Archiv für den Monat: Januar 2016

Vom Design

Wie immer frech unbesorgt, ein freier Bürger, wandelte Karl Gong durch die Straßen und passierte angelegentlich einen Menschen, welcher einem Automobil entstieg, dessen Gestalt sich durch aggressivste Wucherungen auszeichnete. Anführungszeichen für „auszeichnete“.

Schaudernd und im Stillen erlaubte sich Karl Gong, jenem Menschen zu wünschen, niemals selbst von solchen Wucherungen betroffen zu sein.

Und wandelte weiter.

Von der Vergangenheit

Rumours

Manchmal streckt die Vergangenheit ihre knöchernen Finger nach dir aus. Und manchmal tut sie das in Form einer alten Schallplatte. Dann legst du auf dem Flohmarkt ohne mit der Wimper zu zucken einundzwanzig Euren für vier alte Scheiben hin und freust dich wie ein Schneekönig, weil die auch gar nicht zerkratzt sind. Denn die waren nicht aus dem Phonothekenbestand *.

*) Phonothek: In der „Zone“ die Schallplattenleihbücherei, die man zwecks „Überspielens auf Kassette“ frequentieren musste, wenn man im Laden mal wieder die Lizenzplatten verpasst hatte und zu geizig war, Schwarzmarktpreise an Halsabschneider zu zahlen.

Früchtchen

Wer dieser Tage im Rahmen des Ausbrütens einer „Infektion“ den ärztlichen Rat erhält, möglichst viele Kiwis zu essen, denn das ist das jahreszeitlich zu bevorzugende Früchtchen, sollte vorher die passenden, möglichst stabilen Bearbeitungswerkzeuge bereitlegen. Ein Besuch im Laden für Steinmetzbedarf ist angeraten. Sonst wird nach dem Abbrechen diverser Messerchen womöglich frustriert mit der „Kiwi“ eine Wand der Küche eingeworfen, zumindest, wenn es sich um eine Trockenbauwand handelt.

Schonkaffee

Eine große deutsche Wochenzeitung präsentierte heute morgen im Internet frei für alle das ultimative Rezept für Schonkaffee: „Kaffee wird zubereitet, indem man Bohnen malt und mit heißem Wasser übergießt.“

Leider wurde im Laufe des Vormittags durch einen pingeligen Korrektor das heruntergefallene h wiedergefunden und in den Satz hineingeklebt, was dem Rezept komplett die Würze nimmt.

Schönheit vom Internet

Seebrücke
Internet: Jetzt noch schöner!

Eines Tages stellte der blinde Herr Schrudel fest, dass sich das Internet dermaßen mit Schönheit angefüllt hatte, dass es schon gar nicht mehr zum Sagen war. Schönheit, wohin das Auge blickte. Er aber hatte noch gar keinen Beitrag dazu geleistet, und so beschloss er, dies nachzuholen. Frischauf, er schnappte seine Bildschnappe, suchte sich ein schönes Motiv aus („Seebrücke“, immer gern genommen), hielt drauf und drückte ab, schnapp. Dann ging er wieder nach Hause und machte das Bild ins Internet rein (verkürzt gesagt).

Das war aber einfach, dachte der blinde Herr Schrudel.

Behutsame Bäderarchitektur

Seebrücke von unten

Die Insel, sprach der Reiseführer, ist immer eine Reise wert, am besten eine geführte, haha. Besonders die behutsame Bäderarchitektur verdient Beachtung, liebe Reisende, haha, so führt uns beispielsweise diese Seebrücke unsere innige Verbindung zur Natur eindrucksvoll vor Augen, sie schlägt quasi eine Brücke zur, äh, See, also Meer, also vom Land, auf dem wir wurmgleich kriechen, zur freien See, auf der wir vogelgleich dahinfliegen könnten, wenn wir wollten, mit einem Segelboot oder einem der famosen Motorschiffe der Gaststättenreederei Konopke-Falke-Oberdreh, aber auch um sie zu wehren, nicht die Schiffe, haha, sondern die See mit ihren Fischen, Algen und meterhohen Wellen, gleichsam voller Kraft und Zweckmäßigkeit, aber auch behutsam, haha, und voller Schönheit, gelinde gesagt.

Folgen Sie mir? Folgen Sie mir.

Karriereende

Bühne von hinten

Als berühmter Guitarrist hatte ich es eigentlich nicht nötig, in den üblen Schuppen aufzutreten, aber es gibt ja immer mal schlechte Zeiten. Letztere schienen allerdings kein Ende zu nehmen, im Gegenteil, und irgendwann fielen die Hallen weg oder ein, das Publikum hatte natürlich keine Lust, im Regen zu stehen, wenigstens mein Verstärker stand im Trockenen, wenn nicht gerade zu viel Wind war, der den Regen auf die Bühne trieb, und die paar verbliebenen Groupies drängten sich hinter den Boxen. Mir war es recht, solange das Kulturamt dem Veranstalter ein paar Groschen überwiesen und der sie nicht versoffen hatte.

Trotzdem dachte ich gelegentlich über mein baldiges Karriereende nach, vor allem, wenn sich wieder einmal ein räudiger Bühneneingang vor mir spreizte.

Rache für Pluto!

„Das Beste an diesem und jedem kack Winter ist immer noch der schöne Orion“, sagte Karl Gong.

„Aber dieser neue Planet!“ sagte Herr Nitzsche. „Sie haben jetzt diesen neuen Planeten!“

„Kack auf den neuen Planeten!“ sagte Karl Gong. „Ich sehe ihn nicht, ich höre ihn nicht, und zum Glück kann ich ihn auch nicht riechen.“

Keine Flinte

Diese dreckige Ratte, sagte Karl Gong. Steht vor dem Haus, lässt den dreckigen Motor laufen. Scheinwerfer an. Das Licht an der Decke, eh! Nervt!

Naja, sagte Frau Mond und zog an ihrem Zigarillo.

In Amerika, sagte Gong, hätte ich den schon längst erschossen.  Mit der Flinte, aus dem Fenster, ohne vom Sofa aufzustehen.

Und die Scheibe? fragte Frau Mond.

Gut, dass wir in Europa sind, sagte Karl Gong. Da habe ich keine Flinte.

Das besondere Fahrrad

Das blaue Fahrrad

Je länger ich draufkucke, um so komischer wird mir. Ist es der Sattel? Sind es die Pedale? Ist es der Reflektor? Die Klingel? Oder der ganz und gar stillose Lenker? Wenn schon durchgeknallte Design-Ikone, dann aber bitte richtig, liebe Hipster!

Essen mit Souffleuse

Das Soufflé ist ganz vortrefflich hier, das sollten Sie probieren, sagte die Dame zu dem Herrn, der hm-hm machte und dem es nicht gelang, die Beträge der Speisen, die sie zu ordern beabsichtigte, zweifelsfrei zu summieren, in der Schule hatte er so große Zahlen nicht gelernt, und später im Leben ging es eher um die Nachkommastellen, denn er war Mikromaat von Beruf, oder so etwas ähnliches, genau wusste er das nicht mehr, bei den vielen Quereinstiegen, die seit Jahren für ein erfülltes Berufsleben vorausgesetzt wurden und die ihn trotzdem nicht zahlenmäßig weitergebracht hatten, weder beim Handhaben von Beträgen in Kassen oder Tachometern oder Manometern noch beim Gehalt, und er registrierte verzweifelt, wie ein Kellner herangockelte und seine Begleiterin vorfreudig mit der Speisekarte wackelte und wedelte und wischte und zwischen den Seiten hin und her blätterte und französische Worte perfekt aussprach, wobei, das wusste er nicht genau, nahm er nur an, denn er konnte kein französisch, aber Soufflé aus ihrem Munde klang wirklich entzückend, so entzückend wie es in ihrem Munde schmelzen würde, und als sie fertig war mit ihrer sehr länglichen Bestellung, sagte er einfach: Für mich dasselbe, aber nur die Hälfte von allem, denn, so dachte er, es würde sowieso einiges auf dem Teller liegen bleiben bei dieser zarten Person, jedoch zog er nicht in Betracht, dass erstens die Portionen wenig umfangreich sein würden und zweitens die Übergabe von Tellern zum gegenseitigen Vertilgen der Reste in diesem Restaurant, manche sagen ja: in jedem Restaurant, mit abgrundtiefer Verachtung durch Personal und Gäste gestraft würde, weshalb für ihn keine Aussicht bestand, den Laden anders als mit schlecht gefülltem Magen und ebensolcher Geldbörse zu verlassen.

Immerhin aber im weiteren Verlauf des Abends sagte sie ihm ein paar Worte vor, die er freudig nachsprach, und insofern war der Ausflug in die Welt der Esskultur nicht völlig umsonst gewesen.