Schlagwort-Archiv: Karl Gong

Silikone Stilikone

doppelmotor
Was Männer interessiert (Beispielfoto)

Karl Gong, der diszipliniert wartete, dass ihn der Friseur auf den Haarwaschstuhl rufen würde, betrachtete mit einer kleinen Kopfdrehung die silikone Stilikone auf dem Titelblatt des Magazins zu seiner Rechten, das prall hautfarben leuchtend seine Aufmerksamkeit vom eingebildet seriösen Nachrichtenblatt weg lenkte, in dem er gerade über die erfolgreichen, aber leider kriminellen Leistungen deutscher Automobil-Ingenieurskunst informiert worden war.

Was für Rundungen, dachte Gong schnalzend, aber leider so künstlich wie der obligatorisch halboffen lechzende Mund der Dame, ihre sinnlose Körperhaltung, die plastinierte Oberfläche und das elaborierte Haarwerk; seufzend widmete er sich wieder dem Qualitätsorgan und dem Mitleid, das über einem verdienten Konzernlenker ausgegossen wurde, der keine Ahnung davon gehabt hatte, was in seinem vorbildlichen Großbetrieb von seinen fähigen Untergebenen angestellt worden war, um seine eigenen unerfüllbaren Befehle auszuführen, ach, ein Drama, aber eines, das die Schadenfreude in Gong befeuerte, die erst durch die unbequem erduldete Haarwäsche mit lauwarmem Wasser leicht abgekühlt werden konnte.

Am Montagmorgen

montag

Wenn Karl Gong, der bekannte Chemiearbeiter, am Montagmorgen die Stufen zum Leitstand erklomm, in dem neben dem Alten Meister (mit Zigarre im Mundwinkel, verboten) auch der Parteisekretär (mit seiner Mieze im Arm, verboten) hockte, hatte er stets ein fröhliches Lied auf den Lippen, das sowohl der umgebenden dramatisch-spätindustiellen Gemengelage als auch der Dauer des Aufstiegs Rechnung trug.

Meist handelte es sich um „Stairway To Heaven“.

Das sehr schlechte Boot

gartenschiff

„Der Nachteil an einem großen Grundstück, meine Liebe“, sagte Karl Gong zu seiner Lieben, die schon immer, und zwar gegen den erbitterten Widerstand des Gong, ein großes Grundstück erstreiten wollte, was ihr schließlich auch gelungen war, „ist, dass man eine ganze Weile braucht, ehe man so herumkommt.“

„Habe ich da eben ‚Ehemann‘ gehört?“ fragte die Liebe, denn Gong war ihr noch kein solcher, was insbesondere die Grundstücksangelegenheit delikater als nötig gestaltete.

„Das kann ich nicht wissen, was die Herrin hört“, antwortete Gong patzig und fing sich die erste Schelle ein.

„Nun“, sprach die Liebe ungerührt, während sie sich den Handrücken an einem Küchentuch abwischte, denn Karl Gong schwitzte im Sommer mehr als sonst, „dann muss der Herr eben ein wenig schneller laufen, damit er binnen Jahresfrist einmal den Acker umrundet hat. Aber was ist eigentlich das Problem?“

Gong, dem mittlerweile die in der Beziehung herrschenden Kräfteverhältnisse wieder klargeworden waren, wies wortlos auf sein dumm glimmendes Telefon, denn er hatte eine Aufnahme vom Entlegenen Winkel des Grundstücks gemacht, über den immer nur geraunt wurde, denn man musste sich durch mannshohe Brennesseln kämpfen, um ihn zu erreichen.

„Kuck mal, was ich gefunden habe“, raunte Karl Gong beinahe atemlos.

„Das ist ein sehr schlechtes Foto“, sagte die Liebe, „und ein sehr schlechtes Boot.“

Damit war für die Liebe die Sache erledigt, Boote interessierten sie nicht, die Brennesseln würde sie von ihrem wehleidigen Gefährten demnächst zur Teeproduktion einfordern, und wenn schon unbedingt von Motorkraft zu reden sein würde, dann erwartete sie ein stilles elektrisches Motorrad mit elektrischer Knallklangerzeugung, das auch mal dreckig werden kann, denn auf dem Grundstück und drumherum war es immer dreckig. Damit könnte er mal um die Ecke kommen, der Karl, ja.

Gong indes erspürte die ausgesandten Zeichen nicht, er schlich in den Keller zu seinen Digedag-Heften, sah sich die zitronenförmigen Panzerboote vor der Ostküste Amerikas an, und Sehnsucht erfüllte sein Herz.

Verpasste Chance

lochblech

Eines Tages bemerkte Karl Gong, der in permanenter Überforderung durch die Unübersichtlichkeit der Welt langsam die Orientierung zu verlieren begann, im sinnlos flirrenden Spiel der Gedanken, der Laute und der Lichter plötzlich ein System, eine Ordnung, ein Muster, und beglückt atmete er schneller, japste gar, und raunte: „Das ist es! Da ist es!“ in der Annahme, dass ihm nun der Halt wieder zuteil würde, den er dringend benötigte, um mit sich, dem Universum und der Lebensgefährtin einigermaßen auskommen zu können, da wurde es dunkel und der Lärm von der Bühne hob an.

Wiederherstellung der allgemeinen Harmonie

steig

Karl Gong, der sich regelmäßig vom Gehweg her kleinlichen Angriffen von Mikrohundehaltern ausgesetzt sah, weil er seinen Kombi rücksichtsvoll so parkte, dass die die Straße befahrenden Rüpelradler nicht sinnlos blockiert wurden, kaufte schließlich im nahegelegenen Zooladen eine Palette verschiedenster Mikrohundeleckereien, welche er liebevoll in den Furchen der dem Gehweg zugewandten Pneus versteckte, wie er es ähnlich in einer der populären Fernsehsendungen aus den Zoos des Landes gesehen hatte, damit den kleinen Rackern Beschäftigung mit freudvoller Belohnung zuteil wurde, und siehe: Es half, die Mikrohundeführer umstanden in zärtlicher Unterhaltung das Fahrzeug, während ihre Schützlinge die Köstlichkeiten mit spitzen Zähnen aus dem Gummi pulten, lobten die Tierliebe des Kraftfahrers, die Qualität der Pneus und das insgesamt entzückend chromierte Fahrzeug, dessen Anblick von nun an nicht nur eine große Freude für jeden Autofreund, sondern auch jeden Mikrohund darstellte.

Karl Gong im Strudel des Seins

karton

Eine seltsame Gelenktheit und Ungelenkigkeit ergriff Besitz von Karl Gong, dem eigentlichen Stoiker, der nichts fürchtete außer der Verpflichtung, Pakete mit Waren zu retourieren, die man ihm zugeschickt hatte und die er aufgrund von fertigungstechnischer Schlamperei sogleich zu zerbrechen trachtete, dann aber nur wutschnaubend im Zimmer hin und her und im Kreise schob, augenrollend und vor sich hin muffelnd, klagend und greinend; diese Pakete also wieder zurückschicken zu müssen, erfüllte ihn mit Gram und Panik, denn persönliches Erscheinen in der Zentralen Rücksendestelle war geboten, die er nicht nur ihrer schieren Existenz, sondern auch der darin beschäftigten Spezialisten wegen verabscheute.

„Ich war einmal Fertigungstechnologe, und ich weiß, wie Produkte korrekt herzustellen sind, ihr tauben Brote, jawohl!“ schrie er die tauben Mauern seines Gehäuses an, die fade zurückschwiegen, obwohl sie nicht aus Brot waren.

Wie ein Tiger im Käfig schlich er an der Schrankwand entlang, machte am Plattenspieler kehrt, dann an der Minibar, immer auf und ab, er suchte nach Lösungen, Verschenken an ungeliebte Verwandtschaft war keine Option, Freunde besaß er seines Wissens nicht, und das Produkt im Garten zu vergraben verbot ihm der Gedanke, wie die Holde es beim Roden der allgegenwärtigen Silberdistelableger fragenden Blickes hervorziehen würde.

Die Holde, für die das Produkt eigentlich gedacht war, würde zu ihm stürmen, die zum jetzigen Zeitpunkt offensichtlichen Mängel aufgrund des Verrottungszustandes nicht mehr erkennen können und ihm jauchzend mitteilen, was für ein schönes Stück sie soeben im Garten fand, etwas, das sie sich schon immer gewünscht habe, zwar durchaus angegriffen, aber anscheinend funktionstüchtig, und sie würde ihn, Gong, fragen, warum er noch nie auf die Idee gekommen wäre, ihr genau so etwas zu schenken, er kenne sie eben nicht, interessiere sich nicht für sie, höre nie zu, etc. pp.

Karl Gong vergrub das Produkt im Garten.

Vom Renegatentum

Karl Gong, sonst kein Kind von Traurigkeit, ward befallen von einem taglangen Trübsinn, ausgerechnet als alle andern ihre frohe Ausgelassenheit ausstellten mit knirschenden Gesichtern, singenden, schlingenden und letztlich aufspringend schwallenden Mündern, ihre Herrschaft über alles in der Welt bekräftigten und die über sich verloren, noch besudelt im Straßengraben krakeelend, bis sie in stabiler Seitenlage zum Verstummen gebracht wurden.

Als das Geschrei und die Tumulte verebbten, verließ Gong die Schauplätze des Geschehens, schwankte, langsam sich aufhellend und fast schon froh, heim in seine fensterlose Kammer zu seinem kleinen Kühlschrank und verprobte diverse Kostbarkeiten, bis er selbst, für andere unhörbar hinter dicken Mauern, unflätige Lieder plärrte, in die Hände klatschte und schließlich gegen das Regal mit den Amiga-Schallplatten fiel, das, soviel sei zum Abschluss verraten, zum Glück keinen Schaden nahm.

Von der Knusprigkeit

protein

Karl Gong, der bekannte Feinschmecker, zeigte sich entschlossen, die fetttriefenden Köstlichkeiten, die er allabendlich zum Bier zu verzehren pflegte, durch proteinreiche, doch kohlenhydratarme Alternativen zu ersetzen, die, wie er überrascht feststellte, in Sachen Knusprigkeit keine Wünsche offen ließen.

Karl Gong im exotischen Land

exotisch

Karl Gong bisher nicht bekannt:
Dort ist das Exotisch-Land!
Treppe hoch im weiten Schwunge,
fiepend meldet sich die Lunge,
schnaufend eilt der Gong hinauf,
überholt in wildem Lauf
alle, die noch mit ihm eilen
— immer rennen, nicht verweilen! —
damit sie dann unter Palmen
liegend aus den Hemden qualmen,
Cocktails kippen, Kokos kauen,
dargeboten von den Frauen,
die, nur spärlich angezogen
und in rechte Form gebogen,
ihm bedeuten: Alles Schein,
kann nur buntes Trugbild sein.
Zuckend aus Sekundenschlaf
schreckt der Gong, blökt wie ein Schaf,
schenkt der Aufsicht einen Kuss
und vollzieht den Exotus.

Katjuscha Bollmann

gold

 

Karl Gong, im Keller, zum Bierholen, obwohl, was den Alkohol betrifft, mittlerweile beinahe vernünftig geworden, in Maßen vernünftig also, nicht vollständig, das wäre ja unvernünftig, erinnerte, voll Wehmut, der mittlerweile vergangenen Lebenszeit wegen, ein sowjetisches Volkslied, Katjuscha, rutschte aber immer wieder, wegen des späten Abends, wie er es erklären würde, oder eher wegen der Konsumtion geistiger Getränke, die ihm seine Holde noch regelmäßig vorhielt, in Richtung Kalinka ab, Kalinka, Kalinka, Kalinka maja, dabei war doch Katjuscha, mit den Apfelblüten, der steilen Uferwand und dem Nebel, der vom Fluss ins Land zog, das flottere Stückchen Heimatlied, fremde Heimat zwar, aber Heimat ist Heimat, das Gefühl zählt, überall auf der Welt, zweimal zwanzig ist vierzig, zisch zisch zisch zisch mal zehn, verdammt lang her, Stalin orgelt im Grab bzw. Mausoleum, wo auch immer, Salve, Cäsar, oder Ziesar, haha, Ziesar, wo Fritze Bollmann den Ulanen die Bärte kratzte, aber dies nur nebenbei.

Die Flasche mit dem Goldhelm, der Mann mit dem Goldhelm, keine Frau, dies bitte zu beachten, mittlerweile heimatlos, nicht zugewiesen, früher war das einfacher, Rembrandt und fertig, was soll das Durcheinander, heutzutage, alles verschwimmt, die Konservativen, was für ein Sammelbegriff, werden zu Tode gegendert, endlich, weg mit der trügerischen Klarheit, mit der Sonne Strahlen eile fort, aus den Augen.

Amen.

Der starke Mann

muskel
Muskeln (Ausschnitt)

Als Karl Gong, der heimliche Bodybuilder, wieder einmal in eine Diskussion geriet, in deren Verlauf ein starker Mann herbeigewünscht wurde, um dies und jenes zu richten, und man sich nur noch nicht einigen konnte, was denn nun genau, ob zum Beispiel alle Autos abzuschaffen wären oder alle Fahrräder oder das Gesträuch oder das Gefleuch, Butter oder Margarine, Alkohol oder Abstinenz, Steuern oder Flucht, Gix oder Gax, spannte Karl Gong einfach kurz seine Muskeln an und haute dem lautesten Schreihals eine trockene Gerade zwischen die Augen, dann dem zweitlautesten, dem drittlautesten und so weiter und so fort, und als dann nur noch ein Diskutant nicht mit nach innen gedrehten Pupillen auf dem Boden lag, denn jener war der einzige, der leise Einwände gegen den starken Mann als solchen geäußert hatte, sagte er zu diesem, mit freundlichem Schulterklopfen: „Siehste, so ist das mit dem starken Mann“, ließ die hochgekrempelten Ärmel wieder nach unten, knöpfte die Manschetten zu und ging fröhlich pfeifend seines Weges.

Trendthema Elektroimmobilität

lampe

Karl Gong, der bekennende Skeptiker, dem jeglicher Hype gegen den Strich ging und der sich deshalb gern von der Masse absonderte oder, wenn das nicht möglich war, scharfe verbale Trennlinien „gegen die Idiotie“ zu ziehen pflegte, die die wohlmeinenden, harmoniesüchtigen Mitbürger regelmäßig stark verstörten, war sich über seine Position zur Elektromobilität nicht ganz im Klaren, fristete diese doch einerseits eine bemitleidenswert marginale Existenz im feuchten Kellergeschoss der Realität, lag andererseits aber in aller Munde, jeder und jede verfügte über eine Meinung, ein Argument oder ein zumindest teilweise elektrisch betriebenes Gerät, das herumfahren, herumlaufen oder herumgetragen werden konnte.

Um nicht gänzlich ohne Haltung wie ein verstockter Depp abseits zu stehen, ging Karl Gong  dazu über, alle Elektromobilitäts-Diskussionen unauffällig zum Thema der Elektroimmobilität hinüberzuschieben, das er eloquent und kenntnisreich zu erörtern in der Lage war, bis seine Zuhörer dahindämmerten oder sich aus dem Staube machten, nachdem Gong ihre Einwürfe und Widersprüche genüsslich zerrissen hatte.

Neue Gartenvorfälle

gaertner

Karl Gong, der nie nein sagen konnte, und dem von einem Bekannten die Mitgliedschaft in einem Kleingartenverein dringend angetragen worden war, kam also nach Hause zu seiner Holden und begann umständlich darzulegen, wie überaus wundersam es doch manchmal mit dem Leben gehen könnte, wenn zum Beispiel sich ein Gartenverein, der in seinen Reihen wohl vor allem Gärtner vereint, sich ausgerechnet am Gärtnerweg befände, ein solcher Zufall bzw. eine derartige Vorsehung, man wüsste gar nicht, wen man preisen sollte, zum Beispiel den Herrn oder den Herrn Vorsitzenden, und eigentlich wäre es doch gar nicht so abwegig, eine Parzelle, denn immerhin, der Opa der Holden hatte doch, also, immer gesagt, nicht wahr, Land ist Land, man kann nie genug, kriegen?

Die Holde legte das Messer, mit dem sie bis eben die Radieschen tranchiert hatte, zur Seite, sah den Gong durchdringend an, erinnerte ihn an die Tatsache, dass sie beide schon über drei ausgedehnte, und, wenn man die „Strunkwiese“, den „Gammeldamm“ und den „Peedenacker“ hinzu zähle, sogar über sechs Gärten verfügten, und beteiligte sich insofern mit einer kleinen Begeisterung am Wortfetischismus des Gong, indem sie ihm ankündigte, ihrer beider Beziehung zu lösen und einen tiefen Graben zwischen ihnen beiden anzulegen,  einen Lösegraben sozusagen, sollte er nicht sofort zur Vernunft kommen, die Kleingartenpläne ad acta legen und endlich die Radieschen salzen, pfeffern und verspeisen, bevor der Spätfilm angehe.

Gong, wie immer, tat, wie ihm geheißen.

Vom Pop

tourbus

Karl Gong, der bekannte Guitarrist, saß seinem Manager Sven-Niels P. gegenüber, von dem er gerade gehört hatte, dass seine Demobänder zu nichts taugten, als sich möglicherweise die Knöchel damit zu bandagieren, und überlegte, welche der hochwertigen Guitarrensaiten, die er stets für Notfälle mit sich führte, am besten zum Erwürgen des P. geeignet wäre, wahrscheinlich E, denn P. hatte einen dicken Hals.

„Karl“, sagte P., der fälschlicherweise vom Fortbestehen einer harmonischen Beziehung zwischen ihnen beiden ausging, „Karl, bei deinen neuen Stücken kriege ich einen dicken Hals. Schreib doch mal was flottes, lebensbejahendes, nicht immer dieses deprimierte Gegreine, das hält ja kein Mensch aus, da möchte man sich ja an der E-Saite aufhängen.“

Karl Gong seufzte, sah von seinem Vorhaben ab, denn es wäre ihm nun wie ein Plagiat der Idee des P. vorgekommen, und nichts verabscheute er so wie Plagiate; er schlich zum klapprigen Tourbus, in dem er mittlerweile zu wohnen gezwungen war, und schrieb einen deprimierten Song, den er die halbe Nacht lang greinend einübte.

Die Kreuzfahrt

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Die Häfen der Welt sind verstopft von Kreuzfahrtschiffen (Beispielfoto)

Karl Gong, ein bekannter Reisender, der das Kreuzfahrtwesen zutiefst verabscheute und bei jeder sich bietenden Gelegenheit dagegen polemisierte, ohne je selbst auf einem Schiff größer als die „Wilhelm Pieck“ gefahren zu sein, wurde von seiner Lebensgefährtin unter Androhung des Beziehungsendes dazu genötigt, eine solche Kreuzfahrt „entweder zum Nordpol oder Südpol, Hauptsache nicht nach Osten“ zu vollziehen, wobei er auf seine bange Frage, ob „das Boot wirklich nicht auf der Leninwerft zusammengenietet“ worden wäre, im Reisebüro keine befriedigende Antwort erhielt.

Nachdem Gong schließlich Monate später die zwei Koffer über die Gangway ins Innere des Schiffes gerollt und man ihm und der Holden das überraschend enge Zimmer zugewiesen hatte, das ständigen körperlichen Kontakt unumgänglich machte, was ihn freute und die Holde zu einer Beschwerde beim Bootsmann veranlasste, beschloss er, sich widerstandslos den angebotenen Vergnügungen des Ortes hinzugeben; er fraß zuviel und sprach ebenso unmäßig dem Alkohol zu, lungerte bei den Damen am Pool herum, brachte den Kapitän mit nautischen Fragen sowie seinen Vermutungen über die Navigation nach dem Sternenhimmel zur Verzweiflung und freute sich am herrlich binären Kontrast vom umgebenden Schnee auf den Eisschollen einerseits und dem das Schiff entquellenden Ruß andererseits.

Das ständige sanfte Schlingern des Kahns erzeugte dabei im Gong ein wattiges Taubheitsgefühl, eine willenlose Eingesponnenheit, ein glückliches Delirium, das selbst bei den ungeliebten Landgängen nicht verschwand und ihn, der diesen Zustand durchaus als angenehm betörend empfand, sollte er über längere Zeit fortdauern, positiv gestimmt in die Zukunft blicken ließ.

Mintgrün und dunkellila

wasserball
Wasserball kann man überall spielen, wo es Wasser gibt

Karl Gong, der die emotionale Zugehörigkeit zu seinem Wasserballclub des Herzens auch außerhalb der Spieltage mit einem von der Holden gehäkelten Schal in den seltsamen Vereinsfarben mintgrün und dunkellila dokumentierte, geriet in eine Lebenskrise, als genau diese Farben für eine Saison von der Modeindustrie als unbedingtes Muss ausgerufen worden waren und er somit unfreiwillig als Hipster und bemitleidenswertes Opfer des indoktrinierten schlechten Geschmacks angesehen wurde, denn außer ihm trug niemand in der Stadt den Vereinsschal, weil niemand außer Gong und den Spielern und Funktionären selbst den Verein überhaupt kannte, wodurch auch die Legitimation des Outfits durch erzwungene Gruppenzugehörigkeit entfiel.

Jedoch, jede Krise hat ihren Höhepunkt, bevor sie dem Ende entgegen siecht, und also konnte auch Gong, nachdem alle Modestücke der schlimmen Phase verramscht und von weniger vermögenden Gesellschaftsschichten aufgetragen oder in den hinteren Bereichen der Damenkleiderschränke zu Löchern zerfallen waren, wieder unbehelligt mit seinem Schal durch die Straßen ziehen, lauthals die Hymne des Wasserballclubs grölend („Wir gehen niemals unter, höchstens kurz!“) und mit einem Wasserball (Größe 5) in die Pfützen titschend.

Die Holde sah es mit Wohlgefallen, wurde doch ihr Geschenk in Ehren gehalten durch alle Fährnisse.

Die Materialisierung des Willens und ihre Negation

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„Dies hier, Sohn“, deklamierte Karl Gong stolz, die Arme ausbreitend, „habe ich geschaffen. Mit meiner Hände Arbeit, mit meinem Hirn und mit unvorstellbarer Willenskraft, gegen alle Widerstände. Ist es nicht großartig, etwas geleistet zu haben, das sich materialisiert hat, ein Plan, der Wirklichkeit geworden ist zu unser aller Wohl und Frommen?“

„Nein“, sagte der Sohn und fing sich eine Backpfeife ein.

Der Verweis

Karl Gong, von seiner damaligen Lebensgefährtin barsch zum Einkauf befohlen, betrachtete, während er zwischen kurzen, dicken Menschen in der Schlange des Fleisch und Wurst Werkverkaufs wartete, eine Familie, die an einem Tisch vor mehreren Tellern saß und gierig Fleisch und Wurst verzehrte, was ihn so verstörte, dass er, endlich am Tresen befragt, was er denn wolle, „Nur etwas Obst, bitte“ stammelte, woraufhin er des Werkverkaufs verwiesen wurde.

Im parkähnlichen Garten

astwerk
Karl Gong war hier (Beispielfoto)

Karl Gong, in seiner Eigenschaft als Hilfsgärtner bzw. Hilfshilfsgärtner, wurde von seiner Lebensgefährtin, die das absolute Kommando über alle Grünarbeiten innehatte, beauftragt, sofort und „jetzt mal zackig“ den unerwünschten Auswüchsen an den diversen Gehölzen, die das gemeinsame, jedoch zu ungleichen Teilen besessene Grundstück bewuchsen, zu Leibe zu rücken; stöhnend rollte er vom Sofa und wurde barsch in den Schuppen geschoben, wo bereits die Werkzeuge warteten, vor denen er sich noch mehr fürchtete als vor dem TV-Abendprogramm.

Leise jammernd schleppte er nun mehrere Tage lang Leitern, Sägen, Äxte und Scheren über das parkähnliche Anwesen, das die Holde in ihrer der bäuerlichen Abkunft geschuldeten Gier nach Land zu erwerben befohlen hatte, errichtete übermannshohe Haufen aus Reisig und Astwerk, die mehrmals wieder umfielen, ließ sich von den anwesenden Gartenvögeln auf das Unflätigste verhöhnen, die er allerdings, so die Weisung, auf keinen Fall stören durfte in ihren täglichen Geschäften, und orderte schließlich, zerkratzt und von kleineren Leiterstürzen humpelnd, eine Mulde von etlichen Kubikmetern, um alles hineinzuwerfen, was nicht gelang und darum die Bestellung weiterer Mulden nach sich zog.

Die Oberste Gärtnerin stand derweil am offenen Fenster, dirigierte ihn zu übersehenen Zweigen, telefonierte mit ihren Freundinnen und diversen Landschaftsarchitekten und warf dem Gong, wenn sie gute Laune hatte, huldvolle Blicke und das eine oder andere Gummibärchen zu.

Die erwachten Igel lachten.

Konflikt

fahrraeder
Fahrräder (Beispielfoto)

Karl Gong, der exzellente Radfahrer, musste an einer Ampel, die gerade auf grün gesprungen war, einen Rennradfahrer umkurven, der nicht vom Fleck kam, nahm also trotz seines in die Jahre gekommenen viel zu schwer knirschenden Velos Tempo auf, rollte freudig dahin mit wehendem Schopf und permanent die Umgebung nach Gefährdungen absuchenden Augen, als sich endlich von hinten der Mensch auf seinem Rennrad herangekämpft hatte und ihm zuröhrte: „Da hast du aber Glück gehabt, dass meine Schaltung kaputt ist.“

Gong, den tatsächlich das Gefühl beschlich, sich für irgend etwas entschuldigen zu müssen, zum Beispiel, schneller als ein per se schnelleres Rennrad unterwegs zu sein, also quasi mit einem Trabanten einen Porsche überholt zu haben, murmelte etwas in der Art von: „Ich fahre doch nur so vor mich hin“, was natürlich nicht stimmte, denn es war ihm sehr wohl bewusst, dass das kapitalistische System der Wettbewerbsmaximierung auch auf Radwegen nicht außer Kraft gesetzt war.

Trotzdem war er der Meinung, dass sich das Thema damit erledigt hatte, jedoch, mitnichten, als der selbsternannte Konkurrent an der nächsten Ampel schnaufend aufgeholt hatte, begann er den Gong inmitten der beachtlichen Menschenmenge der Zentralhaltestelle aufs übelste und wüsteste und unflätigste zu beschimpfen, wobei die mehrmals vorgebrachte Hauptanklage darin bestand, dass Gong „immer das letzte Wort haben müsse, und er kenne solche *** genau“, und er ließ auch keine Entschuldigung des Gong (für was auch immer) gelten, denn das war ja wieder das letzte Wort dieses ***.

Karl Gong, in seinem permanenten Zustand des Peinlich-Berührt-Seins noch tiefer vergraben, stellte für sich fest, dass der Idiotentest nicht nur bei Autopiloten angewendet werden sollte, bevor sie einen Führerschein erlangten, sondern auch bei Radfahrern, aber er behielt diese Erkenntnis zunächst für sich.

Endlich wurde grün.