Archiv für den Monat: Juni 2006

Das angerundete Fenster


Mein Schloß hat als Schandfleck ein angerundetes Fenster.
Früher waren alle Fenster von meinem Schloß krätzig und räudig, aber es fiel nicht auf, denn die Zeiten waren so. Dann kam die Große Änderung, und die Tichler nahmen überhand, zogen von Haus zu Haus und bauten mit erstaunlicher Chuzpe Millionen neue Plastefenster in die Höhlungen. Für viel Geld und Leute, die gern mit Farbe rumkleckern, wurden auch Holzfenster bereitgestellt. Das angerundete Fenster aber, räudig und krätzig, lässt die frechen Tichler zurückweichen und Verwünschungen ausstoßen, und das ist ja auch schon mal was.

Früher auf meinem Schloß


Alles selber gemacht!
Früher habe ich auf meinem Schloß immer alles selber machen müssen, zum Beispiel das Dach teeren. Immer wenn die Dachpappe dünn, rissig oder faulig geworden war, habe ich mir den Flaschenzug von der LPG ausgeborgt, im Waschkessel Teer gekocht und das ganze Gelumpe oben auf dem Dach mit einer Art Besen verrieben, falls ich mich recht erinnere. Kann aber alles auch ganz anders gewesen sein.

Spinne am Abend

Wo ich wohne, gibt es, das habe ich gestern festgestellt, eine ziemlich fette Spinne auf dem Balkon, die ihr Netz am Geländer angebracht hat und aus einem Loch in diesem heraus die Fangvorrichtung beobachtet.

Eine Spinne in der Röhre

Gestern hatte sie Pech, denn das Netz war voller Pappelflusen, und so blöd sind die Fliegen nun auch wieder nicht, dass sie das Netz dann nicht sehen. Nachts hat die Spinne es dann gesäubert oder neu gebaut, weiß man ja nun als Gastgeber nicht so genau, hat man ja besseres zu tun als zuzugucken.

Herr Willy mit seinem eingebauten Wissensspeicher verkündete daraufhin, dass es sich offenbar um eine Röhrenspinne handelt, „die Schreckschraube unter den Spinnen: Normalerweise bauen Spinnen das Netz sowieso täglich neu – die essen es auf wie Zuckerwatte, wenn Morgentau dran ist, und sparen sich dadurch das Einkaufen von Getränken. Platz für die Flaschen ist eh keiner da und man kann sich die Rennerei wegen des Flaschenfants schenken – obwohl das mit 8 Beinen 4 mal so schnell ginge wie bei unsereinem.“

Aha. Und da er nicht nur weiß, was die Röhrenspinne trinkt, sondern auch, wie sie aussieht, hat er gleich eine schöne Illustration gefertigt.

Brillentrockner


SVK- DDR-Wissenschaftler-Brillengestell
Damit hat schon Prof. Dr. Dr. Dathe seine Brille getrocknet. Zumindest ist dieses SVK- DDR-Wissenschaftler-Brillengestell ein Hinweis darauf, wie lange dieses Kundendienstgerät schon da angebracht ist, wo es heute noch den Besuchern einer rätselhaften Einrichtung dient.

Und nun die Preisfrage: wo befindet sich dieses Gerät ?

Toleranzgenerator


Soll warscheinlich „One World“ erzeugen
Möglicherweise reicht der ganze Rock gegen Rechts nun doch nicht aus, so daß jetzt überall in Hinterwald Toleranzgeneratoren aufgestellt werden. Aus Tarnungsgründen geschickt mit Plakaten und Neustadtpatina verglibbert, sehen sie so aus, als stünden sie schon ewig da. In Höhe des Chi von Passanten angeordnete Sender schwächen die Chakras dahingehend, daß Vorurteile schon aus reiner Kraftlosigkeit nicht mehr möglich sind.

Nach dem Hagelschlag 1


Kurz nach der Verheerung war der Schock groß.
Die meisten Autoren brauchten beinahe eine Woche, um ihre ausgefeilte Sprache wiederzufinden respektive die Digitalfotos zu entwickeln. Nun liegen die ersten Bilder von der Katastrophe vor: Sie zeigen Fabrikhallen, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, zentimeterhohe weiße Hagelablagerungen (die Körner wie üblich in der Maßeinheit hühnereigroß) sowie Bäume ohne Blätter. In der nächsten Woche: Das Auto des Autors.

Friede den Lofts


Ein Solitär
Die Konversion von Industrie in Style, von Arbeiten in Wohnen (Leben), von Lärm in Loft schreitet auch in Lipsigorod voran. Abertausende Menschen, die über das nötige Kleingeld verfügen, moderne Lipsigrader Bildkunst zu erwerben, brauchen natürlich auch Platz, um diese Bildkunst aufzuhängen. Und da Öl nach Quadratmetern bezahlt wird, sind die Exponate nicht eben klein, man will ja keinesfalls als Knauser dastehen. Genug Platz für adäquate Hängung bieten dann nur noch alte Fabrikhallen. Mittlerweile aber gehen diese Immobilien langsam zur Neige, wegen der vielen Lipsigrader Bildkunst! Intelligente Immobilisten stoppten deshalb ihre Abrissarbeiten und nehmen interessante Objekte wie dieses in den Katalog auf. (Leider verfügt dieses Solitär über keinen Doppelauspuff.)

Begeisterte Begeisterung


Das Ereignis war in eine Phase eingetreten,
die Herrn Schrudel das Betreten des öffentlichen Raumes verleidete. Aber auch seine Stammschänke war von gröhlenden Begeisterten okkupiert, die das schöne Tschechenbier wegsoffen und vor Aufregung in ihre Funktionsunterwäsche furzten, wenn ein deutscher Spieler im Strafraum umhertappte. Schrudel beschloss, das „Ausscheiden der Mannschaft“ auf dem Balkon abzuwarten, denn es war Sommer. Große Mengen von Begeisterten indes fuhren lauthals hupend durch die Straßen, und die Vögel auf den Bäumen fühlten sich wie im Winterquartier im Süden.

[Das Bild ist von Willy.]

Bildwerke in Lipsigorod 1


Es ist an der Zeit, die Bildkunst in Lipsigorod zu würdigen.
Dies wird zwar von allen Seiten getan, aber während der gemeine Amerikaner (bzw. sein Agent) Galerien oder alte Fabrikhallen frequentiert, um teuerste Anschaffungen zu tätigen, bleibt die Malkunst der Straße in der Wahrnehmung des Marktes unterrepräsentiert. Der längst fälligen Anerkennung nachzuhelfen, ist bekanntlich unser Anspruch und unsere Passion. Fragen, wie viel das Abmontieren der Kunst von den Häusern und Brücken (meist dicke, ordentlich gemauerte Wandteile) sowie die Verschiffung nach Übersee kosten, können hier leider nicht beantwortet werden.

Geschützte Gebärde

Da jetzt dieses Ereignis ist, dessen Namen man angeblich nicht sagen darf, ohne abgemahnt zu werden, stellt sich die Frage, ob auch die Gebärde, die das Ereignis für Gehörlose bedeutet, rechtlich geschützt ist und ob man, als Hörender in ignoranter Unkenntnis der Gebärdensprache, ebenfalls in Handschellen den Organen übergeben wird, wenn man zufällig mit der Hand in einem bestimmten Winkel wackelt und das bedeutet dann das Ereignis, dessen Namen man nicht sagen darf? Dies nur mal so als Frage. Aber man kann ja auch zu Hause auf der Ottomane hocken bleiben die ganze Zeit, dann kriegt man keine Probleme (sagt man so).