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Steckwurst

Aus der verborgenen Welt der Hehlerei

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Die Objekte wechseln den Wirt (Beispielfoto)

Oma Steckwurst hatte bezüglich der vormaligen kriminellen Aktivitäten ihres Mieters Herrn Schrudel den richtigen Riecher gehabt. Neuerdings gab er sich ja bürgerlich, handzahm, geradezu spießig. Er machte die Treppe, sogar die vom Keller, zog ab und zu ein Kräutlein zwischen den Hoffliesen heraus, warf die Werbeprospekte aus dem Briefkasten nicht auf die Straße, sondern in die Papiertonne. Vorbei die Zeiten, in denen er den Krause Duo auf zwei Rädern in seinen Stellplatz schleuderte. Neuerdings lungerte er sogar mit der Heckenschere am Zaun herum, um die verrotteten Buchsbäume zu kupieren. So musste sie ihn, um das gefährliche Treiben mit dem scharfen Werkzeug zu beenden, oft zu mehreren Runden Eierlikör einladen, was er gern annahm,  besonders, wenn eine Teilnahme der Person Quarterbeck, Gisella (27) zu erwarten war.

Die Steckwursten wusste, dass diese Schrudelsche Zivilität nur daraus rührte, dass sie ihn erstens nicht verpfiff und zweitens seine Miete nun doch nicht an das ortsübliche Spekulationsniveau anpasste, wie sie nach dem Besuch des Kriminalers angedroht hatte.  Der Preis, den Schrudel dafür, neben Disziplin, Betragen, Fleiß und Mitarbeit zahlte, war, zumindest aus seiner Sicht, nicht gering: Jede Woche stand er mit einem Objekt aus seinen früheren Raubzügen vor der Tür der Vermieterin, schief lächelnd und sich Frechheiten über die Qualität der Stücke anhörend. „Monströser Kitsch“ war noch das harmloseste, das sie ihm, die Kostbarkeit achtlos von Hand zu Hand fummelnd, entgegenblubberte.

Schrudel bewahrte die Contenance, illerte um die Ecke, ob vielleicht Gisella auf dem Sofa lagerte, gab der Steckwursten einen Tip, zu welchem Betrag sie das gute Stück im Internet oder beim Vorstadtbingo würde losschlagen können und überlegte, wie er die nur noch für wenige Wochen reichenden Vorräte demnächst würde auffüllen können.

Wie ein Deckchen

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Deckchen (Beispielfoto)

Oma Steckwurst verfügte über ein Gedächtnis wie eine Elefantin. Deshalb wunderte sie sich nicht, als der Blasegaster Ordnungsvollzieher Walzer-Karle-Major Einlass begehrte, um sie über einen lange zurückliegenden Fall auszufragen, den er gern ihrem Mieter Schrudel unterschieben wollte. Die Sache war fast verjährt, man hatte aber zur Weihnachtsfeier auf der Wache mit den alten Akten lustige Spiele veranstaltet und Wetten abgeschlossen, ob sich nicht doch noch irgend jemand schnappen ließe. Schließlich gibt es das auch im Fernsehen.

Walzer-Karle hatte der Ehrgeiz gepackt, immerhin nannte er sich unberechtigterweise Major, seine Karriere war ins Stocken geraten, und so zog er erst einmal ordentlich Luft durch die Nase, als die Steckwursten ihm frischen Kaffee und Stollen hinstellte.

„Sie wollen mich jetzt aber nicht bestechen, Gnädigste?“ näselte er, bereits mit dicken Backen kauend und malmend.

„I wo, Karle, weißt du doch, und weil wir gerade dabei sind: Der Schrudel ist wie ein Deckchen, immer gewesen, der ist ein Lieber, der macht sogar die Hausordnung! Und wenn er die Asche rausbringt, legt er ein Brett auf den Kasten, dass der Mist ni wegfliegt! Wie ein Deckchen ist der Schrudel!“ wiederholte sie mit Nachdruck, klopfte mit harten Knöcheln auf den furnierten Kaffeetisch, dass die Löffelchen tanzten und Walzer-Karle ein paar Krümel in die Luftröhre gerieten.

Als er, der sich in Hustenkrämpfen auf dem Teppich gewälzt hatte, endlich wieder das Sofa erklimmen konnte, um mit Kaffee nachzuspülen, erzählte ihm seine Gastgeberin ganz nebenbei von den bisher ungelösten Kriminalfällen im Blasegast der letzten zwei Jahrzehnte, nannte ihm Namen und Adressen der Täter und ließ sich blumig über die Motive, Herangehensweisen und Komplizen aus sowie über Typen, Alter und Kennzeichen der jeweiligen Fluchtfahrzeuge, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass darunter kein Krause Duo war und somit Schrudel als Verbrecher in keinem der Fälle in Frage kommen konnte. Da sie jeden Blasegaster und jede Blasegasterin von Kindesbeinen an kannte, waren ihre Angaben über alle Zweifel erhaben und Widerspruch zwecklos.

Walzer-Karle, der seinen Notizblock vergessen hatte und vom Vorabend her sowieso noch unter entsetzlichen Kopfschmerzen litt, konnte sich kaum eines der Details merken und verabschiedete sich von der Vorstellung, mit Schrudel als überführtem Verbrecher unter dem Arm in die Wache zurückzukehren und Ehre sowie Beförderung zu empfangen. So trollte er sich nach der vierten Tasse Kaffee unter einer Reihe von Bücklingen vor der Gnädigsten, torkelte im Koffeinrausch die brüchige Treppe nach unten und rollte unter Vollzug nervöser Schlenker, Beschleunigungs- und Bremsmanöver mit dem Streifenwagen zur Wache zurück, um „den ganzen alten Mist“ zu shreddern.

Oma Steckwurst in ihrer Eigenschaft als Vermieterin des Schrudel indes verfasste am selben Abend eine sehr individuelle Mieterhöhung für denselben, sofort zahlbar, „wenn Sie endlich das hässliche Diamant-Collier, das Sie der Schmitten, dieser alten Elster, vor neunzehn Jahren entwendeten, beim Höker zu Geld gemacht haben, MfG usw.“

Mit Oma Steckwurst im Café Schmalzblick, Blasegast

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Der blinde Herr Schrudel, wohnhaft in der bemitleidenswert sanierten Mehrfamilienresidenz „Oma Steckwurst“ in Blasegast, die nicht von Familien, sondern gescheiterten Einzelexistenzen besiedelt wurde, drohte das Privileg des Unterbringens seines Krause-Duo-Fahrgerätes im vormaligen Kohlenschuppen der Liegenschaft zu verlieren. Mehrmals hatte er sich der Herrin (Steckwurst) gegenüber vermault, mit Leergut geklappert, den Teppich nicht oder in den Ruhezeiten gesaugt und Bartstoppeln aus dem Rasierer ins Waschbecken fallen lassen, aber nicht hinuntergespült, was die Steckwurst auf ihren Rundgängen ausspionierte, während die Bewohner ihre tägliche Fron in den Hüttenbetrieben, Kokereien und Steuerbüros verrichteten.

Schrudel wusste sich nicht anders zu helfen, als die wöchentliche Ausfahrt mit seiner Nachbarin Gisella Quarterbeck (fesche 27) abzusagen, dafür seine Vermieterin neben sich auf die blaue Kunstledersitzbank einzuladen und mit ihr das Café Schmalzblick aufzusuchen, wo der verhasste Oberkellner beim Anblick seiner neuen Begleiterin süffisant die gezupften Augenbrauen hochzog und feixend die Tortenkarte reichte.

„Aber Sie zahlen!“ schnarrte die Steckwurst zur Klarstellung, als der Widerling endlich durch die Saloontür in der Küche verschwunden war, „und wehe, Sie geben dem Widerling auch nur einen Pfennig Trinkgeld!“

Schrudel schluckte und verspürte erstmals in seinem Leben eine gewisse Sympathie für seine Vermieterin.

Neues vom Patzschke Trust

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Ventil- und Fittinglager Patzschke (Foto: Zentralkartei)

Klempner Patzschke aus der Rhön weilte schon seit mehreren Wochen in Blasegast, um sämtliche eigentlich unzerstörbaren Traufen und Gossen des Steckwursthauses rauszuruppen und durch billige Chinaware zu ersetzen. Seine spezielle Art von Humor sorgte für knurrende Akzeptanz der handwerklichen Zumutungen bei den eher schlichten Mietern, nur der scharfgeistige Herr Schrudel wagte gelegentlich Widerspruch, wenn tragende Wände weichen oder plötzlich einfließende Sturzbäche um die Phonoanlage und das Plattenregal geleitet werden mussten.

Wirklich dramatisch wurde die Lage erst, als Patzschke auf dem Kulminationspunkt seiner schöpferischen Aktivitäten ins Rhönische Ventil- und Fittinglager seines Imperiums gerufen wurde, wo bei einer internen Revision kein einziger der vermuteten Bestände auch nur annähernd verzeichnet werden konnte und alle Mitarbeiter schockstarr dem Eintreffen des äußerst cholerischen Chefs und der folgenden mehrwöchigen Brüllerei entgegenfieberten.

Trockengefallen und auf sich selbst zurückgeworfen, wies Oma Steckwurst die Mieter ihres Hauses an, in nächtlichen Subbotniks (auch an Wochentagen) den verschütteten Mühlgraben der Blase von dem Unrat zu befreien, den sie einst selbst dort deponiert hatten, um Gebühren zu sparen, das Wasser in den Senkschacht der von Gisella Quarterbeck (27) „besorgten“ Tauchpumpe zu leiten und damit die Einspeisung von halbwegs genießbarem „Nass“ (Zeitungsdeutsch) in das aus Gartenschläuchen hergestellte Notnetz zu gewährleisten.

Die gemeinsame Anstrengung schweißte die Belegschaft des Hauses zusammen, brachte Tränen der Rührung und glückliche Erinnerungen an die sozialistische Menschengemeinschaft hervor. Allerdings hielt das Gefühl der Verbundenheit, Brüderlichkeit und Solidarität nur bis zu dem Zeitpunkt an, als Oma Steckwurst die Zettel mit der nächsten Mieterhöhung eigenhändig in die Briefkästen verklappte.

Neues aus Blasegast

klempnerei

Oma Steckwurst, die, durch die zuverlässig viel zu trockenen Frühlinge, Sommer, Herbste und Winter der letzten Zeit etwas nachlässig in Sachen Dachdichtigkeit ihres renditestarken Mietshauses geworden war, sah sich nach einem Starkregen dazu gezwungen, die Mansardwohnung der Mieterin Quarterbeck, Gisella, 26, in deren Abwesenheit entwässern zu lassen. Der zu diesem Zweck aus der Rhön herbeigerufene, weil einzig verfügbare Klempner Patzschke verlangte neben unangemessener Bezahlung zweieinhalb Liter Kaffee (türkisch), drei Teller Kanapees mit Wurst und Käse (übrige bitte einpacken), ein kleines Tablett guten Vodkas (greifen Sie zu, Frau Steckwurst, ist doch Ihrer) sowie einige Profilfotos der Quarterbeckn (ausgedruckt), die ihm der blinde Herr Schrudel frisch aus dem Internet „besorgte“. Die Pumpen schnurrten, die Verbrüderung der Hausgemeinschaft mit dem bösen Handwerker erfolgte rasch, und ein Dachdecker konnte auf Empfehlung des eigentlich doch recht angenehmen Patzschke auch noch ergattert und auf den nächsten Frühsommer „festgenagelt“ werden.

Konfliktthema Frisur

Frisur
Höhepunkte eines Landgangs (Beispielfoto)

Oma Steckwurst, die gerade auf einer Kreuzfahrt zu den Lofoten weilte (oder irgendwoanders hin, denn eigentlich spielt die Destination sowieso keine Rolle, sondern nur, ob man die richtigen Klamotten für das Captain’s Dinner dabei hat), wurde während eines leichtsinnig gebuchten, kostenpflichtigen Landgangs, der mangels Sehenswürdigkeiten nicht weiter führte als bis zu den Liegeplätzen der stinkenden Fischkutter, daran erinnert, dass sie ihren Friseurtermin (Waschen, Färben, Sortieren) vergessen hatte neu zu terminieren, denn die Kreuzfahrt war ein überraschendes Geschenk vom Makler ihres Vertrauens gewesen, das sie diesem nun zu entziehen gezwungen war.

Soll der sich doch eine andere Schrottimmobilie suchen, die er überteuert verhökern kann!

Die Ingo-Gottheit

uhu

Karl Gong, der bekannte Weltreisende, hatte in frühen Jahren an diversen Ausplünderungen fremder Kontinente teilgenommen, derer er sich mittlerweile innerlich schämte; äußerlich jedoch trug er die Nase oben und behauptete, heute wäre ja alles noch viel schlimmer, und man hätte damals immerhin das Gute gewollt und leider mit dem Hintern den einen oder anderen Tempel umgerissen, aus Unkenntnis zumeist, doch mittlerweile sei man, also er, Gong, moralisch gereift, quasi um die Ecke der Erkenntnis gebogen, geläutert, rein juristisch wäre sowieso nichts zu machen, also überhaupt kein Grund, sich mit Asche aus dem längst dahingegangenen Kachelofen zu pudern.

Im schmuddligen Hof seines engen Anwesens jedoch, schräg über dem gemauerten Grillplatz, der auch schon fröhlichere Fleischzubereitungen gesehen hatte als gerade eben, da die Steckwursten von nebenan ihre eingelegten Kammscheiben auf den Grill schplatzte, von denen ihm so schlecht werden wird, er weiß das, schon beim Verzehren wird ihm schlecht werden von den Knorpeln und Sehnen und Fetträndern, thront auf einem Absatz stramm und feist und passiv-aggressiv die kleine aztekische Gottheit. (Oder ist es eine Ingo-Gottheit? Schuhmannschen? Wer soll das jetzt noch auseinanderhalten?)

Und dann, wenn die Steckwursten nach dem achten Schokobecher Eierlikör lallend fragt, was das für ein Vogel ist, der da auf dem Brett steht, wird der sonst so geschmeidig-kühle Gong, Karl, das Flattern kriegen, scheu nach schräg oben zu der kleinen Gottheit linsen, ob sie jetzt endlich ihren Strahl der Verdammnis auf ihn abschießen würde, dann hätte das alles hier endlich ein Ende mit der Steckwursten, den zähen Kammscheiben und dem elenden Eierlikör.

Allein, kein finaler Rettungsblitz erstrahlt, Gong zieht sich enttäuscht würgend auf das Sommer-WC zurück und beschließt, vorerst nicht zurückzukehren.

Bierwagen und LPG


„Orr nee!“ rief Karl Gong.
So, wie sich ein gewöhnlicher Monteur am Montag vornimmt, bis zum Dienstag das Radio der zerstreuten Oma Steckwurst wieder funktionsfähig zusammenzulöten (mindestens ein Sender) und vorher den Staub rauszupusten, so hatte sich Karl Gong vorgenommen, am Sonntag (spätestens) in Hackpfüffel vor dem „Deutschen Haus“ zu stehen. Oder wie das Erbgericht dort auch heißen mag. Und was war? Irgendein Ort, irgendeine LPG (geschlossen), irgendein Bierwagen (geschlossen). „Ich werd verrückt!“ rief Karl Gong, wurde aber nicht. Und alles nur wegen des Seitenwindes! Wurde das Klima verrückt? Die Zeitung behauptet ja solches. Aber die ist selber verrückt.

Angenommenes Ministerium


Wenn es ein Ministerium für oder gegen Walfang gäbe, könnte das Gebäude so aussehen wie im Bild: An den Seiten Fischgrätenmuster (obwohl der Wal natürlich kein Fisch ist, danke für den Hinweis, Frau Steckwurst), vorn ein stilisiertes Bartensieb, das die Kleintiere nicht passieren können, und alles in allem riesengroß. Der Minister heißt Jona. Oder Fischer (obwohl der Wal kein Fisch ist).

Aesculap und Tusculum


Bildungsauftrag erzwingt Fotoveröffentlichung.
Vielleicht wird ja mal jemand gefragt von Herrn Jauch, wer der Gott der Heilkunst in der römischen Antike war oder in der Nähe welcher Stadt Cäsar, Cicero und Cato ihre Villen hatten. Hier ist die Antwort. Wen das nicht interessiert, weil er sich nicht einfach so wegen des Geldes von irgendjemandem unnütze Dinge fragen lässt, kann sich daran erfreuen, dass manche Menschen ihre Häuser hübscher benennen als „Villa Bertha“, „Dorfblick“, „Schullandheim“, „Haus Meyer“, „Allianz Generalvertretung“, „Uniriese“, „Pension Steckwurst“ oder „Zentralstation“.

Erstaunliche Produkte 4

Straßenschilder on demand

Die Blasegast-Verwaltung hat eine neue Einnahmequelle entdeckt, auf die auch die Steckwursthausreisenden zurückgreifen mussten, um den Weg zum Gofthe-Museum nicht zu verfehlen: In jedes Straßenschild wurde in den letzten Monaten ein Klappmechanismus eingebaut, der ständig den Straßennamen verdeckt, ihn gegen Bezahlung aber für einige Sekunden freigibt. Die Bezahlung kann durch Münzeinwurf erfolgen oder, Blasegast ist schließlich ein Zentrum der Geheimwissenschaften, durch Bezahlen per Funktelefon: Man muss nur das Straßenschild anrufen, schon werden zweieinhalb Euren von der Telefonrechnung abgebucht und man bekommt zu sehen, wo man sich befindet. Lange Straßennamen kosten natürlich etwas mehr.
(aus: „Blasegast gestern – heute – morgen“, www.blasegast.de)

Von Blasegast nach Lipsigorod

Gisella Quarterbeck (sonnengebleichte 23) wohnt in Blasegast im Steckwursthaus.

Kann alles tragen: Gisella

Ein erstes anregendes Körperbildnis allerdings gibt es vorerst nur in Lipsigorod zu bestaunen. Und da man sich in dieser Stadt auch als elfenbeinerne Plastik zuallererst einmal nützlich zu machen hat, wurde sie gleich zum Abstützen von Gebäudeteilen eingesetzt.

Das betreffende Gebäude war in den finsteren Zeiten übrigens von oben bis unten komplett durchgerissen gewesen (West-Ost), wobei der Ostteil erstaunlicherweise etwas höher (entwickelt) war als der Westteil. Mit viel Spachtelmasse und was man sonst so einsetzt wurde alles schön verschmiert. Jetzt können nur noch wirkliche Experten den kaschierten Niveauunterschied bemerken. Und vielleicht die Bewohner, wenn die Glasperlen unters Buffett rollen.