Archiv für den Monat: Oktober 2017

Zum Feiertag

kirchenschiff

Ein Schiff, unsinkbar augenscheinlich,
Mit hohem Bug und Brückenhaus.
Der Kapitän, so glaubt man, kleinlich.
Der Smutje peitscht den Moses aus,
Schon ehe der was hat verbrochen:
Die Disziplin muss eisern stehn!
Sie fährt mit Liebe in die Knochen.
Der Kapitän hat’s nicht gesehn.

Oktober, deine Pracht

tor

Oktober, deine Pracht,
Vergeht nun endlich auch!
Karl Gong sitzt da und lacht,
Hält sich den dicken Bauch.
Schnell abwärts soll es gehen
Mit Wärme, Farbe, Licht,
Dann werdet ihr schon sehen!
Nee, sag ich, glaub ich nicht.

Ich sehe ziemlich schlecht,
Und eigentlich nur halb.
Steht vor mir mal ein Specht,
Denk ich, es ist ein Kalb.
Ich denke des Oktober:
Hab ihn ja kaum erkannt
In seiner Pracht! Herr Ober!
Reich er mir einen Brannt!

Der eine spielt verrückt,
Wenn sich das Jahr grau neigt.
Karl Gong erscheint beglückt,
Weil sich das Ende zeigt.
Wir stoßen auf den wehen
November klirrend an.
Soll kommen und soll gehen
Auch wieder irgendwann.

Singstück in drei Sätzen

spatzenfenster

Laut schallt des Vogels Sang.
Oh lieblich ist der Klang!
Dies war der erste Satz.
Ich rutsche auf dem Platz.

Der zweite Satz beginnt.
Wie zäh die Zeit verrinnt.
So schöne Melodie
Vernahm ich vorher nie.

Das Krächzen nun final:
Stumm zitternd sitzt der Saal.
Vollbracht der dritte Satz.
Applaus, adieu, Herr Spatz.

Er sitzt und tschiept und tschilpt.
Mein Ticket ist vergilbt
Vom Angstschweiß und mein Herz
Springt stotternd Terz um Terz.

Wer hat hier ungefragt
Laut „Zugabe“ gesagt?
Ach, Sie warns, Fräulein Spatz?
Dann eben vierter Satz.

Regenbogen und Geisteswissenschaft

regenbogenstrasse

In rasender Fahrt durch die Landschaften, die diese Bezeichnung selten verdienten, schien doch immer wieder ein Licht durch den nie enden wollenden Regen überraschend dem Gong, Karl auf die Nase, so dass sie juckte; und die leichtsinnig vom Designer angebrachte Krümmung der Fahrzeugtür harmonierte aufs trefflichste mit der Krümmung des rätselhaft erzeugten Regenbogens (Karl Gong hatte NIE in Physik aufgepasst, weil er schon immer Geisteswissenschaftler werden wollte und somit die Naturwissenschaften als lässliches Übel ansah).

Wäre ich Bauer geworden, könnte ich das Ding gar nicht sehen, weil ich mit der Nase nach unten durch die Kartoffeln kriechen müsste, dachte sich Karl Gong zufrieden im röhrenden Dahingleiten; aber bitte: Welcher Bauer kriecht denn heutzutage noch durch die Kartoffeln?, und insofern muss man auch Gongs Eignung zum Geisteswissenschaftler stark in Zweifel ziehen.

Vom missverständlichen Hass

„Ich habe das ganze Haus gesaugt“, sprach Karl Gong, den heißgelaufenen Staubsauger in der Hand, aufgebracht zu seiner Gattin, und es klang, so gepresst hervorgestoßen, wie „Hass gesaugt“.

Die Gattin musterte ihn kühl von oben nach unten und retour, drehte dann ihre Augen in Richtung Decke und zog dabei elegant die hohen Schuhe an, die Karl Gong EXTRA jeden Tag putzen musste, auch wenn sie gar nicht in Gebrauch waren, wegen des Glanzes.

„Wer Hass saugt, wird Liebe ernten“, versetzte sie schließlich nach einiger Überlegung, während sie schon federnd davoneilte in Richtung Pediküranstalt, in halber Drehung apart eine Kusshand nach Karl Gong werfend, die dieser jedoch nicht mehr sehen konnte, wegen des Türrahmens, hinter dem sie verschwunden war.

„Jetzt nehme ich mir endlich den Hegel vor“, sprach Karl Gong, der Geisteswissenschaftler, leise zu sich, meinte aber eigentlich den angefangenen Whisky von der Fähre (steuerfrei).

Der Praxiteles-Test

praxiteles

Noch so ein Name, denkt sich Paul Kasel aus Golzig (Name geändert), der inzwischen von der Polykleitos-Plakette zur Praxiteles-Plakette weitergerückt ist, und er kann nun doch nicht anders, das Rätsel bohrt in ihm, er macht den Praxiteles-Test, er befragt die Volontärinnen im Telefon, wer oder was der Knabe auf der Plakette (Praxiteles) war, auch ohne WLAN, das kostet!, und siehe da, interessant, er blickt sich triumphierend um, denn er weiß, er ist im Augenblick (und für mehrere Tage, Wochen, Monate?) der einzige, der nach oben gesehen hat, geschweige denn etwas über diesen Praxiteles sagen könnte.

Ob die Volontärinnen allerdings korrekte Informationen bereitstellten, bleibt zu prüfen und ist eigentlich zweitrangig.

Polykleitos (Nachruhm)

polykleitos

Was nützt der Nachruhm als Name an einem Gebäude, so schön es auch ist, denkt Paul Kasel aus Golzig (Name geändert), wenn doch keiner weiß, was da steht, also wer, und mancher denkt sich vielleicht, da sollte wohl Polyklinik stehen, ist nur falsch geschrieben, und die Wiki-Volontärinnen im Telefon befragt man doch nur, wenn WLAN ist, und auch dann nicht, denn es müssen so viele Videos angesehen werden, und dann ist das WLAN aus oder gesperrt oder die Kraftwerke für das Internet sagen, für so einen Scheiß braucht doch kein Mensch dieses Internet, und man weiß nicht, ob die Kraftwerke die Videos oder Polykleitos meinen.

Wenn er derart unausgereifte und schwammige Gedanken in Paul Kasel aus Golzig (Name geändert) hervorruft, kann man auf den Nachruhm getrost verzichten.

Schnecken

schnecke

„Findet die Kunst an meiner Haustür statt, muss ich nur früh zum Bäcker gehen, nicht ins Musäum“, sagte Karl Gong, der Kunstfreund, zu seiner Frau. „Das ist praktisch.“

„Aber nur, wenn die Kunst schön ist“, sagte seine Frau. „Hässliche Kunst sollen sie mal schön im Musäum lassen, die Hunde!“

„Jaja,“ sagte Karl Gong, „ist ja richtig“, und er war sich nicht sicher, ob er sich nun seiner Frau oder seinen Gedanken an die Kunst zuwenden sollte, woraufhin seine Frau, die das Zögern mit Hilfe ihrer extrem sensiblen weiblichen Fühler bemerkte, die Gelegenheit nutzte, in die Küche zu flüchten.

„Wir könnten doch mal wieder Schnecken backen, Frau, oder?“ rief ihr Karl Gong nach, aber seine Frau antwortete nicht.

Eilmeldung vom Präsidenten

natur
Natur (Beispielfoto)

Auf die überall mit (schnell vergessen sein werdender) Bestürzung aufgenommene Nachricht, dass der hiesige Bestand an Insekten dramatisch abgenommen hat, reagierte der Präsident oder Chef oder Vorsteher eines Bauernverbandes (eines industrienahen, christlich geprägten Bauernverbandes, der sich der Pflege des agrarischen Schöpfungsprozesses auf „herkömmliche“ Weise verschrieben hat) mit folgenden Feststellungen:

  • Die herkömmliche Landwirtschaft ist für das Insektensterben nicht verantwortlich.
  • Insektengift schadet Insekten nicht. Wenn es oft genug ausgebracht wird, tritt sicher eine gewisse Gewöhnung ein. Außerdem gibt es auch giftige Insekten.
  • Die exzessive Ausweitung der Ackerflächen wird durch Insekten dankbar angenommen, alles ist sehr ordentlich, und die Viecher sehen gleich, wo es nichts zu holen gibt (Nutzpflanzen mit eingebauter Letal-Erfahrung).
  • Insekten brauchen keine verwirrende Flora-Artenvielfalt, das macht sie nur nervös. Genauso wie die Bauern.
  • Das Überfliegen von unnützen, sinnlos plazierten Hochgräsern, Hecken und Baumgruppen strengt Insekten so sehr an, dass sie davon sterben können. Das Zeug muss also weg. Ein schöner, flacher, kilometerlanger Acker wird dankbar überflogen.
  • Vögel fressen Insekten, Bauern nicht.
  • Auch Igel fressen Insekten! Man sollte also erst einmal die Igel beseitigen.
  • Es muss dringend durch diverse mehrjährige Studien bewiesen werden, dass die herkömmliche Landwirtschaft den Insekten angeblich vielleicht schaden könnte, was aber natürlich nicht stimmt.
  • Bis die Studien fertig sind, machen wir alle weiter wie bisher, und danach auch. Irgendwelche blöden Kommentare zu den irrelevanten Studien werden uns schon einfallen.
  • Insekten vorn auf dem Auto sind extrem schädlich für den Lack. Gut, dass es nicht mehr so viele gibt.
  • Ich als Präsident werde im nächsten Jahr beim Rennen um die Goldene Hohlrübe ganz vorn mit dabei sein (obwohl die Zahl der Bewerber von Jahr zu Jahr buchstäblich explodiert) (was man von der Zahl der Insekten nicht behaupten kann) (Smiley vom Präsidenten).

Ural oder Die Geschichte vom Kirschbaum

rossia

„Der Kirschbaum muss raus“, sagte der ältere Herr, „der macht nur Dreck, und ich werde ja nicht jünger, und wer macht denn den Dreck weg, wenn ich keine Lust mehr dazu habe?“

Also ging der ältere Herr zur Maschinen-Traktoren-Station und lieh sich ein passendes Werkzeug aus (Foto), um den Kirschbaum aus der Erde zu rubben, denn das ist die Methode, die am wenigsten Dreck und Arbeit macht, Rausrubben, so stellte sich das der ältere Herr jedenfalls vor, das Ding gleich mit der Winde auf die Ladefläche drauf und irgendwo in die Botanik schmeißen, sollen sich doch die Grünen drum kümmern mit ihrem Fimmel, die haben es ja so mit Bäumen.

Es geschah.

In das Loch vom Kirschbaum kippte der ältere Herr den Inhalt der Restmülltonne (das spart Geld), und er ärgerte sich, dass er nicht noch ein bisschen Restmüll gehortet hatte, denn das Loch wurde längst nicht voll, es war ein stattlicher Kirschbaum gewesen, deshalb auch immer die vielen Stare, die die Kirschen fraßen und alles vollschissen, und der Dreck. So musste er noch die Scheune durchsuchen nach Gelumpe, das er in das Loch schmeißen konnte, es war ein verdorbener Tag, Arbeit und Dreck und Nerverei und der Gedanke an die Grünen, der ihm zusetzte, die sich um seinen Kirschbaum kümmern würden, als könnte der ihn verpetzen bei denen. Stress!

Abends, als endlich der Mähroboter sich an seine neue Tour gewöhnen konnte und nicht mehr immerfort gegen den Kirschbaum stieß, sich aber in den Tiefen seiner künstlichen Intelligenz darüber ärgerte, in Zukunft keine Kirschkerne mehr über den Rasen schnipsen zu können, abends also lag der ältere Herr in seinem Bett, pumpte und japste von den Beschwerlichkeiten und Ärgernissen des Tages, und wir wissen nicht, wie es ihm weiter ergangen ist, denn es interessiert uns nicht, jetzt, da der Kirschbaum weg ist.

Gefährliche Begebenheit

Integritaet

Als der Problembär sich der Gefahr bewusst wurde, die seinem mürben Fellchen durch den spitzen Schnabel seines Gegenüber drohte, verfiel er in die schockstarre Abwesenheit jeglicher Mimik, für die seine Verwandten in freier Wildbahn berüchtigt waren („keinerlei Mimik“), woraufhin das Gegenüber zunächst erstaunt inne, dann irritiert den Kopf schief hielt und schließlich verunsichert abdrehte.

Der Erfolg wurde vom Problembären mit einer Einheit Getränke gefeiert (zwei Halbe).