Archiv für den Monat: März 2019

Übärfahrt

uebaerfahrt

Nach England geht es heute!
Problembär wittert Beute.
Das Pfund ist abgeschmiert.
Die Gläser sind poliert.
Sechs Bier und man wird heiter.
Die Freundschaft lebe weiter
von Inselvolk und Kraut!
Acht Bier und man wird laut.
Zehn Bier, man will ins Bett.
Bis morgen. Heut wars nett.

Vom Pop

tourbus

Karl Gong, der bekannte Guitarrist, saß seinem Manager Sven-Niels P. gegenüber, von dem er gerade gehört hatte, dass seine Demobänder zu nichts taugten, als sich möglicherweise die Knöchel damit zu bandagieren, und überlegte, welche der hochwertigen Guitarrensaiten, die er stets für Notfälle mit sich führte, am besten zum Erwürgen des P. geeignet wäre, wahrscheinlich E, denn P. hatte einen dicken Hals.

„Karl“, sagte P., der fälschlicherweise vom Fortbestehen einer harmonischen Beziehung zwischen ihnen beiden ausging, „Karl, bei deinen neuen Stücken kriege ich einen dicken Hals. Schreib doch mal was flottes, lebensbejahendes, nicht immer dieses deprimierte Gegreine, das hält ja kein Mensch aus, da möchte man sich ja an der E-Saite aufhängen.“

Karl Gong seufzte, sah von seinem Vorhaben ab, denn es wäre ihm nun wie ein Plagiat der Idee des P. vorgekommen, und nichts verabscheute er so wie Plagiate; er schlich zum klapprigen Tourbus, in dem er mittlerweile zu wohnen gezwungen war, und schrieb einen deprimierten Song, den er die halbe Nacht lang greinend einübte.

Die Kreuzfahrt

hafen
Die Häfen der Welt sind verstopft von Kreuzfahrtschiffen (Beispielfoto)

Karl Gong, ein bekannter Reisender, der das Kreuzfahrtwesen zutiefst verabscheute und bei jeder sich bietenden Gelegenheit dagegen polemisierte, ohne je selbst auf einem Schiff größer als die „Wilhelm Pieck“ gefahren zu sein, wurde von seiner Lebensgefährtin unter Androhung des Beziehungsendes dazu genötigt, eine solche Kreuzfahrt „entweder zum Nordpol oder Südpol, Hauptsache nicht nach Osten“ zu vollziehen, wobei er auf seine bange Frage, ob „das Boot wirklich nicht auf der Leninwerft zusammengenietet“ worden wäre, im Reisebüro keine befriedigende Antwort erhielt.

Nachdem Gong schließlich Monate später die zwei Koffer über die Gangway ins Innere des Schiffes gerollt und man ihm und der Holden das überraschend enge Zimmer zugewiesen hatte, das ständigen körperlichen Kontakt unumgänglich machte, was ihn freute und die Holde zu einer Beschwerde beim Bootsmann veranlasste, beschloss er, sich widerstandslos den angebotenen Vergnügungen des Ortes hinzugeben; er fraß zuviel und sprach ebenso unmäßig dem Alkohol zu, lungerte bei den Damen am Pool herum, brachte den Kapitän mit nautischen Fragen sowie seinen Vermutungen über die Navigation nach dem Sternenhimmel zur Verzweiflung und freute sich am herrlich binären Kontrast vom umgebenden Schnee auf den Eisschollen einerseits und dem das Schiff entquellenden Ruß andererseits.

Das ständige sanfte Schlingern des Kahns erzeugte dabei im Gong ein wattiges Taubheitsgefühl, eine willenlose Eingesponnenheit, ein glückliches Delirium, das selbst bei den ungeliebten Landgängen nicht verschwand und ihn, der diesen Zustand durchaus als angenehm betörend empfand, sollte er über längere Zeit fortdauern, positiv gestimmt in die Zukunft blicken ließ.

Der Kleine Präsident

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Zweimal täglich wurde der Kleine Präsident in der Staatskalesche durch die nach ihm benannte Gasse transportiert, morgens zum Schloss und abends zurück in seine Wohnküche. Und immer ärgerte er sich, dass das Straßenschild so hoch angebracht war, dass er es kaum lesen konnte. Selbst hochgewachsene Bürger mussten ihre Hälse recken, um den Straßennamen zu entziffern, aber sie taten es sowieso nicht, denn das Lesen überhaupt war mittlerweile aus der Mode gekommen.

So blieb der Kleine Präsident weitgehend unbekannt im Land, er spielte lediglich in diversen Verschwörungstheorien eine Rolle. Der Große Präsident indes suhlte sich nicht nur in seiner Allmacht, sondern auch mit seinen Mätressen im überdimensionierten Schlammbad der Präsidentensuite, ließ sich Cocktails aus überteuertem Hipstergin zubereiten und überzog das Land unschuldig lächelnd mit widerwärtigen Intrigen. Die Manipulation der Straßenschilder war davon eine der harmloseren.

Mintgrün und dunkellila

wasserball
Wasserball kann man überall spielen, wo es Wasser gibt

Karl Gong, der die emotionale Zugehörigkeit zu seinem Wasserballclub des Herzens auch außerhalb der Spieltage mit einem von der Holden gehäkelten Schal in den seltsamen Vereinsfarben mintgrün und dunkellila dokumentierte, geriet in eine Lebenskrise, als genau diese Farben für eine Saison von der Modeindustrie als unbedingtes Muss ausgerufen worden waren und er somit unfreiwillig als Hipster und bemitleidenswertes Opfer des indoktrinierten schlechten Geschmacks angesehen wurde, denn außer ihm trug niemand in der Stadt den Vereinsschal, weil niemand außer Gong und den Spielern und Funktionären selbst den Verein überhaupt kannte, wodurch auch die Legitimation des Outfits durch erzwungene Gruppenzugehörigkeit entfiel.

Jedoch, jede Krise hat ihren Höhepunkt, bevor sie dem Ende entgegen siecht, und also konnte auch Gong, nachdem alle Modestücke der schlimmen Phase verramscht und von weniger vermögenden Gesellschaftsschichten aufgetragen oder in den hinteren Bereichen der Damenkleiderschränke zu Löchern zerfallen waren, wieder unbehelligt mit seinem Schal durch die Straßen ziehen, lauthals die Hymne des Wasserballclubs grölend („Wir gehen niemals unter, höchstens kurz!“) und mit einem Wasserball (Größe 5) in die Pfützen titschend.

Die Holde sah es mit Wohlgefallen, wurde doch ihr Geschenk in Ehren gehalten durch alle Fährnisse.

Aus der Welt der Chirurgie

Heute nacht hatte ich zwei Operationen an offenen Herzen auszuführen. Irgend etwas war mit den Herzklappen, ich wusste zwar nicht genau, was zu tun war, aber das Vertrauen in meine Fähigkeiten war ungebrochen, also nahm ich den Föhn, der mir für den Eingriff das geeignetste Werkzeug zu sein schien, und föhnte so lange in das Herz hinein, wie mir angeraten erschien. Alles verlief zufriedenstellend, das Herz schlug ohne die geringste Beanstandung, ich nahm diverse Glückwünsche entgegen; den Patienten oder die Patientin allerdings bekam ich nicht zu Gesicht, da ich dringend fort musste. Später wurde mir noch ein zweites Herz mit einem ähnlichen Schaden hingestellt, den ich beheben sollte, allerdings fand ich den Föhn nicht mehr und musste mit einer Art Bunsenbrenner vorliebnehmen. Viel zu spät wurde mir bewusst, dass die erzeugten Temperaturen etwas zu hoch sein könnten, denn normalerweise arbeitete ich ja mit einem Föhn, schon begann es, angebrannt zu riechen; das schlechte Gewissen, Schamgefühle und die Angst vor Konsequenzen trieben mich dazu, so schnell wie möglich den Operationssaal zu verlassen und mich anderen Beschäftigungen zu widmen.

Die Materialisierung des Willens und ihre Negation

anleger

„Dies hier, Sohn“, deklamierte Karl Gong stolz, die Arme ausbreitend, „habe ich geschaffen. Mit meiner Hände Arbeit, mit meinem Hirn und mit unvorstellbarer Willenskraft, gegen alle Widerstände. Ist es nicht großartig, etwas geleistet zu haben, das sich materialisiert hat, ein Plan, der Wirklichkeit geworden ist zu unser aller Wohl und Frommen?“

„Nein“, sagte der Sohn und fing sich eine Backpfeife ein.

Der Verweis

Karl Gong, von seiner damaligen Lebensgefährtin barsch zum Einkauf befohlen, betrachtete, während er zwischen kurzen, dicken Menschen in der Schlange des Fleisch und Wurst Werkverkaufs wartete, eine Familie, die an einem Tisch vor mehreren Tellern saß und gierig Fleisch und Wurst verzehrte, was ihn so verstörte, dass er, endlich am Tresen befragt, was er denn wolle, „Nur etwas Obst, bitte“ stammelte, woraufhin er des Werkverkaufs verwiesen wurde.