Archiv für den Monat: Dezember 2021

Ahoi

Dahin, wo die meisten sind.

Nun ist es doch soweit,
das Ende meiner Zeit.
Der Herrgott will mich haben
bei seinen Engelsknaben.

Er klemmt mich untern Arm,
dort ist es weich und warm.
Er will mich überzeugen,
soll seinem Wunsch mich beugen.

Wir steigen in die Höh,
ich sage: „Du, och nö,
was soll denn unten werden,
ganz ohne mich auf Erden?“

„Die kommen dann schon klar,
so wie es vor dir war.
Du kannst, um es zu sehen,
täglich am Fenster stehen

im oberen Geschoss
von meinem Himmelsschloss.“
„Ich mag das doch gern missen,
es klingt mir recht beschissen.“

„Du gehst jetzt zum Empfang!
Hörst du der Gläser Klang?
Erst kriegst du deine Pappe
und dann hältst du die Klappe.“

Ein Whisky wird gebracht.
In Lipsigrad ist Nacht.
Ich seh die Lichter blinken
und weiß euch zu mir winken.

Ahoi.

Ringelnatter usw.

Auf den Wellen Bootsgeknatter.
Auf dem Strand die Ringelnatter.
Auf dem Handy plärren Bilder.
Auf den Wegen stehen Schilder:
„Ist verboten!“ Ja ja ja.
Morgen bin ich nicht mehr da,
kehr zurück ins Binnenland. 
Wer trägt die Nattern dann vom Strand?

Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

Ich hatte es satt, von den Lachmöwen verspottet zu werden, während ich mich mit dem Kajak abmühte, auf dem Weg zur Verschwiegenen Bucht bzw. zur Schwatzhaften Getränkeoase voranzukommen. Das penetrante Seegeflügel umschwirrte mich, lauerte wohl auch auf Fischabfälle, verklappte hin und wieder nach Achtern seine Verdauungsprodukte, und ich hatte mangels technischer Ausrüstung und Kondition keine Chance, dem Treiben zu entkommen. Da traf es sich gut, dass neuerdings Weihnachten vor der Tür stand und ich einen Wunsch offen hatte. Die Familie legte zusammen, Onkel Schorsch half bei der Montage, und schon morgen früh geht es auf den See. Selbst für Eisgang wurde vorgesorgt, der Bug ist befestigt mit einer Panzerstahlschnittkante, die Galionsfigur streckt den Busen in Fahrtrichtung, und die Sirene spielt bei Bedarf La Paloma.

Kleine Bildbeschreibung

Die Tschutkich-Methode lässt uns mit einem irritierten Staunen in der Betrachtung verharren. Ist der modisch frisierte Werktätige im Kraftfeld einer Verschwörungstheorie gefangen? Kann er sich selbst daraus befreien? Oder bedarf es der Mitwirkung der umstehenden Kollegen, die allerdings, mit Ausnahme der feschen Sachbearbeiterin, als vertrottelte, körperlich missgestaltete Individuen dargestellt sind. Deutet sich hier eine ideologische Position des Zeichners an, der (wohlweislich?) auf sein Signet verzichtete? Wird die Kollegin mit der aufwendig ondulierten Haarpracht dem versonnen schwebenden Querulanten (Q!) in den Kernspintomographen folgen? Eine Frage, über die nachzudenken der Betrachter zwischen den Jahren Gelegenheit haben wird (Betriebsruhe).

Kurzer Bericht

Wir warteten ewig auf den Kellner, um unsere Bestellung aufzugeben. Die feine Ironie, mit der wir vier Echte Schildkrötensuppen bestellten, bemerkte er nicht, so beschäftigt war er mit seiner Erschöpfung vom Abend zuvor. Also orderten wir noch vier Rumpsteaks, um das Preisleistungsverhältnis maximal auszureizen, doch auch diese Provokation nahm er völlig ungerührt zur Kenntnis. Ein Profi. Dass er uns schließlich zweimal Tatar, einmal Eiersalat und einmal Kaviar-Eier servierte, nachdem wir mit vier Soljankatellern vorlieb hatten nehmen müssen (die Schildkröten waren entflohen, zu schnell für den Koch), schoben wir auf die drei Stunden, die zwischen Bestellung und Auslieferung lagen. Aber wir hatten inzwischen so viel armenischen Wein intus, dass uns nichts aus der Ruhe bringen konnte und wir jede Zumutung mit einem glücklichen Lächeln quittierten.

2/2 Eier

Anfrage an Radio Jerewan: Ist es möglich, zu Gedeck III vorsorglich noch eine Suppe und eine Vorspeise zu ordern, für den Fall, dass ich nach dem Verzehr des Fruchtsalates noch ein gewisses Hungergefühl verspüre? Schließlich weiß ich ja nicht, wie groß hier die gereichten Karpfen und Rumpsteaks sind.

Antwort: Im Prinzip ja, aber die Russische Soljanka gibt es nur zusammen mit den 2/2 Eiern „Russische Art“.

Am Weihnachtsabend

Karl Gong, stets dem maximalen Wohlergehen seiner Unangetrauten verpflichtet, hatte, um dem ewigen Gleichmaß des Lebens, speziell über die traditionsbeladenen Weihnachtsfeiertage hinweg, etwas entgegenzusetzen, ein Zeichen, ein Erlebnis, unvergessliches, eine Überraschung, in der „Schnellen Ecke“ im Nachbardorf zwei Karten für das Weihnachtsabend-Event erworben, online natürlich, per Kreditkarte und Abstandsregel, ohne nähere Informationen, auch er würde sich gern überraschen lassen, was denn geboten würde, tanzende Weihnachtsmänner, tüllumschwebte Engelchen, ausgereichte Päckchen, die wahlweise, je nach Stammeszugehörigkeit, in handbemaltem Packpapier, Silberfolie oder phosphorezierendem 3D-Wrapper eingewickelt wären, ein glänzendes Fest stand an, so glaubte er, und war spätestens dann gelinde enttäuscht, als Frau Huhn, die Besitzerin der „schnellen Ecke“, die Abendkarte schwungvoll vor dem gerade noch wohlgestimmt-verliebten Paar abwarf und im selben Moment der einarmige Herr DJ Erwin Pacholski die erste Polonaise des Abends aus den Boxen jagte; die Holde bestellte geistesgegenwärtig vier Orangen und acht Portionen Gewürzgurken, womit das Umfassen der Schultern der Polonaisetänzer zumindest für die Zeit des Verspeisens aus Reinlichkeitsgründen verunmöglicht wurde, und danach würde man weitersehen, auf der Damentoilette oder anderswo.

Detektivroman, Anfang 1

Er wollte seine Ruhe haben. Der Auftrag würde warten können, und Hank (warum hieß der eigentlich Hank?) käme sowieso erst im nächsten Jahr von Hiddensee zurück. Allein würde Raymond (auch bekloppt, vielleicht Joseph?) garantiert nicht im Wagen sitzen und die sexuellen Eskapaden des Direktors dokumentieren, auch wenn ihm dessen peroxidierte Gattin mit einer größeren Geldsumme im Nacken saß. Sie hatte wohl einen guten Ehevertrag abgeschlossen, und soweit Raymond (Louis?) informiert war, ist ihre Familie die mit dem Geld. Der feine Herr Direktor ist ein Loser, hat sich ins gemachte Nest gesetzt und wird verstoßen werden, Aber von mir aus soll er noch ein letztes entspanntes Weihnachten haben, dachte Raymond (Joe?).

Weihnachten. Yeah. Was wirklich nicht auszuhalten ist, sind die Kneipen, in die man sich flüchtet, um Ruhe vor dem ganzen Zirkus zu haben, und die dann noch penetranter geschmückt sind als die Quartiere der Heilsarmee. Raymond (Russell?) biss die Zähne zusammen und drückte die Klinke nach unten. Ohrenbetäubend drang das Wehklagen Neil Youngs (Heart Of Gold?) an sein Ohr, und ein Lächeln umspielte seinen harten Mund. Vier Murphy’s Stout, Fish & Chips und ein Abend guten Schweigens lagen vor ihm.

Neu bei Nitzsche

Wir, A. Nitzsche, wohlmeinender und großzügiger Getränkehändler in Machern (man muss nur machern), verfügen hiermit für alle Kunden und Mitarbeiter eine nachsichtige, herzensvolle Weihnachtsruhe, um das Fest der Liebe in Frieden und in angemessenen Rauschzuständen absolvieren zu können. Der Aufruf zur Gewaltlosigkeit gilt insbesondere dem zur Zeit auf dem Kriegspfad zwischen den Hallen 7, 16 und 23 irrlichternden Hofarbeiter, welcher gebeten wird, den heißgelaufenen Gabelstapler abzustellen (am besten auf dem Nachbargrundstück), ehe er selbst in Flammen aufgeht. An dieser Stelle noch einmal die schriftliche Versicherung, dass tatsächlich eine reichliche Beschenkung stattfinden wird (wenn auch zähneknirschend) und Betriebsratstätigkeit dafür neuerdings kein Hindernis mehr darstellt (Hilfskräftemangel). Ende der Durchsage. Nitzsche, Chef

Das schlampige Sonett vom Hausschmuck

Ich liebe meine Pferde. 
Jawohl. Die ganze Herde. 
Und fällt mal eines um,
dann denk ich: „Schade drum!“

Ich warte eine Weile. 
Ich habe keine Eile.
Und fällt das nächste aus,
dann bau ich mir ein Haus 

mit einem teuren Dach.
Dann gibt es etwas Krach
von wegen Pietät. 

Wat kann ick denn dafür,
dat ick der Einzje hür,
der wat von Kunscht vasteht?

Der Schmerz der Wellen

Was wir auch alles wissen:
Es wird uns niemals reichen. 
Erkenntnis ist kein Kissen, 
zu dem wir müde schleichen. 

Wir forschen und erklären,
trotzdem bleibt vieles offen
und hübsch im Ungefähren.
Dies will ich auch gern hoffen 

und nicht als Thema küren
(von ungelösten Fragen):
dass Wellen Schmerzen spüren. 
Ich würd es nicht ertragen. 

Sie sollen haltlos rollen,
sich auf die Klippen stürzen,
beim Brechen böse grollen 
und meine Lippen würzen

mit feinsten Meeressalzen. 
An sturmumtosten Küsten
will ich die Zunge schnalzen.
Auch wenn wirs besser wüssten.

Vom Briefaustausch

Karl Gong, der die ganze Woche an einem Unterstand für den Fuhrpark der Unangetrauten gearbeitet hatte, dessen Ausmaße jegliche bis dato im Dorf und den umliegenden Ortschaften gekannten Dimensionen sprengten, sah sich bei der Heimkehr an den abendlich gedeckten Tisch, überraschenderweise weniger reichhaltig als aufgrund seiner Arbeitsleistungen zu erwarten gewesen wäre, mit einer eisern abweisenden Miene der Holden konfrontiert, welche sich schließlich schmerzhaft verzerrte beim Überreichen eines Zeitungsausschnitts, den sie infolge des Durchwühlens seiner Unterlagen auf der Suche nach der behördlichen Genehmigung für das aufzustellende Windrad (die Abstandsmaße waren seit dem letzten Grunderwerb gewährleistet) gefunden haben musste, und der dem Leser beim Eintritt in die „FORTUNA“-Brief-Gemeinschaft in der Leninstraße ein Einheiraten jeder Art versprach, ein Ansinnen, das die Unangetraute mit jeder Faser ihres wohlgestalteten Körpers zutiefst verabscheute und von dem sie eigentlich angenommen hatte, dass ihr ersehnter und eingefangener Lebenspartner es ebenso ablehnte, vor allem der bürgerlichen Verspießerung wegen, aber auch aufgrund der immensen Kosten, die mit einer standesgemäßen Hochzeitsfeier einhergehen würden, gerade jetzt, da Köche kaum mehr mit Gold aufzuwiegen und alle Gelder sowieso besser im Erwerb von Grund und Boden angelegt waren, was Karl Gong während ihres aufklärenden, quälend langen Monologes ohne Unterlass zu bestätigen sich verpflichtet fühlte, bis er schließlich einwerfen konnte, dass die Anzeige ein Erinnerungsstück an seine vor Zeiten per „FORTUNA“ verschweißten Eltern war, und er sozusagen das Ergebnis des Briefaustauschs, was die Holde mit einem zweifelnden Stirnrunzeln, endlich aber doch mit Erleichterung und der murrenden Zubereitung eines Rührei natur quittierte.