Botzen, Partyzansky vrch, Bozen


In Sichtweite der Pirsken (Hrazeny, 608m)
Am Wochenende war ich wieder im Namen der Wissenschaft unterwegs. Diesmal war es ganz besonders wissenschaftlich, denn es ging ohne Weg und Steg quer durch Gestrüpp, steile Geröllhänge bergauf und bergab – denn ich wollte ihn finden: den heiligen Brunnen!

Zur Vorgeschichte

Eines Tages las ich auf der Rückseite einer tschechischen Wanderkarte die Kurzbeschreibung eines unscheinbaren Bergleins aus Basalt (504m), der in Nordböhmen recht exponiert in einer hügeligen Wald- und Wiesenlandschaft steht. Mein Interesse schaltete auf Alarmstufe bunt um, als eine Sage aus dem 30-jährigen Krieg Erwähnung fand. Und die geht so: Schwedische Truppen im Anmarsch, sämtliche Frauen der Umgebung „lassen sich rote Röcke schneidern“ und wandern im Gänsemarsch auf dem Berg im Kreis herum. Dies sehen die Schweden, halten es irrtümlich für den Aufmarsch einer zahlenmäßig überlegenen Streitmacht und ziehen ab.

Man muß nicht viel über Frauen wissen, um Gewißheit zu haben, daß diese Maßnahme nie geklappt hätte. Bei den damaligen Nachrichtenverbindungen und der Marschgeschwindigkeit der schwedischen Kavallerie hätte man vielleicht eine Vorwarnzeit von 24 Stunden gehabt. Statt sich rote Röcke zu schneidern, hätte jeder, der noch klar bei Verstand war, die Sachen gepackt und wäre abgehauen. Von der grundsätzlichen Neigung jeder Frau, das Gegenteil von dem zu tun, was sie geheißen wird, mal ganz zu schweigen. Auch wenn das alles funktioniert hätte, kann man sich den Aufstieg zum Berg und die Marschiererei sparen, denn
1.) kann man nicht sicher sein, daß die Schweden den Aufmarsch überhaupt sehen
2.) in der gewünschten Weise deuten oder
3.) keine Aufklärer schicken, die feststellen sollen, wer da aufmarschiert, bzw.
4.) sowieso den Kopf schütteln, weil kein ernstzunehmender Gegner auf Berggipfeln im Kreis herummarschiert.

Bleibt nur eins. Die Verpackung eines uralten heidnischen Kultes in eine harmlose Sage als notwendiger Schutz vor dem Klerus hat zumindest im Groben die Überlieferung in heutige Tage ermöglicht. Denn es wird noch besser:
Die Beschreibung des Berges erwähnt auch immer eine „Mauer unbekannter Herkunft“ die den Berg an dessen Fuß, teilweise auch am Hang umringt. In antiquarischen Büchern findet man wenigstens in kleineren Mengen Informationen, die auf das Alter dieses 4 km langen Bauwerks hinweisen. Die Datierungen fallen nicht einheitlich aus, weisen aber auf ein hohes Alter hin. Jüngere Bronzezeit (1000 – 800 Jahre v.u.Z.) oder Billendorfer Kultur (Übergang Bronze- zur Eisenzeit 800 – 500 Jahre v.u.Z.). In 3000 Metern Enfernung Richtung Süden erhebt sich der gleichfalls aus Basalt bestehende Pirsken (608m, heute als Hrazeny bekannt). Zwischen den Bergen besteht Sichtkontakt und auch der Pirsken hat diese „Mauer unbekannter Herkunft“, die ihn in 3 km Länge bekränzt.
Laut A. Weiche leiten sich die Namen der Basaltberge folgendermaßen her: Botzen bzw. Bozen = po scene = slawisch „an der Mauer “ ; Pirsken (heute Hrazany), der 1451 noch Persk hieß- kommt auf sowas wie „Bienenberg oder Flugloch der Bienen“
Ich habe mir die immer noch bis zu 2 m hohe Mauer im Dickicht des Waldes angeguckt. Zur Verteidigung wurde die warscheinlich nicht angelegt, obwohl das in älteren Büchern durchaus angenommen wird. Die beiden Berge sind groß genug als sogenannte Volksburg, verfügen über Quellen und Rinnsale und die Besatzungen könnten sich im Belagerungsfalle gegenseitig wirksam unterstützen, denn der Gegner hätte immer einen der Berge im Rücken, eine Belagerung beider Berge bindet zu viele Kräfte. Sofern das Volk dieser Gegend vor Jahrtausenden genügend Leute auf die Beine bringt, um die Berge zu bemannen, wird jeder Eindringling weiterziehen müssen.

Die steilen teils geröllbedeckten Hänge insbesondere des Botzen sind Befestigung genug, der Berg verteidigt sich von selbst. Die Mauer aus Basaltbruchstücken macht eher den Eindruck eines Postenweges, breit genug wäre er, und mit Holz gedeckt (wie Straßen noch im Mittelalter gebaut wurden) auch komfortabel und für Wagen nutzbar. Nur, daß man eben ausschließlich im Kreis um den Berg fahren kann.
In einem Buch von 1930 wird ein Brunnen auf dem Südteil des langestreckten Gipfels des Botzen erwähnt, der in tschechischen Beschreibungen als „Mädchenbrunnen“ (!!) auftaucht.
Diesen trachtete ich zu finden und ließ keine Kletterei durch Brombeerhecken unversucht. Hin und wieder schoß fluchend ein Wildschwein, dem ich den Sonntagnachmittag versaut hatte, durchs Geäst davon. Oben auf dem Gipfelplateau dann der Schock: totale Verwüstung. Hier hat die nordböhmische Steinbruchindustrie ganze Arbeit geleistet. Natürlich war auf dem ganzen Berg vstup strengstens zakazan, aber sowas spielt eh keine Geige.
Nach einiger Zeit in dieser Endzeitlandschaft findet sich ein kleiner Teich mit klarem kalten Wasser im oberen, südlichen Teil des Steinbruchs. Sollte das die Spur des mysteriösen Brunnens sein?

(weitere Bilder im nächstfolgenden Beitrag)