit der Yacht.
Der Schleusenwärter lacht.

In eigener Sache

Heute vor 15 Jahren erschien der erste Beitrag der Gazeta Lipsigoroda. Mittlerweile sind es um die 3200. Professionelle Industriepoeten würden diese Kennzahlen in der heutigen kurzlebigen Medienwelt mit ihren hoffnungsvoll aufschießenden und verglühenden Blocks zu einer Erfolgsgeschichte hochjubeln, wenn es denn Leser der Gazeta gäbe. Einer meldet sich immer wieder einmal, ihm gebührt herzlicher Dank für Treue und Zuspruch.

Es ging dem Autor allerdings immer nur darum, etwas loszuwerden, Ideen zu kitzeln, selbst Spaß zu haben und den Leserinnen Freude mit „lustigem Humor“ (Zitat Herr Willy) zu machen. Gäbe es Lipsigrad nicht, gäbe es keinen Grund, in Bildern zu kramen und sich dazu Geschichten auszudenken. Der Autor würde es verlernen und muss es also darum üben und ausüben. Im Grunde ein egoistischer Anspruch, weshalb Interaktion in Form von Comments, Likes, Dislikes, schlichtweg Community-Gebaren, abgelehnt wird.

Zwei Mitstreiter, denen Ehre und Wertschätzung für ihre Beiträge gebührt, strichen wegen mangelnder Resonanz auf die Mühen des Frohsinns die Segel; ihre Beiträge bleiben bestehen, solange der Server läuft. Herr Willy als einer der beiden Initiatoren ist auf dem Wege, wohin? Herr Jürgen pflegt mit dem Autor die Kunst des Minderheiten-Kinogangs mit Getränken.

Größter und herzlichster Dank gilt den uneigennützigen Technischen Ermöglichern des Ganzen: Peter N. & JU & Zucker. Vor ihnen beugt der Autor das Haupt und geht auf die Knie — Danke! Danke! Danke! Zunächst installiert wurde in Lipsigorod ein handgemachtes Autorensystem, später, in Lipsigrad, eine fette ausländische Blockmaschine. Auch wenn der Autor selber „was mit Computern“ macht, bleibt die Ehrfurcht vor den wirklich Wissenden immens.

Wird es weitergehen? Ja. Ohne Geld und ohne Werbung und ohne Kommentar. Mindestens noch fünf Jahre. Tag für Tag. Täglich neu. Wenn nichts dazwischen kommt bis zum Zwanzigsten.

Weiterhin viel Spaß beim Kucken.

Herr Nu

dazu der Problembär, Adolf Nitzsche (Getränkehändler in Machern, man muß nur machern), Karl Gong nebst Unangetrauter, Oma Steckwurst, Gisella Quarterbeck, der blinde Herr Schrudel, Gofthe (Maler), Klempner Patzschke aus der Rhön und der kleine Herr Schönleben.

Die Zähne und der Müll

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Am Waschbecken kann man prima Zähne putzen

Der kleine Herr Schönleben erinnerte sich eines Tages staunend, dass sein Zahnarzt ihn angewiesen hatte, zweimal täglich die Zähne zu putzen. Er strebte dem Waschbecken zu, suchte Zahnbürste und Zahncreme aus verschiedenen Kommoden zusammen und betrachtete sich lange und aufmerksam im Spiegel, ohne seinem Blick ausweichen zu müssen. Dann wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich vom unten auf der Straße rumorenden Müllwagen in Anspruch genommen, er vergaß seine Zähne und lief aufgeregt durch die Wohnung, um die verschiedenen Mülleimer einzusammeln und nach unten zur Tonne zu bringen. Zu spät natürlich, leer und stinkend nahm die Tonne die vergammelten Produkte in Empfang, aber ein schlechter Plan ist immer noch besser als gar kein Plan, wie es so schön unter Schachweltmeistern heißt.

Irgendwann brach überraschend die Nacht herein, die Stadt legte sich schlafen, und der kleine Herr Schönleben stand ihr in nichts nach.

Ineffizienter Lebensweg

lebensweg
Beispielfoto: Lebensweg

Mein Weg führt nicht von A
gerad nach Omega.
Ich wandele verschlungen,
die Planung ungelungen.

Ich kenn mich gar nicht aus.
So wie die Fledermaus
schieß ich nach unten, oben,
die Brauen stets gehoben,

nach links und wieder links.
Ich glaube fast, ich brings
auf mindest! doppelte Distanz,
und wenn du lachst, ist mir das ganz

schnuppe,
Puppe.

Das kleine Lied von den Alternativen

windradabend

Das Braunkohleloch unsichtbar hinter Dämmen.
Das Endlager hinter dem fernen Ural.
Das ölige Meer unter schwarzen Schlämmen.
Fein-fein. Nur das Windrad erzeugt in mir Qual.

Wo der Strom herkommt, will ich nicht sehen.
Ich will auch nichts hören. Ich bin ein Ästhet.
Das muss doch geräuschlos und unsichtbar gehen.
Zum mindesten da, wo mein Reihenhaus steht.