Archiv für den Monat: April 2017

Der Dissident

Der desolate Herr Schrudel schob sein Sterbebett Krankenbett vor den Fernseher, um das sog. Pokalspiel anzusehen. Obwohl er kein Anhänger von irgendwem oder irgendwas auch immer war, folgte er dem Spiel interessiert, wenn auch annähernd bewusstlos. Bis zum Ergebnis des Gewürges allerdings war es ein langer Weg, der besonders durch den Kommentator und dessen „saublöde Kommentare“ (O-Ton Schrudel) gepflastert war, so dass Schrudel den Fernsehton abwürgte, sich zum Plattenspieler schleppte und die darauf schon lange befindliche Platte anwarf (dieselbe bewusst durch eine neue auszutauschen fehlte die Kraft). Es handelte sich kurioserweise um ein Werk der Dissidenten, und zufrieden legte sich Schrudel aufs Sofa, um als Kommentar-Dissident zu sterben sich röchelnd daran zu erfreuen, dass die ihm am wenigsten sympathische Mannschaft schließlich verlor.

Nach Vollzug des Pokalspiels erinnerte sich Schrudel, dass der Verkäufer, bei dem er die Platte auf einer Bärliner Straße erwarb, von einem Mitglied der Dissidenten berichtete, der genau da, auf dieser Straße in Bärlin bei diesem Verkäufer eine Dissidenten-Platte fand und glücksstrahlend an die Brust presste, da er davon selbst kein Exemplar mehr besaß.

Mittlerweile stark delirierend änderte Herr Schrudel sein Testament dahingehend, dass sämtliche Musiker, die einen Beitrag zu seiner Plattensammlung geleistet hatten, sich ihre Schallplatte(n) „zurücknehmen“ dürften, sofern sie über kein eigenes Exemplar mehr verfügten.

Ein nobles Ansinnen, wenn auch ungültig, da in unzurechnungsfähigem Zustand verfasst.

Beschwerde

benommen

Wenn ich auf dieser Zeitschrift liege,
Wird mir ganz blümerant,
Denn mein Gehirn macht eine Biege
Wie nach zehn Gläsern Brannt.
Es diffundiert ein irrer Dampf
Direkt in meinen Bregen.
Darum jetzt: fix zu meinem Mampf.
Dann: mich zu dir hin legen.

Neues aus dem Finanzministerium

geist

Das Finanzministerium gibt bekannt, dass auf allen Gastronomie-„Rechnungen“, die an der Steuer vorbei direkt in die Tasche des Wirtes gezahlt werden, ein Aufdruck mit „einer Art missgelauntem kleinen Teufelchen, das Ähnlichkeit mit unserem verehrten Herrn Finanzminister hat“ anzubringen sei, um den Kellner oder den Kunden ein bisschen zu erschrecken bzw. zum Nachdenken anzuregen.

Damit die Maßnahme nicht gleich zu sozialen Verwerfungen bei den Belegschaften führt (liebgewordene Gewohnheiten), darf jeder gastronomische Betrieb sein eigenes Teufelchen kreieren („Corporate Identity“). Die traditionellen albernen Aufdrucke auf den Fake-Bills wie „Zwischenrechnung“, „Lehrling 08-16“ (hohoho), „Fahrzeugschein“, „Keine Rechnung“, „Einfach nur ein Wisch“ usw. dürfen natürlich wie gehabt stehen bleiben.

Abendländische Entgegnung auf das gestrige „Haiku“

garagen2

Dass man wagt im Orient,
Lustig sich zu machen
Über den Garagentrend:
Es ist nicht zum Lachen!

Denn es soll ein Wagen stehen
Sicher in der Schachtel.
Vogelkot: Wie schnell kann’s gehen!
Wertverlust: Ein Achtel.

Noch ein Viertel: Die Vandalen,
Radler, Kinder, Alten:
Kratzer an den Außenschalen!
Ach, die Stirn in Falten!

Nieder mit den Spekulanten!
Hütten in die City!
Und dann rin mit die Trabanten!
Gegen Gentrifitti!

Noch mehr Fragen

fragezeichen

1. Warum räumt hier keiner auf?

2. Wie sieht denn das aus?

3. Ist das nicht eine Zumutung?

4. Sollten wir das nicht der Zeitung melden?

5. Oder der Polizei?

6. Und diese Schmiererei, wer macht denn sowas?

7. Soll das irgendeinen Sinn haben?

8. Kann man diese Verbrecher nicht einfach einsperren (alle)?

9. Das waren doch diese Kommunisten, oder?

10. Noch ein Bier?

Zusatzfrage: Ist das nicht die falsche Jahreszeit?

Eilmeldung

Badheizkoerper

Wie der Kulturfunktionär dieses Blocks soeben mitzuteilen geruhte, wurden heute vier neue Werke des unsterblichen Malers der Blasegaster Schule GOFTHE veröffentlicht. Um freundliche Beachtung bittet der Kulturfunktionär (der sich als Lohn für diese Schleichwerbung wahrscheinlich wieder mal Schampus und Kanapees beim nächsten Galerierundgang einpfeifen wird).

Klicken Sie also, wenn Sie denn unbedingt wollen, bitte auf gofthe.de

Die Schmierereien Gemälde werden wie immer kurz und sachbündig erklärt von Klempnermeister Gregor Patzschke aus der Rhön.

Bärenstein

baerenstein

Es saß auf seinem Bärensteine
Der Bär. Er hatte kalte Beine.
Er zog sie hoch und rieb sie sachte.
Ich hörte, nah dran, wie er lachte.
Dann griff er sich sein Portemonnaie
Und sagte zu mir hin: „Adé.“
Ich sagte: „Tschüss.“ Er sagte: „Tschau,
Ich kaufe jetzt für meine Frau
Ein großes Bier.
Vielleicht auch vier.
Genau.“
Na denn
man tau.

Von der Äpfelharmonie

aepfelharmonie

„Schon einfach nur für den Blick von der Äpfelharmonie runter auf das brackige Elbewasser haben sich die enormen Baukosten ja mehr als rentiert, oder?“ pöbelt Karl Gong mit einem süffisanten Zug um den Mund, der alte Neider, der ist doch nur Gast hier, kein Hanseatiker, darf der denn das? — und die Umstehenden peesen verdientermaßen auf ihn ein:

„Aber mit der Rolltreppe für nass nach oben fahren, das geht ganz gut, oder? Landrratte!“

„Naja“, gibt sich Karl Gong versöhnlich, „wenigstens haben die das Ding nicht in eine schwäbische Unterführung oder preißische Wiese eingelassen.“

„Icke hau dich jlei uffe Neese, wa, du olle Schrippe!“ piept da ein kleiner Preuße erregt in Gongs Richtung, aber die Aufmerksamkeit des Publikums hat sich schon wieder den Rußfahnen der Kreuzfahrtschiffe zugewandt, denn das Verbrennen von Schweröl ist eine bewährte Kulturtechnik, die demnächst vor dem Welterbekomitee verhandelt wird.