Archiv für den Monat: August 2018

Troll-Protokoll

abgang

Weitere Unschärfen ergaben sich im Laufe des Abends, wobei die Katze einen doppelt indizierten Spitzschatten produzierte und sich trollte. Apropos: Der Roller im Schuppen ist ein Wiesel oder ein Berlin, aber kein Troll.

Gezeichnet
Unterschrift
Ort, Datum

Von der Zugehörigkeit

schliessfaecher

Unscharf torkelte mein Blick zum Tresen, und ich erblickte die Schließfächer für die personengebundenen Bierkrüge unter den Zuckerstreuern.

„Ist es das, wofür ich es halte?“ fragte ich Karl Gong, der mir wie immer gegenüber saß und an seinen Zähnen kaute.

„Ich kann zwar nicht sehen, was du meinst, aber die Erfahrung lehrt, dass es das ist, wofür du es hältst.“

„Na dann.“

„Ja.“

„Immerhin gehören wir nicht dazu. Auch gut.“

„Oder schlecht.“

„Hm. Ja.“

„Ja.“

Nach Süden

suedbahnhof

Bahnhof Süd. Verheißung.
Fürchtend die Entgleisung
stehe ich vorm Schalter.
„Und, was willste, Alter?“
„Nächster Zug nach Süd,
wo der Flieder blüht.
Aber sicher muss er sein.“
„Isser. Also nu Roßwein?
Oder Döbeln, Leisnig, Mutzschen?
Wohin, Alter, willste kutschen?“
Dreckig ist sein Kittel.
Fehlen hier die Mittel,
auf den schmalen Gleisen
mein geplantes Reisen
freudvoll zu gestalten?
Welche Kräfte walten
in dem Dampf und Walle,
wissen wir ja alle.
Ach, dann eben Risiko!
Und ich rufe fröhlich: „So!
Lass mich durch die Landschaft prügeln
auf dem Stahlroß hin nach Mügeln.“
„Aye Sire, da die Karte. Hier
für zwei Stunden Wartebier.“
„Prost!“
„Prost!“

Die Ingo-Gottheit

uhu

Karl Gong, der bekannte Weltreisende, hatte in frühen Jahren an diversen Ausplünderungen fremder Kontinente teilgenommen, derer er sich mittlerweile innerlich schämte; äußerlich jedoch trug er die Nase oben und behauptete, heute wäre ja alles noch viel schlimmer, und man hätte damals immerhin das Gute gewollt und leider mit dem Hintern den einen oder anderen Tempel umgerissen, aus Unkenntnis zumeist, doch mittlerweile sei man, also er, Gong, moralisch gereift, quasi um die Ecke der Erkenntnis gebogen, geläutert, rein juristisch wäre sowieso nichts zu machen, also überhaupt kein Grund, sich mit Asche aus dem längst dahingegangenen Kachelofen zu pudern.

Im schmuddligen Hof seines engen Anwesens jedoch, schräg über dem gemauerten Grillplatz, der auch schon fröhlichere Fleischzubereitungen gesehen hatte als gerade eben, da die Steckwursten von nebenan ihre eingelegten Kammscheiben auf den Grill schplatzte, von denen ihm so schlecht werden wird, er weiß das, schon beim Verzehren wird ihm schlecht werden von den Knorpeln und Sehnen und Fetträndern, thront auf einem Absatz stramm und feist und passiv-aggressiv die kleine aztekische Gottheit. (Oder ist es eine Ingo-Gottheit? Schuhmannschen? Wer soll das jetzt noch auseinanderhalten?)

Und dann, wenn die Steckwursten nach dem achten Schokobecher Eierlikör lallend fragt, was das für ein Vogel ist, der da auf dem Brett steht, wird der sonst so geschmeidig-kühle Gong, Karl, das Flattern kriegen, scheu nach schräg oben zu der kleinen Gottheit linsen, ob sie jetzt endlich ihren Strahl der Verdammnis auf ihn abschießen würde, dann hätte das alles hier endlich ein Ende mit der Steckwursten, den zähen Kammscheiben und dem elenden Eierlikör.

Allein, kein finaler Rettungsblitz erstrahlt, Gong zieht sich enttäuscht würgend auf das Sommer-WC zurück und beschließt, vorerst nicht zurückzukehren.

Wenn die Wende klappen tut

paddel

Mich erfasst ein Zorn,
denn Werner paddelt vorn.
Mal zu langsam, mal zu schnelle,
Angst hat er vor jeder Welle.

Was sucht er im Boot?
Er will zum Abendrot.
Immer nur der Sonne folgen.
Doch die deckt sich hinter Wolken.

Werner nimmt das krumm.
„Kehr’n wir wieder um?“
Ich, erleichtert: „Ja. Na gut.
Wenn die Wende klappen tut.“

Von der christlichen Seefahrt

schub

„Das Geschubse immerzu“,
spricht der Alte auf der Brücken.
„Niemals hat man seine Ruh,
Reiben, Drängeln, Zerren, Drücken

in den Häfen dieser Welt!
Ach, könnt ich nur Fahrtensegeln
ohne diese Jagd nach Geld,
ohne Zwang und ohne Regeln,

auf dem weiten stillen Meer!“
„Alter willst du hier mal nippen?“
Fragt der Koch von unten her.
„Ja!“ Schon wieder froh beim Kippen

lacht der Alte: „Der Absinth!“
und bekreuzigt sich geschwind.

Hilfreiche Belehrungen

gaense

Gänse auf dem Stoppelacker:
Kann ich durch sie schreiten wacker,
oder sollte ich stattdessen
Abstand halten, nicht vergessen,
was mich einst die Kindheit lehrte,
als ein Schnabel harsch verheerte
meine Wade? — Das tat weh!
Ich bin feige und ich geh
um die Vögel einen Bogen.
Schließlich bin ich gut erzogen.

Falls du also Gänse triffst
abends auf dem Boulevard:
Achte, dass du sie umschiffst,
denn gefährlich ist die Schar.

Vom Nachtschlaf

Karl Gong, der das Wetter der letzten Tage ziemlich persönlich nahm und fluchend im nassgeschwitzten Unterhemd auf dem nassgeschwitzten Laken vergeblich die Ankunft des Nachtschlafes erwartete, beschloss nach wenigen Stunden harter Überlegungen, die nur durch das Konsumieren der in Reichweite plazierten Singlemaltflasche gelindert wurden, sich auf die Dachterrasse zu legen, wo ein kleiner Wind wehen und die Temperatur jene der Wettervorhersage nicht überschreiten sollte, eigentlich.

Gedacht, gewälzt, getan; Gong zieht sich beim Bereiten der Bettstatt einen Plankensplitter ein, legt sich schnaubend auf die Luftmatratze und schließt die Augen. Wind. Erträgliche Temperaturen. Die nächtlichen Geräusche des Ortes. Ein Nachbar, der mehrere Tonnen Grillkohle durch ein Sieb zu schaufeln versucht (so klingt es). Igel, die Futternäpfe über fußballfeldgroße Fliesen schieben. Straßenbahnen, die auf der Suche nach ihren Depots stundenlang gellend durch die Straßen irren. Der übliche Honk mit dem Motorrad. Die Südschleife der kommerziellen Paketfliegerei. Die leise giggelnden Sterne, besonders die im Kleinen Wagen.

„Wenn ich jetzt bitte sterben dürfte?“ fragt Karl Gong fatalistisch von seiner viel zu dünnen Luftmatratze aus, zu dünn sogar, um herunterzufallen.

„Dann musst du mehr saufen, Alter!“ ertönt von oben eine Stimme.