Hohe Häuser, tiefe Bronnen.
Zeit ist still zu Stein geronnen.
Wasser schwappert aus den Eimern.
Tag getaktet von den Timern
meines klugen Telefons,
das nichts weiß von dem Aktions-
und Kontaktkomplettverbot.
Ich steh vor der Ampel rot.
Kategorie-Archiv: Lipsigorod is my town
Gut gesagt, gern gesagt
Solange in den Führerständen von Straßenbahnen rücksichtslose Arschlöcher sitzen, die heraneilenden Fahrgästen die Tür vor der Nase zuknallen und kackfrech davonfahren, sollte dem Öffentlichen Personennahverkehr nicht allzuviel Bedeutung beigemessen werden.
Die Trümmerfrau
Die Trümmerfrau mit Korb auf Kopf
und Brennessel im Suppentopf,
mit Stein im Korb und festem Leib
und ohne Not beim Zeitvertreib
grüßt lässig übern Grassiplatz.
Im Torgewölbe baut der Spatz
ein Haus für seine Ische.
Ich such mir eine Nische,
und seh dem Volk beim Rennen zu,
mit Hund und Korb und Lederschuh
durch Abendluft und Autostau.
Es lächelt hold die Trümmerfrau.
Das tief blickende Haiku zum Samstag
Eher nicht basenbildend
Freie Stadt mit Herz und Nerz
Die freie Stadt zu Füßen,
so laut und hell und pur.
Ich hebe, dich zu grüßen
die Stimme hoch nach Dur.
Ich hebe an zu preisen,
dann werfe ich ein Herz.
Es landet zwischen Gleisen
vor einer Frau im Nerz.
Die Straßenbahne bimmelt,
die Dame hüpft, oh Schreck,
dem, der sie angehimmelt,
an das Geheimratseck.
„Nu gugge, endlich hupptse
mir an den Sonntagsstaat“,
denkt sich der Kerl und wupptse
auf sein Elektrorad.
So tu ich stes das Gute,
für andre, nie für mich.
Nu zieh mal keine Schnute.
Gleich tu ich was für dich.
Vom Streben und Drängen
Den Überdruss zu befeuern
Um den Überdruss des unschuldigen Betrachters an den überaus nervigen grafischen Stadtsilhouetten zu befeuern, wird heute auch in diesem Block eine prima Stadtsilhouette dargeboten, so wie an jedem Klempnerauto, Fahrplanaufsteller, Stadtmarketingposter, Friseurfahrradständer, Klobürstenhalter, Hilfsschulfenster, Hostessenanstecker, Taxifahrerschnauzbart, Chinaimbissholzgäbelchen und Arschgeweih. (Bitte nach Belieben fortsetzen. Gilt für alle bedeutenden Metropolen.)
Aus den Stadtbezirken
Großkotziges Metropolgedicht
Mit der U-Bahn fahren wir
jeden Tag von dort nach hier.
Manchmal fahrn wir auch zurück.
Meine Herren, was ein Glück,
dass wir eine U-Bahn haben,
an der wir uns täglich laben.
„U-Bahn“, sag ich unverhohlen,
„gibt es nur in Metropolen,
gibt es nicht im Hinterwald,
weder heute, morgen, bald,
noch in fünfundzwanzig Jahren.
Kann man nur bei uns hier fahren.“
Lustig roll ich auf der Treppe.
Hinterwäldler ziehen Fleppe.
Das schlampige Sonett u. a. von der universitären Bildung
Was der Architekt
in den Boden steckt,
Glas, Beton und Ritzen,
macht mich manchmal schwitzen.
Ich lob mir den Baum,
von Bedeutung kaum,
trotzdem hoch zu schätzen,
nicht nur von den Spätzen.
Blauer Himmel, Mond:
ziemlich unbewohnt.
Wir hier unten drängen
uns im hohen Haus,
Blick zum Baum hinaus.
Unsre Augen hängen.
Trivialornithologisches Haiku zum Sonnabend
Jammermondgedicht
Das Krähenfuß-Haiku am Sonnabend
Ungerecht
Während der böse vor sich hin schimpfende Mittelostmensch über knisternde Diesteln und vertrocknete Fliegen steigt, die unbarmherzig brennende Sonne im roten Nacken, den verdorrten Garten vor Augen, wird über dem sowieso bevorzugten Südwestland das pünktlich gelieferte Gießwasser versprüht, kostenlos und erfrischend, gefolgt von horizontfüllenden Lichtspielen, gelegentlich angereichert mit etwas Theaterdonner.
Das alles muss Gründe haben, die unsereinem nicht zugänglich sind.
Das fortschrittliche Haiku zum Sonnabend
Spaziergang
Nächtliche Entwarnung
sale
Von Backfisch und Besinnlichkeit
In der Schlange vom Backfisch steht ein Herr und sabbelt und brabbelt und weint und greint, denn sein Unglück sind die Ausländer. Es ist erwiesen, immer und überall diese und jene Ausländer, sie fangen an mit Schubsen und weiter geht es mit dem Schlimmsten! Immer.
Nun folgt eine Pause, in der seine drei Zuhörer, die nicht zu Wort kommen wollen, verlegen öhm und ähm und urbs machen. Der übliche Ausfluss eben, mögen sie sich denken. Schließlich aber eine ganz neue Wendung, die Krone der Ausführungen: Hat doch der Herr im Fernseh gesehen, dass jetzt tatsächlich diese Ausländer (Iraner) bei diesen Ausländern (Assaddamaskus) einkaufen fahren, und dass es dort schön ist und billig und überhaupt nicht einzusehen, warum denn noch diese ganzen Ausländer hier bei uns hocken, dem Herrn durch ihre bloße Anwesenheit missfallen und nicht einfach nach Hause einkaufen fahren. Mit piepsig erhobener Stimme wird die Zusammenfassung geboten: Ich glaube DENEN jetzt gar nichts mehr, denn DAS haben sie uns immer verschwiegen, die Hunde (gemeint ist wohl das Fernseh).
So ist das mit der Besinnlichkeit, wenn man ganz tief in sich hinein horcht und nichts findet außer vorgekauten Unsinn. Zufrieden latscht der Herr von dannen mit seinen frittierten Fischbuletten, und man stellt resigniert fest, dass nicht annähernd soviel Backfisch verkauft wird, wie man kotzen möchte.