Archiv für den Monat: Februar 2019

Von Gedichten

grabstein
Kein Gedicht (Beispielfoto)

Wehe, Pangasius,
geflügeltes Pferd
Was ist die Dichtkunst
denn heute noch wert?

Das Volk kauft Schwarten
von hunderten Seiten.
Über Geschmack lässt sich
wahrlich nicht streiten.

Die Welt um uns voll
von endlosem Schwafeln.
Gereimt? Wird noch brav
an Geburtstagstafeln,

Pegasus kommt als
gebratener Fisch
zu einer Ballade
frisch auf den Tisch,

Hochroten Kopfes
wird vorgelesen
Reim dich oder ich
fress einen Besen.

Fass dich und lese
kurz und prägnant.
Das hat man früher
Lyrik genannt.

Fazit eines Arbeitslebens

grille
Künstliche Intelligenz (Beispielfoto)

Karl Gong, der bekannte Büroarbeiter, brachte seine Tage mit Tätigkeiten herum, von denen er wusste, dass sie in wenigen Jahren von einer künstlichen Intelligenz erledigt werden würden, die nicht einmal halb so intelligent zu sein bräuchte wie er selbst. Genau genommen würde nicht einmal eine künstliche Intelligenz vonnöten sein; eine künstliche Trottellumme, ein künstliches Huhn oder ein künstlicher Hamster wären völlig ausreichend.

Mit diesem Wissen und der Ahnung, dass das Füllhorn seiner beruflichen Verheißungen mittlerweile ausgespien war, beschloss Karl Gong, sich in sein Schicksal zu begeben, und hoffte nur noch, dass der Tag der Übernahme durch die Trottellumme in etwa dem seines Renteneintritts entsprechen möge.

Das neue Früher-Heute-Gedicht

zwinger

Mahnend netzt barocken Stein
säuerlicher Tropfen.
Auf Terrassen weder Wein,
noch der brave Hopfen,

keine Hirsche und kein Huhn
auf umzäuntem Rasen.
Früher sah man Mägde tun,
die das Korn auflasen,

auf dem Kopf ein schöner Hut.
Heute nur Touristen,
die der Bürger fragen tut:
„Freindchen, wouher bisten?“

Endlich

sand

Nach den wiederholten ungerechtfertigten Anwürfen gegen die Braunkohleindustrie versucht diese sich nun endlich ein helleres, lichteres Antlitz zuzulegen. Ob der Sand auch brennt, ist uninteressant, solange der Steiger kommt bzw. bleibt.

Konfliktthema Frisur

Frisur
Höhepunkte eines Landgangs (Beispielfoto)

Oma Steckwurst, die gerade auf einer Kreuzfahrt zu den Lofoten weilte (oder irgendwoanders hin, denn eigentlich spielt die Destination sowieso keine Rolle, sondern nur, ob man die richtigen Klamotten für das Captain’s Dinner dabei hat), wurde während eines leichtsinnig gebuchten, kostenpflichtigen Landgangs, der mangels Sehenswürdigkeiten nicht weiter führte als bis zu den Liegeplätzen der stinkenden Fischkutter, daran erinnert, dass sie ihren Friseurtermin (Waschen, Färben, Sortieren) vergessen hatte neu zu terminieren, denn die Kreuzfahrt war ein überraschendes Geschenk vom Makler ihres Vertrauens gewesen, das sie diesem nun zu entziehen gezwungen war.

Soll der sich doch eine andere Schrottimmobilie suchen, die er überteuert verhökern kann!

Dieser Beitrag könnte „Damengambit“ heißen

schach

Sehnsüchtig stand Karl Gong vor dem Schaufenster des Schachclubs, dem er einst angehörte, aus dem er aber entfernt worden war, weil er gegen den Vorsitzenden eine Rochade auf dem Damenflügel vollzogen hatte, die, ordnungsgemäß protokolliert vom Schriftführer, zu erotischen Verwerfungen irritierender Art führte und also das stille und konzentrierte Nachsinnen über Indisch-Nimzowitsch oder Petrosjan gegen Botwinnik im Vereinsheim unmöglich machte.

Der Schachclub hatte sich daraufhin in zwei Fraktionen geteilt: Einerseits diejenigen Mitglieder, die das Verhalten des Gong moralisch verwerflich fanden, aber an seiner Stelle genauso gehandelt hätten, andererseits jene, die dem Vorsitzenden von jeher die Pest an den Hals wünschten, da er sie mit immer neuen, bösartigen Varianten von Abzugsschach quälte und sich aussichtslosen Situationen in der Regel mit hinterhältigem Patt zu entziehen vermochte. Trotzdem konnte der Vorsitzende sich die Unterstützung der grübelnden Mehrheit sichern und sein despotisches Regime fortführen, denn schwerer noch als das Berühren der besagten Dame durch Gong wog die Tatsache, dass er sie dann doch nicht führte, wohin auch immer. Und das ist unter Schachfreunden nun tatsächlich ein No-Go (Wortspiel).

Verstörung und Abschied

terrassen

Karl Gong, der die verstörendsten Knospungen seines Liebeslebens nach eigener Aussage dem deutschen Weinbau verdankte, erwarb für eine Weile nur noch Sechserträger mit verschiedenen „Kraftbieren“ (Gong) zum Zwecke der Beziehungsanbahnung, jedoch fanden diese vor allem wegen der von ihm bevorzugten „sexistischen Etiketten“, wie eine Zielperson beim Aufhebeln der Flaschen am Küchentisch reklamierte, weniger Anklang als, zum Beispiel, ein gepflegter Roter aus Jessen/Elster, und das Scheitern einer Beziehung, so Gong, ist ja zumindest schöner als das komplette Ausbleiben einer solchen, weshalb auch in diesem Jahr wieder ein Ausflug an den Kaiserstuhl auf dem Einkaufszettel steht.

Im Überschwang

vodka

Wohlsein! Prost! Das Wässerchen im Glas
perlt nur schüchtern, doch verheißt es Spaß.
Und die goldnen Sternlein am Pullunder
blinken hell und wild wie frischer Zunder.
Wär grad Frühling, rollten wir durchs Gras
oder flögen durch das Wasser wie die Flunder.
Auf der Welt bin ich, es ist ein Wunder!
Darauf lass uns trinken ohne Maß!

SiKE

sike

Ich lernte einst das Reisen von der Pike:
Zu Fuß, auf Velo, Kutsche, Ross.
Nie hörte ich von einem Fahrzeug „SiKE“.
So wandte ich mich an den Bahnhofsboss.

Der sieht mich an, entfernt bald seine Brille,
und, während er an dieser putzt und wischt:
„Mein Lieber, hörst du nicht die Stille?
Es hat geschneit. Hier fährt heut niemals nischt.“

Zur Kur

lokomotivbau

Karl Gong, der zur Kur in einer dieser bemitleidenswerten Kleinstädte In The Middle Of Nowhere weilte, um seinen Blutdruck unter die Schwelle absenken zu lernen, oberhalb derer er für seine Mitmenschen gefährlich sein könnte (Explosionsgefahr), wäre beinahe von der dampfbetriebenen Straßenbahn des Ortes überfahren wurde, weil es in seinen Ohren so sehr rauschte, und in einer ersten Aufwallung wollte er schon, fäusteschwingend und übermäßig alles mögliche durch seinen Körper pumpend, über den Heizer herfallen, der lässig aus dem Seitenfenster hing und einen Stumpen Dominikanische im Mundwinkel balancierte, da erblickte er die massive VEB-Plakette an der Lok, und Tränen schossen aus seinen Augen (Druck), denn genau diese Plaketten hatte sein Onkel Heinz-Jürgen in Babelsberg „aus dem Stück gefeilt“, geschliffen und schließlich mit Zahlenstempel und Hammer numeriert. 1953! In dem Jahr, in dem die Westzonen ein Gesetz erlassen mussten, das den Zustrom ihrer frustrierten Bürger zur Fremdenlegion eindämmen sollte, hatte sein Onkel Heinz-Jürgen seinen Beitrag zum friedlichen Aufbauwerk geleistet, bevor er auf der Parteischule lernte, dass es noch viel geilere Dinge gibt, als Plaketten zu feilen, was aber, wie wir heute wissen, nicht stimmte. In Karl Gong jedenfalls stieg plötzlich eine große Ruhe und Gelassenheit auf, denn er spürte in diesem Moment den Atem der Geschichte, der ihn erfrischend abkühlte und lehrte, dass etwas bleibt vom Leben, unzerstörbar, ewig, wenigstens eine formschöne Plakette mit relevanten Informationen, und sein Blutdruck fiel unter die magische Marke, allerdings nur so lange, bis sich der erste PKW des Tages mit Arschkraft durch die bemitleidenswerte Kleinstadt drängte.