Archiv für den Monat: Mai 2006

Skulpturenpark 12

Während Künstler anderer Orte sich zum Thema Vogelgrippe an Blechhühnern abarbeiten, wird in Lipsigorod der gute alte Stein behauen und bemalt, dass es eine Lust ist.

Hier ist unser Hansi.

So würdigt man zum Beispiel die Vogelwelt in Form eines ihrer unbestrittenen Sympathieträger (seltenes Vorkommen, wird alt, hat Humor). Farbenfroh hockt er über dem Eingang des Gebäudes und posaunt alles laut heraus, was der Gegensprechanlage von den Besuchern anvertraut wird. Dies durch die eingebaute Verstärkerautomatik, wahrscheinlich hergestellt in einem Land, das auch Erfahrungen mit Plattenspielern hat. Die Besucher wundern sich ein wenig, sinds aber zufrieden, denn natürlich spricht jeder Besucher nur vor sich hin, was eine gewisse Bedeutung hat, und das kann man dann auch laut herauströten, um es anderen Menschen eine Lehre sein zu lassen (Vogelgrippe). Zwischendurch am Tage, wenn kein Passant zu sehen ist, ruft der Vogel „Lora“, „Wo ist denn unser Hansi“, „Geld her, Leberwurst“ und „Ich habe Humor“. Dann wackelt er vertikal mit dem Kopf und möchte sich fast wegschmeißen vor Lachen, was natürlich nicht geht, denn er ist am Haus fest angebracht. Kommt jedoch ein Passant des Weges, der auch nicht in das Haus hinein möchte, verhält sich der Papagei still und würdevoll in seiner Nische, wie wir es alle gemacht haben früher, in der Nischengesellschaft. Bewegungslos, steinern, nicht aus der Ruhe zu bringen. Kein Krakeel, kein Geschrei, keine Revoluzzerattitüde. Nur stiller Humor, beglückte Immobilität und lautes, gedankenloses Nachplappern von irgendwelchem Unfug.

Skulpturenpark 11


Im halbwegs zivilisierten Teil von Lipsigorod
gibt es einen Laden, in dem man Gegenstände kaufen kann. Deshalb heißt er auch: „Gegenstände“. Das ist sehr schön. Bereits die Inszenierung des Schaufensters legt nahe, dass man es mit nichts weniger als ambitionierter Skulpturenkunst zu tun hat. Wer sonst als ein Künstler würde denn solche Dinge in sein schönes Schränkchen legen (Fleischer und selbstschlachtende Bauern ausgenommen)? Es sei denn, es handelt sich um Teile von Heiligen, aber die werden ja doch um einiges pompöser aufbewahrt und besser gesichert.

Essen wie bei Mutter’n


Wer bei Mutter’n zu Hause nicht nur mit Essen, sondern auch mit Jägermeister großzügig bedacht wurde, fühlte sich in dieser Trinkhalle sicher recht wohl. Leider hat das Etablissement den Winter nicht überlebt, zumindest nicht unter diesem Namen, wie ein kürzlicher Besuch durch den Autor zeigte (die Kamera war nicht dabei). Die Gastroredaktion wird sich der Sache annehmen und die weitere Entwicklung verfolgen.

Von Auswurf bis Zigarre

Die meisten Ingenieure haben, bevor sie Ingenieure wurden, mal richtig gearbeitet. Mit ihren Händen als Werkzeug! In dieser Zeit sind sie meist fürs Leben geprägt worden.

Englische Ingenieurskunst

Entweder, weil sie erst da auf die Idee kamen, dass das Leben des Ingenieurs viel schöner ist als das des Transportarbeiters (stimmt nur bedingt), oder weil sie in den dunklen Tiefen der Fabrikhallen auf Menschen stießen, die durch ihre immense Ausstrahlung das Geschick, den Arbeitseifer, die Weltanschauung und vielleicht sogar die Libido der späteren Ingenieure prägten (könnte sein, muss aber nicht). Jedenfalls treffen beide Vermutungen immerhin auf die Kollegen Schrudel und Pachnicke zu.

Schrudel (er studierte übrigens erst Füge- und dann Wickeltechnik, was ihm bei der Familiengründung sehr entgegenkam) bekam auf seiner ersten Arbeitsstelle einen Meister vorgesetzt, der zwar nicht mehr als Meister tätig, aber dafür sehr entspannt war. Stets saß er mit einer dicken Zigarre zwischen den Lippen in der Ecke und reparierte den Ausschuss der KollegInnen. Dafür beschwerten die sich nicht über den Gestank. Abends saß er in der Schenke und trank Schankbier, wie es sich gehört. Zigarre und Schankbier als Obessionen gingen nahtlos auf Schrudel über und überlagerten mit der Zeit alles, was er sich im Studium mühsam eingepaukt hatte (außer Fügetechnik). Sei’s drum.

Pachnicke dagegen hatte einen fanatischen Werkzeugmacher als Lehrmeister, der meinte, es sich nicht leisten zu können, seinen Arbeitsplatz (Kampfplatz für den Frieden) zu verlassen. Leider verfügte dieser Lehrmeister (kurz vor dem Rentenalter stehend), über eine veritable Produktion nicht nur von Werkzeugen, sondern auch von Auswurf, was ihn allerdings nicht hinderte, seine achtdreiviertel Stunden eisern im Betrieb auszuharren. Aus Gründen des Arbeitsschutzes (Ausrutschen) benutzte er ein großes Einmachglas, dessen Anblick besonders die weiblichen MitarbeiterInnen wenig schätzten. Pachnicke studierte natürlich ebenfalls Werkzeugbau (Bohren, Senken, Schleifen), was seiner Familiengründung zupass kam. Und natürlich wirkte sich die harte Lehrzeit auf seine Soft Skills (Dummsprech für „wie man so ist“) aus: Nie wurde er krank, und wenn doch, blieb er eisern am Schreibtisch sitzen, immer einen großen Becher griffbereit in der Schublade, allerdings, dem Fortschritt sei’s gedankt, aus Milchglas.

Viermannboje


Zum Beweise ihrer Existenz.
Die über Jahrzehnte hinweg als erlogen angesehene Viermannboje hat es wahrscheinlich doch gegeben, wie das Foto eines gestrandeten Exemplars belegt. Leider hat die Besatzung das Gerät bereits verlassen, weshalb man ihr keine Fragen zum Woher, Wohin und Warum stellen kann, geschweige denn dazu, wie sich vier Besatzungsmitglieder so fühlen, wenn sie tagein, tagaus aus ihren Luken rauskucken und abwechselnd in bestimmten Intervallen die hochgehaltene Lampe ein- und ausschalten (so, dass es wie ein Drehlicht aussieht). „Hauptsache man hat Arbeit“, wird so mancher gedankenlos daherlabern, aber ist das auch so, wenn einem die verdiente Anerkennung versagt bleibt, zum Beispiel, weil alle meinen, dass es nie eine Viermannboje gegeben hat?

Skulpturenpark 10


Nach dem großartigen Erfolg in Lipsigorod
werden nun auch Skulpturenparks in anderen Städten und Gemeinden angelegt. Dabei ist es natürlich noch ein weiter Weg, bis das hohe Niveau der Metropole erreicht wird, und oftmals müssen ehrliche Handwerker (Schmiede, Karosseriebauer usw.) die Kunstproduktion vertretungsweise übernehmen. Aber die großen Fragen der Zeit (Hühnergrippe, Hahn-Ei-Problem, Sonnenflecken) werden trotzdem in selbstbewusster Manier angegangen und aufgelöst.

Im Kühlschrank der Ingenieure

Im Kühlschrank der Ingenieure befinden sich Nahrungsmittel, die das tägliche Überleben sichern.

Solche Pilze wachsen in Plastedosen nur bei guter Pflege.

Zur Lagerung benutzen die Ingenieure Plastedosen, die sich aufgrund ihrer Herkunft vom Plastedosen-Marktführer voneinander kaum unterscheiden. Es kann zu Verwechslungen kommen! Mancher Ingenieur hat schon schreckstarr eine Plastedose betrachtet, in der er meinte, ein altes, von ihm vergessenes und mittlerweile vergammeltes Stück Käse zu erkennen, auf das er sich doch eigentlich so gefreut hatte! Aber dann war es nur die handgeräucherte Leberwurst von Ingenieur Pachnicke (FA), und der Frohsinn hielt wieder Einzug ins erfüllte Ingenieursleben mit all den Erfindungen, Wundern, Explosionen und versagenden Gerätschaften.

Trivialdialektik 3


Der Preis des Lebens ist der Tod
In Formenwahl, Sprache und Fokussierung auf das Materielle ist dieses Werk eindeutig ein Kind unserer Zeit. Kurz und prägnant vor den Betrachter gerotzt, kann dieser entscheiden, ob er den Preis zahlen oder ihn doch lieber verliehen haben möchte.

Rückblick


Jetzt, da wieder alle nackich in den Parks herumliegen oder die Freisitze und Radwege blockieren, die Sonnenbrillen größer und die Getränke knapper werden, die Sonne lacht, der Ostwind pfeift und das Meditonsin die leichtsinnig eingefangene Erkältung bekämpfen muss, jetzt also sollte man mal dankbar schaudernd zurückblicken auf die Winterzeit, als der Reiher noch auf die Eisangler gewartet hat, dass sie ihm ein Loch ins Flutbett hacken, damit er zu seinem Frühstück kommt. So kalt wie damals ist es jetzt gottlob nur noch im Lipsigorod-Serverraum.